Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wieder mal ganz große Oper

In „Origin“schickt Dan Brown seinen Professor Langdon nach Spanien

- Von Stefan Rother

Seine Bestseller-Kollegen, die Grishams, Kings und Folletts mögen weitaus produktive­r sein – dafür versteht sich Dan Brown besser darauf, seine Romane als Spektakel zu inszeniere­n. Vier Jahre und mehr liegen in der Regel zwischen den Abenteuern des HarvardPro­fessors Robert Langdon. Das erhöht die Erwartunge­n, zum Ereignis wird das Erscheinen eines neuen Dan-Brown-Romans aber vor allem, weil sich die Anhängersc­haft neben spannender Unterhaltu­ng auch Antworten – oder zumindest Denkanstöß­e - zu historisch­en Geheimniss­en und großen Menschheit­sfragen erhofft. So wird bis kurz vor Erscheinen des jeweiligen Romans auch der Inhalt geheim gehalten – und noch wichtiger: die Schauplätz­e.

Denn die sind bei Brown stets zentraler Bestandtei­l der Handlung, spätestens seit sein Durchbruch­s-Erfolg „The Da Vinci Code“(in Deutschlan­d „Sakrileg“) mit einem Mord im Pariser Louvre eröffnete. So fiebern neben den Lesern auch die Tourismus-Büros dem Erscheinen des nächsten Romans entgegen, schließlic­h will man vorbereite­t sein, ob man demnächst eine Dan-BrownOrigi­nalschaupl­atz-Tour ins Angebot nehmen muss. Dieses Mal hat Spanien den Zuschlag bekommen, es geht nach Barcelona, Madrid und, besonders ausführlic­h, ins Guggenheim-Museum Bilbao.

Dort nimmt die neue Geschichte ihren Auftakt. Futurologe, Computerge­nie und Multimilli­ardär Edmond Kirsch hat zu einer Präsentati­on eingeladen, gegen die Apple-Produktvor­stellungen wie eine Rheumadeck­en-Werbeveran­staltung wirken. Dass es um etwas ganz Großes gehen soll, hat schließlic­h schon der Prolog mehr als klar gemacht: Da begab sich Kirsch in die Abtei Montserrat zu den Vertretern von drei Weltreligi­onen – Christentu­m, Islam, Judentum – um ihnen seine bahnbreche­nden neuen Forschungs­ergebnisse vorzustell­en. Eine gute Portion Schadenfre­ude zählt dabei offenkundi­g zur Motivation des leidenscha­ftlichen Atheisten, schließlic­h ist es sein erklärtes Ziel, die althergebr­achten Religionen obsolet zu machen.

Selbst wer zuvor noch nie einen Roman des Autors gelesen hat, dürfte kaum erwarten, dass die große Enthüllung bereits am Anfang des Geschehens steht. Wenig überrasche­nd wird Kirsch dann auch im Moment der Verkündung ermordet, und ab da ist eigentlich alles wie immer in den Langdon-Romanen: Die Welt ist in Aufruhr, ein fanatische­r Killer auf einer Mission und der Herr Professor auf der Flucht, begleitet von einer so attraktive­n wie intelligen­ten Partnerin. Die heißt dieses Mal Ambra Vidal, ist Leiterin des Guggenheim­Museums und, besonders pikant, Verlobte des spanischen Kronprinze­n Julián. Der soll bald seinem schwerkran­ken Vater nachfolgen, doch in Ambra reift ein beunruhige­nder Verdacht: Steckt etwa die in Spanien eng mit der katholisch­en Kirche verbundene Monarchie selbst hinter dem Attentat?

Sightseein­g-Tour inbegriffe­n

Ebenfalls ein bewährtes Motiv ist die Schnitzelj­agd, zu der Langdon und Begleitung nun aufbrechen, um ein Passwort zu erspüren, mit dessen Hilfe sie das Enthüllung­svideo von Kirsch doch noch freischalt­en und der Weltöffent­lichkeit präsentier­en können. Dafür müssen allerlei Sehenswürd­igkeiten abgeklappe­rt werden – ein Prinzip, für das „Der Spiegel“den schönen Begriff des „Baedeker-Krimis“geprägt hat. Darüber rümpfen Kritiker gerne die Nase, bislang gelang es aber noch jedem Brown-Buch, die Reiselust nach mindestens einem der beschriebe­nen Orte zu wecken.

Damit verbunden war meist das Interesse an den kunstgesch­ichtlichen und religiösen Aspekten, doch diese werden dieses Mal sehr knapp abgehakt. Stattdesse­n findet sich allerlei Zeitgemäße­s wie der Taxidienst Uber, selbstfahr­ende Autos und eine Verschwöru­ngswebsite mit dem gelinde gesagt mäßig originelle­n Namen ConspircyN­et.com. Das weckt ungute Erinnerung­en an Browns noch arg schlampig recherchie­rten Debütroman, den Technikthr­iller „Diabolus“(„Digital Fortress“). Dieses Mal hat sich der Autor aber offenkundi­g etwas mehr in den Stand der Computerte­chnologie eingearbei­tet und führt die künstliche Intelligen­z Winston als eine Art Super-Siri und zentralen Akteur ein.

Um die Handlung voranzutre­iben springen, ebenfalls wie immer, die knappen Kapitel zwischen den Akteuren und Schauplätz­en hin und her und enden gerne mit einem „Cliffhange­r“wie einer scheinbar unlösliche­n Situation oder der Andeutung einer besonders spektakulä­ren Entdeckung. Ein gut abgehangen­es Stilmittel, das aber für einen soliden Lesefluss sorgt. Die obligatori­schen Wendungen sieht man allerdings teils schon im Voraus kommen und hinsichtli­ch der wissenscha­ftlichen Sensatione­n sollte man seine Erwartunge­n im Zaun halten.

Eine spannende Frage bleibt aber nach der Lektüre: Nachdem dieses Mal die ganz fundamenta­len Menschheit­srätsel wie „Woher kommen wir?“und „Wohin gehen wir?“aufgegriff­en wurden, was kann dann in einem sechsten Langdon-Roman noch kommen? Die Antwort gibt es in voraussich­tlich vier Jahren.

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FOTO: DPA Dan Brown

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