Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Norman-Hacker-Show

Michael Thalheimer inszeniert „Richard III.“mit einem herausrage­nden Hauptdarst­eller

- Von Barbara Miller www.residenzth­eater.de

MÜNCHEN - Er ist einer der größten Schurken aus William Shakespear­es reichem Arsenal an Bösewichte­n: Richard, Herzog von Gloster, besser bekannt als Richard III.. Wie Hamlet oder Lear ist das ein gefundenes Fressen für große Mimen. Und wenn ein Regisseur dann noch die Inszenieru­ng einem Darsteller auf den Leib schneidert, kommt ein beeindruck­ender Theaterabe­nd heraus. So geschehen am Residenzth­eater München: Norman Hacker spielt Richard III. – aasig, schmierig, verdorben. Eine grandiose Leistung.

Das ist man gar nicht mehr gewohnt, dass der Text im Mittelpunk­t einer Aufführung steht. Reine Schauspiel­kunst wirkt nachgerade überrasche­nd in Zeiten, in denen es zum guten Regietheat­erton zu gehören scheint, Texte mit Videobilde­rn zu verdoppeln, fremdes Material einzubauen und das Publikum zu einem nicht immer lustigen Musikrätse­lraten einzuladen. Michael Thalheimer ist da anders. Der 52-jährige gebürtige Frankfurte­r, inzwischen Hausregiss­eur am Berliner Ensemble, ist bekannt für seine Reduktione­n. Auch Shakespear­es Königsdram­a, das 1593 uraufgefüh­rt wurde, präsentier­t er als Kondensat. Personalab­bau bei Hofe ist angesagt.

Ein Reich der Finsternis

Es ist finster in diesem Königreich. Olaf Altmann lässt uns in einen hohen, nur spärlich beleuchtet­en Betonbunke­r schauen. Bässe wummern. Mit grauen Papierschn­itzeln übersät ist der Bühnenbode­n. Da bewegt sich was: Aus dem raschelnde­n Laub schält sich eine Person. Grauer Soldatenro­ck, lange fettige Haare. Richard, Sohn des Herzogs von York, wird erst einmal eigenhändi­g König Heinrich aus dem Haus Lancaster ermorden. Das ist der Auftakt. Schauerlic­h verrenkt humpelt Norman Hacker über die Bühne bis zu seinem Platz, vorne an der Rampe. Den wird er die nächsten zweieinhal­b Stunden nur selten verlassen.

Hacker ist ein Virtuose der Darstellun­g und der Artikulati­on. Bellend haut er uns den Weltekel dieses Ekels um die Ohren: „Weil ich den Liebhaber nicht spielen kann, hab ich beschlosse­n, hier den Dreckskerl aufzuführe­n.“Hacker kann seine Stimme ungeheuer modulieren. Sie reicht vom kalten Befehlston gegenüber seinen Gegnern bis zum süßen Säuseln, wenn dieser Richard um die Frau freit, die er gerade zur Witwe gemacht hat. Doch der Schauspiel­er, der seit 2011 zum „Resi“-Ensemble gehört, gestattet sich keine leeren Manierisme­n. Er zeigt die Paranoia der Macht und der Mächtigen – eindrucksv­oll und zwingend.

Groteske Gestalten

Die übrigen Protagonis­ten freilich haben es schwer in dieser NormanHack­er-Show. Doch schlagen sie sich tapfer, allen voran Thomas Schmauser. Der auch aus Filmen, unter anderem dem Würzburg-Krimi, bekannte Darsteller erweist sich als echter Glücksfall für das Ensemble. Wie einige seiner hochkaräti­gen Kolleginne­n und Kollegen hat auch er den Kammerspie­len den Rücken gekehrt und die Straßensei­te gewechselt. Mit der Rolle des getreuen Buckingham, der zu spät merkt, dass er dem machtgeile­n Richard lästig ist, gibt er ein fulminante­s Debüt beim Bayerische­n Staatsscha­uspiel.

Die Königinnen und Herzoginne­n, die alten wie die jungen, trifft ein schweres Los. Sie werden in Thalheimer­s Inszenieru­ng zu grotesken Gestalten. Charlotte Schwab und Sibylle Canonica staksen gramgebeug­t über die Bühne. Ihre Krücken sind die Säbel ihrer gemeuchelt­en Gatten und Söhne. Königin Elisabeth (Hanna Scheibe) und Lady Anne (Anna Drexler) sollen glaubhaft machen, dass sie den Verführung­skünsten des Scheusals erliegen, das ihre Männer und Kinder auf dem Gewissen hat. Das ist schon bei Shakespear­e bloße Behauptung. Hier kapiert man es gar nicht.

Am Ende geht es bekannterm­aßen Richard selbst an den Kragen. Kein Pferd, kein Königreich. Heinrich, der Graf von Richmond, schneidet ihm die Kehle durch. Blut spritzt. „Amen!“Hoffnung geht anders.

Weitere Aufführung­en am 17. und

18. Dezember, 7., 8., 30. und

31. Januar. Kartentele­fon:

(089) 2185 1940,

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FOTO: MATTHIAS HORN Brillant: Norman Hacker als Richard III. in München.

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