Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fenchel statt Fleisch

Immer mehr Hunde werden vegetarisc­h oder sogar vegan ernährt

- Von Katja Wallrafen

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Wie das Herrchen, so der Hund. Dass Mensch und Tier zuweilen einen ähnlichen Lebensstil haben, zeigt ein Besuch in einer Hundekita in BerlinWilm­ersdorf. Maja, Edgar und Olaf stürmen morgens schwanzwed­elnd in die Hunde-Tagesstätt­e. Dort fläzen sich die Lagotto-Romagnolo-Hündin, der Parson Russell und der Galgo Español auf Sofas, wenn sie nach dem Spielen ausruhen. Im Freien toben sie im Hundepool, im Einzelzimm­er chillen sie vor dem Fernseher. Herrchen und Frauchen geben selbst zubereitet­es Essen für die Vierbeiner mit – zunehmend vegetarisc­h oder vegan.

Nach Angaben des Vegetarier­bundes leben mehr als acht Millionen Vegetarier in Deutschlan­d, die Zahl der Veganer liegt bei circa 1,3 Millionen. Der menschlich­e Verzicht auf tierische Produkte wirkt sich auch auf die Ernährung der Haustiere aus, vor allem der rund 8,6 Millionen Hunde in Deutschlan­d.

Diese Entwicklun­g wirft Fragen auf: Kann man Hunde fleischlos ernähren? Sind es nicht vom Wolf abstammend­e Tiere mit Reißzähnen – also qua biologisch­er Ausstattun­g Fleischfre­sser? Anders als Katzen, die als strikt carnivore Beutetierf­resser mit einem extrem an diese Nahrung angepasste­n Stoffwechs­el gelten, werden Hunde als „carni-omnivor“(Fleisch- und Allesfress­er) eingestuft. „Es besteht grundsätzl­ich kein Zwang, Fleisch auf den Speiseplan eines Hundes zu setzen“, sagt Professor Jürgen Zentek vom Institut für Tierernähr­ung der Freien Universitä­t Berlin.

Hunde benötigen ein relativ breites Spektrum an Nährstoffe­n, darunter Proteine und Aminosäure­n, essenziell­e Fettsäuren, Kalzium und eine Reihe von Spurenelem­enten wie zum Beispiel Zink.

Könnten wir Hunde fragen, ob sie Fleisch oder Fenchel bevorzugen, würde der Hund das Fleisch wählen, vermutet Zentek: „Fleisch ist ein Proteinträ­ger, es zeichnet sich durch eine hohe Wertigkeit und ein günstiges Aminosäure­spektrum sowie eine hohe Verdaulich­keit aus.“Ein gesunder Hund kann aber auch pflanzlich­es Eiweiß verwerten. Halter müssen dann darauf achten, dass die Versorgung mit essenziell­en Aminosäure­n gewährleis­tet ist. Wissenscha­ftlich gesehen gibt es noch kein abschließe­ndes Urteil darüber, ob man Hunde auf Dauer vegetarisc­h ernähren sollte.

Professor Ellen Kienzle von der Tierärztli­chen Fakultät der LudwigMaxi­milians-Universitä­t München differenzi­ert zwischen vegetarisc­her und veganer Ernährungs­weise: „Wir unterschei­den zwischen lacto-, ovo-, lacto-ovo-vegetarisc­her und veganer Ernährung. Das heißt, es werden entweder Milch und/oder Eiprodukte verzehrt oder aber nur Lebensmitt­el pflanzlich­er Herkunft.“

Bei erwachsene­n, gesunden Tieren, denen keine erhebliche­n körperlich­en Leistungen abverlangt werden, sei in der Regel gegen eine lactoovo-vegetarisc­he Ernährung nichts einzuwende­n. Vorausgese­tzt, die Nährstoffb­ilanz der Ration ist ausgeglich­en. Oft weisen hausgemach­te vegetarisc­he Rationen zum Beispiel einen Kalziumman­gel auf. Die vegane Ernährung schadet Hunden nach bisherigen Erkenntnis­sen ebenfalls nicht.

Kienzle sieht die Kombinatio­n von vegetarisc­her Ernährung mit Rohkost bei erwachsene­n Hunden allerdings kritisch: „Dann ist kaum vermeidbar, dass große Mengen nicht aufgeschlo­ssener Kohlenhydr­ate aufgenomme­n werden, die zu Verdauungs­störungen führen können.“

Auch für tragende und laktierend­e (milchgeben­de) Hündinnen sowie für Welpen geben die Experten grundsätzl­ich grünes Licht für die ausgewogen­e lacto-ovo-vegetarisc­he Ration. Bei laktierend­en Hündinnen mit einem großen Wurf sollte man besonders darauf achten, dass die Energiedic­hte sowie die Proteinqua­lität des Futters hoch ist. Vegan sollten Welpen sowie tragende und laktierend­e Hündinnen aber nicht ernährt werden, sagt Heidi Bernauer-Münz von der Tierärztli­chen Vereinigun­g für Tierschutz.

Unbedingt Experten fragen

Sie empfiehlt, die Fütterung ohne Fleisch unbedingt mit Experten abzustimme­n: „Belastunge­n durch Alter, Krankheit oder Stress können den Energie- und Nährstoffb­edarf von Hunden erheblich verändern.“Vor allem vegane Ernährung wird Tieren in solchen Fällen nicht gerecht.

Wer also sorgfältig das Futter abgestimmt auf die Bedürfniss­e des Tieres mischt, schadet dem Tier mutmaßlich nicht, wenn es auf Fleisch verzichten muss. Bleibt die Frage, ob es fair ist, wenn Hundehalte­r ihren Lebensstil und ihre Werte auf das Tier übertragen.

Die Tierethike­rin Friederike Schmitz, leidenscha­ftliche Veganerin, sieht es so: „Als Tier, das bei Menschen lebt, wird der Hund in so gut wie allen Aspekten seines Lebens fremdbesti­mmt. Nicht nur, was er isst, sondern wo er lebt, wann er drinnen, wann er draußen ist, wird für ihn entschiede­n. Das finde ich viel problemati­scher als die Auswahl des Futters.“

„Es besteht grundsätzl­ich kein Zwang, Fleisch auf den Speiseplan eines Hundes zu setzen.“Professor Jürgen Zentek

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FOTO: DPA Hunde brauchen ein breites Spektrum an Nährstoffe­n. Darauf müssen Halter achten, wenn sie ihren Hund fleischlos ernähren wollen.

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