Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Karawane macht Halt im Alten Schlachthof
Musik und Texte verbinden bei der eindrucksvollen Veranstaltung Orient und Okzident
SIGMARINGEN - Die Gruppe „Karawane“hat mit fünf Musikern und einem Rezitator Station in den Ateliers im Alten Schlachthof gemacht. Die Veranstaltung war Teil des kreisweiten Kulturschwerpunkts „Religion und Spiritualität“. Großartiges aus Ost und West, Verbindendes, Eigenes und Fremdes: Das wurde bei diesem west-östlichen Musik- und Poesieabend geboten. Der Schlachthof war gut besucht und die Zuhörer begeistert.
Orientalische Teppiche wärmten das Auge, die Musik die Seele. Ganz schnell wurden die Musiker und das Publikum bei diesem orientalischen Schweifen durch Zeiten und Welten warm miteinander. Drei Musiker aus der Region, die vor allem klassische Musik spielen, treffen bei diesem spannenden Ensemble Volksmusiker aus Herat in Afghanistan: Gabriele Lang (Gesang und Kamantsche), Ute Giese (Blockflöten) und Bernd Geisler (Robab und klassische Gitarre) musizieren mit den Brüdern Javid (Gesang, Harmonium) und Zia Montazir (Tabla). Asghar Khoshnavaz stellte Texte vor, er sprach mal persisch, mal deutsch, er las aber auch seine eigene Geschichte vor, die ganz viel mit Ost-West zu tun hat, denn der Künstler wurde im Iran geboren und lebt seit 1970 in Deutschland. Inzwischen wohnt er in Wald und engagiert sich vielfach für Menschenrechte und die Kunst. Die Sprache zeigte sich ihm bei der Ankunft im Westen als Herausforderung: „Ich kam an ohne Worte. Meine Sprache hatte ich schon fünf Grenzen zuvor verloren.“Zum Glück fand er sie wieder und eine neue hinzu. An diesem Abend zeigte er mit seiner kehligen Stimme, dass Texte und Musik zusammengehören, dass sie längst nicht nur für den Verstand Bedeutung haben, sondern für den ganzen Menschen.
Der Musiker Bernd Geisler, der als „Orientalist, Musiker und Karawanenführer“ vorgestellt wurde, beschäftigt sich seit Langem mit orientalischer Mystik: „Die islamische Mystik bezeichnet sich als Liebesmystik.“Er erzählt die Geschichte von Rabia, die möchte, dass „Gott nur noch um seiner ewigen Schönheit geliebt wird“und nicht aus Furcht vor der Hölle oder der Hoffnung auf das Paradies.
Goethes west-östlicher Diwan darf nicht fehlen
An einem Text von Omar Khayyam wurde deutlich, wie ein Treffen von Orient und Okzident von den Musikern umgesetzt wird: In dem barocken Stück „Flammende Rose“von Georg Friedrich Händel wurde diese Zeit mit ihrer Verzierungskunst hervorgeholt. Die Töne hierfür zauberte Ute Giese mit einer barocken Flöte, Gabriele Lang beglückte mit ihrer Stimme. In diesen Improvisationen wird der Brückenschlag zwischen orientalischer und westlicher Musik explizit deutlich.
Goethes west-östlicher Diwan durfte bei der Begeisterung für den Orient, die mit ihm viele Romantiker inspirierte, nicht fehlen, schrieb er doch: „Er, der einzige Gerechte, will für jedermann das Rechte“. Khoshnavaz las Goethe danach auf Persisch. Hafis, Sadi und Rumi sind Dichter des 13. und 14. Jahrhunderts und heute noch präsent. Die Musik zu ihren Texten ist teilweise modern und wurde von Javis und Zia Montazir gefühlvoll interpretiert. Auch wenn ein Großteil des Publikums die Worte nicht verstand, hörte doch jeder die Sehnsucht nach der Liebe heraus oder fühlte sich, als wäre er auf einer Reise durch die Wüste. Die deutschen Lieder von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Franz Schubert fügten sich immer wieder erstaunlich lebendig in diesen speziellen Dialog ein. Verständigung, die die Kenntnis des Fremden einschließt, läuft über die Musik nunmal in ganz besonderer Weise. Das bewies diese eindrucksvolle Veranstaltung.