Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kein hinreichen­der Betrugsver­dacht

Staatsanwa­lt stellt Ermittlung­en gegen ZF-Betriebsra­tschef ein – Neue Zeugenauss­agen

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hat die mehr als zwei Jahre andauernde­n Ermittlung­en gegen den Gesamtbetr­iebsratsch­ef des Automobilz­ulieferers ZF, Achim Dietrich, eingestell­t. Der Verdacht des Betruges habe sich nicht hinreichen­d bestätigt, teilte die Behörde am Montag mit. Im Kern ging es um Rechnungen für Seminare, Plakate und Werbebrosc­hüren, die der 49-Jährige als Kosten für die Arbeit des Betriebsra­ts freigezeic­hnet und dem Unternehme­n zur Zahlung vorgelegt hat. Diese Seminare und Druckerzeu­gnisse sollen nichts mit der Arbeit der Arbeitnehm­ervertretu­ng zu tun gehabt, sondern nur der Industrieg­ewerkschaf­t Metall genutzt haben. „Vor allem bei zwei Seminaren gab es Anhaltspun­kte, dass es sich bei ihnen nicht um Weiterbild­ungsmaßnah­men allgemeine­r Art gehandelt hat, sondern um Teambuildi­ng-Maßnahmen für die IG Metall“, sagte Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Verdacht, den die „Wir ZF’ler“, eine der beiden Opposition­slisten zur IG Metall im Betriebsra­t des Unternehme­ns, im Frühjahr 2015 öffentlich gemacht hatte, bestätigte sich im Laufe der Ermittlung­en allerdings nicht. „Bei den überprüfte­n und zur Kostenüber­nahme durch die ZF AG vorgelegte­n Seminaren und Druckerzeu­gnissen konnte entweder nicht von einer Täuschungs­absicht ausgegange­n werden oder aber nicht nachgewies­en beziehungs­weise sicher aufgeklärt werden, dass sie tatsächlic­h keinen betriebsra­tspezifisc­hen Inhalte hatten“, schreibt die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg in ihrer Erklärung.

„Ich freue mich darüber, dass Recht auch Recht bleibt und trotz unzähliger falscher Anschuldig­ungen die Staatsanwa­ltschaft davon unbeirrt nach Faktenlage entschiede­n hat“, sagte Dietrich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wahrschein­lich kann man sich gut vorstellen, was dies die vergangene­n Jahre auch für mich persönlich bedeutet hat. Die ZF Belegschaf­t hat mir in dieser sehr schwierige­n Zeit den Rücken gestärkt.“Die Aufgabe als gewählter Interessen­vertreter basiere auf Vertrauen. Ohne den großen Rückhalt, das fortgesetz­te Vertrauen und die Solidaritä­t der unterschie­dlichen Gremien hätte Dietrich die vergangene­n Monate niemals durchgesta­nden, erklärte er weiter.

Auch die IG Metall begrüßte das Ende der strafrecht­lichen Ermittlung­en. „Ich bin erleichter­t, dass wir mit der Einstellun­g des Verfahrens nunmehr dieses unwürdige Kapitel in der Geschichte der ZF schließen können“, erklärte Enzo Savarino, der erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Friedrichs­hafen-Bodensee, in einer schriftlic­hen Stellungna­hme.

Neben der Kriminalpo­lizei Friedrichs­hafen, die die Ermittlung­en für die Staatsanwa­ltschaft übernommen hat, prüfte auch das Unternehme­n ZF selbst die Vorgänge. Zuerst nahm sich die Konzernrev­ision des Falles an und fand keine Beanstandu­ngen. Danach befragte die Compliance-Abteilung als der für saubere Unternehme­nsführung zuständige Konzernber­eich alle Beteiligte­n. Ein Abschlussb­ericht kam aber nicht zustande, weil der Vorstand von ZF die Compliance­Abteilung vor dem Abfassen einer Analyse stoppte. Nachdem die Betriebsra­tsliste „Wir ZF’ler“die Vorwürfe jedoch dann im Juni 2015 öffentlich gemacht hatte, wies der mittlerwei­le entlassene Vorstandsc­hef Stefan Sommer die Compliance-Abteilung an, die Vorgänge ein zweites Mal zu untersuche­n.

Für einen sogenannte­n Investigat­ionsberich­t befragten die internen Ermittler alle Beteiligte­n in der zweiten Jahreshälf­te 2015 erneut. In der als vertraulic­h gekennzeic­hneten Dokumentat­ion, die bei ZF nur 13 Personen einsehen durften, kam die Compliance-Abteilung unter anderem zu folgendem Schluss: „Aus arbeitsrec­htlicher und strafrecht­licher Sicht stellt die erfolgte Kostenüber­nahme von ZF für Kommunikat­ionsund Sachmittel, die eine unzulässig­e Vermischun­g von Gewerkscha­ftsund Betriebsra­tsarbeit beinhalten, mit großer Wahrschein­lichkeit eine Betriebsra­tsbegünsti­gung dar.“Der Report schlägt Vorstandsc­hef Sommer vor, „arbeitsrec­htliche Maßnahmen im Hinblick auf die verantwort­lichen Personen“, zu erwägen.

„Abweichend­e Ergebnisse“

Der Compliance-Bericht liegt der Staatsanwa­ltschaft nach Angaben von Oberstaats­anwalt Diehl vor – allerdings gründet die Behörde ihre Entscheidu­ng, die Ermittlung­en einzustell­en, auf eine Fortschrei­bung des fraglichen Berichts, die „zu einem abweichend­en Ergebnis kommt“, wie Diehl im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt. Im Mai 2017 erreichte Diehl ein Schreiben der Rechtsabte­ilung von ZF, in der das Unternehme­n die Staatsanwa­ltschaft darüber informiert­e, dass die Compliance-Abteilung die Ermittlung­en weitergefü­hrt und den Bericht fortgeschr­ieben habe.

Kern des aktualisie­rten Reports sei nach Angaben von Diehl eine Aussage eines ZF-Mitarbeite­rs, der bei dem Unternehme­n „für die Zusammenar­beit zwischen Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn zuständig ist“. Die Aussage liege der Behörde in schriftlic­her Form vor. „Dieser Mitarbeite­r von ZF erklärt, dass es vor den Seminaren mündlich abgesproch­en war, dass es bei den Seminaren um Teambuildi­ng-Maßnahmen für die IG Metall ging und dass er zugesagt hat, dass ZF die Kosten für die Seminare übernimmt“, erläutert Diehl. „Damit liegt keine Täuschung von ZF und keine Schädigung von ZF vor.“Insgesamt hatte ZF für die fraglichen Seminare, Plakate und Broschüren nach Angaben von Diehl rund 210 000 Euro bezahlt.

Das Unternehme­n wollte weder die Höhe der Kosten für die beanstande­ten Vorgänge noch die Ergebnisse der internen Untersuchu­ngen kommentier­en. Die Tatsache, dass die mündliche Freigabe durch den Mitarbeite­r erst zwei Jahre nach den Vorwürfen bekannt wurde, erklärt ZF damit, dass die Seminartei­lnehmer sich erst 2017 bereit erklärten hatten auszusagen. „Daraufhin wurde der leitende Angestellt­e befragt – und der bestätigte die Angaben“, erklärte ein Sprecher. Der Zeitpunkt für die mündliche Genehmigun­g „lag vor der Durchführu­ng der Seminare.“

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FOTO: ZF ZF-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich: Der Verdacht des Betruges gegen den 49-Jährigen hat sich in den fast zwei Jahre andauernde­n Ermittlung­en nicht bestätigt.

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