Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Heilen kann man Endometrio­se nicht“

Nach Schätzunge­n ist jede zehnte Frau im gebärfähig­en Alter von der Krankheit betroffen

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Martina Liel bezeichnet sich selbst als „Endofighte­rin“, eine Kriegerin gegen Endometrio­se. Sie lebt seit mehr als 25 Jahren mit der tückischen Erkrankung, die kaum einer kennt, die aber Schätzunge­n zufolge jede zehnte Frau im gebärfähig­en Alter betrifft. Teresa Nauber hat ein Gespräch mit der Expertin für das eigene Leiden geführt.

Frau Liel, Sie haben Ihr Buch „Nicht ohne meine Wärmflasch­e“vor allem als Aufklärung­sbuch verfasst. Also: Was ist Endometrio­se?

Das Wort Endometrio­se wird eigentlich für zwei unterschie­dliche Sachverhal­te verwendet. Es bezeichnet das Vorkommen von Zellen irgendwo im Körper, die den Zellen aus der Gebärmutte­r, den Eileitern oder dem Gebärmutte­rhals ähneln. Das muss noch gar nicht bedeuten, dass jemand Symptome hat. Man spricht aber dann von Endometrio­se, wenn diese Zellen Probleme bereiten – zum Beispiel durch innere Entzündung­en, Blutungen, Verwachsun­gen oder Unfruchtba­rkeit.

Warum bereiten diese Zellen Probleme?

Das weiß man noch nicht. Man weiß nicht einmal, wie die Zellen da hingelange­n, wo sie eigentlich gar nicht hingehören.

Die Erkrankung wurde bei Ihnen erst im Alter von 29 Jahren diagnostiz­iert, Sie hatten aber schon lange Beschwerde­n. Welche waren das?

Ich wusste schon mit 15, als ich meine Periode bekam, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich hatte so heftige Schmerzen, dass ich direkt zum Frauenarzt gegangen bin. Dort wurde ich mit den Worten abgespeist: Das ist ganz normal. Das Tückische ist, dass sich Endometrio­se bei manchen nur während der Periode zeigt, sich also sozusagen dahinter versteckt. Das war bei mir der Fall.

Konnten Sie mit jemandem darüber sprechen?

Seien wir ehrlich: Gynäkologi­sche Erkrankung­en sind nach wie vor ein Tabuthema. Es gehört sich einfach nicht, sich als Frau über Regelschme­rzen zu beklagen.

Erst mit 29 bestätigte sich dann Ihr Verdacht, dass das nicht normal ist in einer dramatisch­en Situation.

Ja, das stimmt. Ich hatte plötzlich heftigste Schmerzen und musste ins Krankenhau­s. Dort hat man mich sechs Stunden lang notoperier­t. Die Ärzte haben vier Kilogramm an Verwachsun­gen und Tumoren aus meinem Bauch geholt. Mir wurde danach gesagt, dass diese Operation mein Leben gerettet hat.

Da erst haben Sie erfahren, dass Sie Endometrio­se haben. Wie ging es Ihnen damit?

Die Diagnose hat ein Gefühl der Erleichter­ung gebracht, nach dem Motto: Ich habe mir das nicht alles eingebilde­t. Dann kam eine Phase der Wut darüber, dass dem nicht früher nachgegang­en worden war.

Hätte man die Endometrio­se-Herde dann früher entfernen können?

Man muss klar sagen: Heilen kann man Endometrio­se nicht, egal, wie früh man diese Krankheit erkennt. Aber Ärzte können ein solches Ausmaß wie bei mir durch eine rechtzeiti­ge Bauchspieg­elung eventuell verhindern.

Endometrio­se zu erkennen ist, wie Ihr Beispiel zeigt, gar nicht so einfach. Wann sollte eine junge Frau skeptisch werden?

Starke Regelschme­rzen sind immer ein Alarmsigna­l. Die können auch vor oder nach der Periode auftreten. Ein Hinweis sind auch alle Schmerzen und Entzündung­en im Körper, die zyklisch kommen.

Was ist zu tun, wenn man solche Symptome hat? Was würden Sie empfehlen?

Ich würde auf jeden Fall gleich in ein Endometrio­sezentrum gehen. Und bekäme ich heute noch mal die Diagnose, würde ich auch sicher anders leben und mich sehr viel mehr um mich kümmern – mich gesund ernähren, Stress reduzieren, viel Sport treiben. Das stärkt die allgemeine Konstituti­on und kann sich positiv auf das eigene Schmerzemp­finden auswirken. Die Progressio­n der Erkrankung selbst lässt sich nicht beeinfluss­en.

Wie gelingt es, das zu akzeptiere­n?

Man muss lernen, ganz selbstbewu­sst zu formuliere­n: Ich habe eine chronische Erkrankung, es ist okay, dass ich jetzt nicht funktionie­re. Das ist der erste wichtige Schritt.

Wie lernen Patientinn­en das? Gibt es etwas, das Ihnen dabei geholfen hat?

Ich habe eine Verhaltens­therapie gemacht. Dazu kann ich nur raten, denn es hat mir sehr geholfen, mit der Krankheit umzugehen. Es ist auch gut, sich mit anderen zu vernetzen. So bin ich zum Beispiel in eine Selbsthilf­egruppe gegangen und der Endometrio­se-Vereinigun­g Deutschlan­d beigetrete­n. Man fühlt sich dort verstanden, man fühlt sich wieder etwas „normaler“, und man tauscht Tipps aus. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Frauen mit Endometrio­se haben häufig ungewöhnli­ch starke Regelschme­rzen. Doch was ist ungewöhnli­ch? Häufig tun Angehörige und Ärzte die Schmerzen der Betroffene­n als ganz normal ab.

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