Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kaserne erneut im Fokus der Justiz
Verdacht auf Volksverhetzung – Pfullendorfer Soldaten erheben Vorwürfe gegen Vorgesetzte
PFULLENDORF - Die Staufer-Kaserne in Pfullendorf beschäftigt erneut die Justiz. Wie die Staatsanwaltschaft Hechingen der „Schwäbischen Zeitung“am Donnerstag bestätigte, ermittelt sie gegen zwei Soldaten der Ausbildungskompanie 209 wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Strafvereitelung im Amt. Gegenstand der Ermittlungen soll unter anderem eine per E-Mail verschickte Fotomontage sein, die das Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz und ankommende Flüchtlinge zeigt. Die Überschrift: „Hier ist für jeden von euch ein Platz.“
In einem Schreiben vom 8. Oktober an die Staatsanwaltschaft Hechingen, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, schildern Soldaten aus Pfullendorf anonym den Vorgang, der sich Ende 2016 in der Ausbildungskompanie ereignet haben soll. Ein Stabsfeldwebel habe mit seinem Dienstcomputer die möglicherweise volksverhetzende E-Mail an einen anderen Soldaten geschickt, heißt es darin. Der Empfänger habe seinen Kompaniechef informiert. Dieser habe aber nichts unternommen, sondern die Angelegenheit unter den Teppich gekehrt – ebenso wie ein weiterer Vorgesetzter.
Menschenverachtende Worte
Darüber hinaus schildern die Soldaten einen weiteren Vorfall, der sich ebenfalls Ende 2016 zugetragen haben soll. Ein Hauptfeldwebel habe einen Kraftraum betreten, in dem einige Soldaten Sport ausübten. Daraufhin soll der Hauptfeldwebel „menschenverachtende“Worte gewählt haben: „Haut ab, ihr dreckigen Afghanen, ich will hier Sport machen!“Auch über diese Angelegenheit soll besagter Kompaniechef informiert worden sein. „Daraufhin wurde ein Protokoll über diesen Vorfall angefertigt, ohne jede Konsequenz.“
Die Soldaten schreiben, dass es sich bei den geschilderten Vorfällen keineswegs um Einzelfälle handele. „Es ist in der Ausbildungskompanie an der Tagesordnung, dass solche Dienstvergehen vertuscht werden“, heißt es in ihrem anonymen Brief. Deshalb solle die Staatsanwaltschaft dieser Angelegenheit nachgehen und die beteiligten Soldaten für ihre Straftaten zur Rechenschaft ziehen. Die Befürchtung der anonymen Briefschreiber: „Wenn wir uns outen würden, würde man uns mit Sicherheit lange Zeit schikanieren und die genannten Soldaten würden wahrscheinlich wieder einmal ungeschoren davonkommen.“
Markus Engel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hechingen, bestätigte am Donnerstag, dass gegen die beiden von den Soldaten beschuldigten Vorgesetzten ein Ermittlungsverfahren geführt wird. „Die Vorwürfe der Soldaten werden nun genau geprüft“, sagte Engel.
Die Bundeswehr teilt auf Anfrage mit, dass die zuständigen Vorgesetzten gegen zwei Unteroffiziere wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermitteln. „Die Bundeswehr nimmt den Vorfall ernst und trifft alle Maßnahmen zur Aufklärung“, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Staufer-Kaserne war bereits im Januar dieses Jahres bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Öffentlich geworden waren zweifelhafte Praktiken bei der Sanitäterausbildung einerseits und bei Aufnahmeritualen andererseits. Bei der Staatsanwaltschaft Hechingen gingen Anzeigen wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, der gefährlichen Körperverletzung sowie der Gewaltdarstellung und Nötigung ein.
In Bezug auf die Ausbildungspraktiken hat die Behörde die Ermittlungen inzwischen eingestellt. Anders sieht es bei den Aufnahmeritualen aus: Dieses Ermittlungsverfahren läuft noch. Im Juli hatte das Verwaltungsgericht Sigmaringen bereits entschieden, dass vier Soldaten, die an den Aufnahmeritualen beteiligt waren, zurecht entlassen wurden. Drei der betroffenen Soldaten haben die Zulassung einer Berufung gegen das Urteil beantragt.