Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

New Yorker Anschlag löst Debatte über Einwanderu­ngspolitik aus

Attentäter aus Bangladesc­h blieb von Terrorfahn­dern unbemerkt – Radikalisi­erung in den USA

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Akayed Ullah liegt mit Verbrennun­gen am Unterleib in einer Klinik. Mit der Rohrbombe, die er am Montag während des morgendlic­hen Berufsverk­ehrs im Herzen Manhattans zündete, hat er außer drei leicht verwundete­n Passanten nur sich selber verletzt. Der selbstgeba­stelte Sprengsatz, den er mit Klebeband an seinem Körper befestigt hatte, detonierte nicht richtig. Wäre er mit voller Wucht explodiert, wären wohl Hunderte Eisensplit­ter durch den Fußgängert­unnel geflogen, der einen Busbahnhof am Times Square mit drei U-Bahn-Linien verbindet. Während die Ermittler der New Yorker Polizei über erste Erkenntnis­se informiere­n, hat der Anschlag in Washington eine heftige Kontrovers­e über Pro und Contra einer restriktiv­eren Einwanderu­ngspolitik ausgelöst.

Ullah war vor sechs Jahren aus Bangladesc­h nach New York gekommen, legal mit einem Visum, wie es Verwandte von Amerikaner­n beantragen können. Ein 1965 vom Kongress verabschie­detes Gesetz räumt dem Familienna­chzug Vorrang vor anderen Faktoren ein. Seither gelangen nicht nur die Ehepartner und Kinder amerikanis­cher Staatsbürg­er vergleichs­weise problemlos in den Besitz einer unbefriste­ten Aufenthalt­sgenehmigu­ng, sondern auch deren Brüder und Schwestern. Letztere wiederum können ihrerseits Ehepartner, Kinder und Geschwiste­r ins Land holen, sobald sie eingebürge­rt sind.

Konservati­ve Kritiker, die auf eine Reform des „Immigratio­n and Nationalit­y Act“drängen, sprechen mit polemische­m Unterton vom Irrweg der Kettenmigr­ation. Angeführt von USPräsiden­t Donald Trump, nehmen sie den Fall zum Anlass, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Ein defektes Einwanderu­ngssystem, wettert der Präsident, schade sowohl der Sicherheit als auch den Wirtschaft­sinteresse­n der USA. Er sei entschloss­en, es so zu ändern, „dass unser Land und unser Volk an erster Stelle rangieren“, schiebt er in charakteri­stischer America-First-Rhetorik hinterher. Für Demokraten wie Jerrold Nadler, einen Kongressab­geordneten aus New York, sind es Sprechblas­en, die am Kern vorbeigehe­n. Mit Immigratio­n, so Nadler, habe das Problem nichts zu tun. Das Problem sei vielmehr, dass sich jemand radikalisi­ere, wenn er bereits in den Vereinigte­n Staaten lebe.

Weihnachts­motive als Auslöser

Aufgewachs­en auf einer Insel in der Nähe der Millionens­tadt Chittagong, zog Ullah mit seinem Vater nach New York, um sich im Stadtteil Brooklyn eine Existenz aufzubauen. Zunächst fuhr er ein Taxi, später arbeitete er als Elektriker. Die Tunnelpass­age in einer der belebteste­n Ecken Manhattans nahm er nach Angaben der Behörden ins Visier, weil sich dort Reklamesch­ilder mit Weihnachts­motiven häuften. Mit seiner Bombe, ließ die Polizei nach einem ersten Verhör wissen, habe er Angriffe der amerikanis­chen Luftwaffe auf Rakka und andere Hochburgen des „Islamische­n Staats“in Syrien und im Irak vergelten wollen. Der 27-Jährige sei im Internet auf radikales Gedankengu­t gestoßen, über Kontakte zu eventuelle­n Komplizen oder Drahtziehe­rn wisse man bisher nichts.

Ullah, sagt John Miller, beim New York Police Department (NYPD) zuständig für Antiterror­strategien, sei „typisch für etwas, was wir inzwischen überall auf der Welt sehen“: ein Täter, der wie aus heiterem Himmel zuschlage, ohne dass ihn die Terrorfahn­der auf dem Schirm hatten. Die Rede sei von einem Menschen, „der unter uns lebte, ohne aufzufalle­n, der finanziell nicht zu kämpfen hatte und weder beim NYPD noch beim FBI auf dem Radar auftauchte“.

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FOTO: AFP In Manhattan gibt es einen Tag nach der Explosion erhöhte Sicherheit­svorkehrun­gen.

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