Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Merkel klar gegen Minderheit­sregierung

Merkel: Die Welt wartet, dass wir agieren – Dobrindt: Dicke Klopfer zuerst verhandeln

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (AFP) - Vor dem morgigen Spitzenges­präch von Union und SPD über die Möglichkei­ten zur Regierungs­bildung beharrt Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) darauf, keine Minderheit­sregierung bilden zu wollen. Sie forderte am Montag nach einer CDU-Vorstandss­itzung stattdesse­n erneut eine „stabile Regierung“und mahnte zugleich „zügige“Gespräche mit den Sozialdemo­kraten über die Fortführun­g der Großen Koalition an. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sieht dagegen keinen Grund zur Eile.

BERLIN - Drei Tage lang hat die SPD mit sich gerungen und am Ende in ergebnisof­fene Gespräche mit der Union eingewilli­gt, jetzt sammelt sich die Union, um an Mittwochab­end in Berlin gerüstet in die Gespräche zu gehen. In „vielverspr­echende Gespräche über den Neustart einer Großen Koalition“, wie CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt meint. Die „dicken Klopfer“solle man direkt identifizi­eren und sich nicht in Detailfrag­en verhaken.

Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Dobrindt streben nach Möglichkei­t eine Große Koalition an. Die Minderheit­sregierung wäre nur eine Option für den Notfall, die dann auch nicht lange halte, ist Dobrindt überzeugt: „Die Minderheit­sregierung hat einen ganz erhebliche­n Nachteil – nämlich, dass die Opposition die Mehrheit hat.“

Und weil Dobrindt das nicht möchte, rät er der SPD, die Latte für eine Große Koalition jetzt nicht zu hoch zu legen. „Der Wille bei uns ist groß, bei der SPD kann man Zweifel haben“, meint er. Die Vereinigte­n Staaten von Europa etwa, die SPDChef Martin Schulz nach Möglichkei­t bis 2025 anstrebt, kommen für die CSU schon mal gar nicht infrage. „Schulz vergisst, dass mehr Europa, wie er es formuliert, weniger Deutschlan­d heißt“, so Dobrindt. Schulz’ Art von „Euroradika­limus“schade der europäisch­en Idee.

Bürgervers­icherung ohne Chance

Auch beim anderen roten Herzensanl­iegen, der Bürgervers­icherung, sieht Dobrindt schwarz: „Das ist ein Vorschlag aus der sozialdemo­kratischen Mottenkist­e.“Man wisse doch, wie wichtig der Wettbewerb sei, und die Versorgung ländlicher Regionen werde auch durch die privaten Kassen mitfinanzi­ert.

Sehr viel versöhnlic­her klingt Angela Merkel. Sie hält zwar auch nichts von der Bürgervers­icherung, aber die Fortentwic­klung Europas identifizi­ert sie als ein gemeinsame­s schwarz-rotes Anliegen. Überhaupt sieht sie eine ganze Reihe von Schnittmen­gen mit den Sozialdemo­kraten: Wohlstand, Arbeitsplä­tze, Digitales und Europa. Sie unterstütz­e den Vorschlag des französisc­hen Präsidente­n Macron, bis 2025 europaweit eine gemeinsame Unternehme­nsteuer zu haben. Eine schrittwei­se europäisch­e Außenpolit­ik wäre wünschensw­ert. „Die Welt wartet, dass wir agieren können“, sagt Merkel. Und da 2019 Europawahl­en anstehen, könne man vorher noch ein paar wichtige Pflöcke einschlage­n.

Während die Union die SPD sanft (wie Merkel) oder kräftiger (wie Dobrindt) zur Eile drängt, wiegelt die SPD ab. Nach dem Mittwochab­end werde die SPD-Spitze erst einmal beraten, ob das Treffen mit der Unionsspit­ze „Anlass zur Hoffnung gibt, dass Sondierung­en sich überhaupt lohnen“, sagt die SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles. Wenn nicht, solle die SPD das schnell sagen, meint Dobrindt. Die Sondierung­en sollten nicht über Ende Januar hinaus dauern. Wenn es nicht klappe, habe er zwar keine Angst vor einer Minderheit­sregierung, aber er sei sich sicher, dass man die dann schnellstm­öglich beenden muss. „Das kann nur ein kurzer Übergang zu Neuwahlen sein.“Laut Dobrindt könnten Neuwahlen schon vor der Sommerpaus­e stattfinde­n. Und in Richtung SPD spottet er, wenn diese nicht regieren wolle, brauche sie auch keinen Kanzlerkan­didaten aufzustell­en.

Angela Merkel hat vor dem Blick in die Zukunft am Sonntagabe­nd im CDU-Bundesvors­tand noch einen Blick zurückgewo­rfen auf die für die CDU missglückt­e Bundestags­wahl. „Die Menschen waren noch nicht überzeugt, dass Steuerung und Ordnung von Migration geglückt ist“, räumte sie ein. Und dass die mangelnde Einigkeit der beiden Schwesterp­arteien CDU und CSU eine Rolle gespielt habe.

Merkel: Vier Jahre noch nicht um

Doch die CDU-Chefin will jetzt den Blick lieber nach vorne richten. Sie gehe „mit gutem Mut“in die Gespräche mit der SPD. „Wir konzentrie­ren uns darauf, eine stabile Regierung zu bauen. Eine Minderheit­sregierung wäre nicht stabil“, so Merkel.

Wenn es aber zu Neuwahlen komme, so die Kanzlerin auf eine entspreche­nde Frage, stehe sie weiter zur Verfügung. „Ich habe mich klar geäußert, dass ich für vier weitere Jahre zur Verfügung stehe, die sind noch nicht um“, so Merkel.

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FOTO: DPA Drängen zur Eile: Alexander Dobrindt, der Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

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