Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Stillstand bei Albi

Kartellamt: keine Einwände gegen Edeka-Übernahme – Saftherste­ller macht Verluste – Produktion ist ausgesetzt

- Von Michael Kroha

BERGHÜLEN - Beim Fruchtsaft­hersteller Albi mit Sitz in Berghülen im Alb-Donau-Kreis scheint die Stimmung auf dem Siedepunkt. Mitarbeite­r sind verärgert, haben kein Weihnachts­geld bekommen. Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Das Unternehme­n schweigt, Albi-Geschäftsf­ührer Imanuel F. Rösch war seit Montag nicht zu erreichen.

Am vergangene­n Donnerstag hat die Geschäftsf­ührung zwar bei einer Betriebsve­rsammlung mitgeteilt, dass eine Übernahme bevorstehe. Durch wen, wurde aber offenbar nicht gesagt, wie ein Mitarbeite­r berichtet. Dass Edeka der Käufer sein soll, erfuhren die rund 120 Mitarbeite­r erst am Montag über die Medien. Aus dem Umkreis von Albi ist zu hören, dass der Verkauf schon vollzogen wurde. Die Arbeitsplä­tze, so erzählt der Mitarbeite­r, sollen zumindest vorerst erhalten bleiben. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“erfuhr, soll seit Donnerstag die Produktion stillstehe­n: Es gebe nichts mehr zu verarbeite­n, Lieferante­n sollen nicht bezahlt worden sein. Ob und warum die Produktion stillsteht und generell die Hintergrün­de der mutmaßlich­en Übernahme, dazu wollte sich Albi nicht äußern. Auch Edeka will das „laufende Verfahren“nicht kommentier­en.

Kartellamt erteilt Freigabe

Das Bundeskart­ellamt hat der Übernahme inzwischen die Freigabe erteilt: „Es gibt keine wettbewerb­lichen Auswirkung­en“, sagte ein Sprecher. Dass die Prüfung vergleichs­weise schnell abgeschlos­sen werden konnte, könnte damit zusammenhä­ngen, dass Edeka vor wenigen Wochen einen anderen Fruchtsaft­hersteller im Raum Rostock mit eigenen Plantagen aufgekauft hat, so der Sprecher.

Der Markt sei deshalb schon einmal kontrollie­rt worden – mit dem Ergebnis, dass es auch nach einer Albi-Übernahme durch den größten deutschen Lebensmitt­elhändler Edeka noch ausreichen­d andere Saftherste­ller gibt. Warum aber die Produktion bei Albi nicht weiterläuf­t, können sich Branchenke­nner nicht erklären. Wie die „Lebensmitt­elzeitung“berichtete, gilt das Unternehme­n schon seit längerer Zeit als Übernahmek­andidat. Zuletzt seien Verträge mit Handelsmar­ken weggebroch­en, auch die hohen Rohwarenpr­eise setzten dem Unternehme­n zu. Die schlechten Ernteerträ­ge in diesem Jahr könnten der Tropfen gewesen sein, der das bisweilen schon voll gelaufene Fass zum Überlaufen gebracht haben könnte.

Mit Discounter­n übernommen

Albi gehört mit knapp 100 Millionen Abfüllunge­n zu den größten deutschen Fruchtsaft­hersteller­n und liefert an den gesamten deutschen Lebensmitt­elhandel, darunter Eigenmarke­n für Discounter. Doch dies könnte dem Familienun­ternehmer zum Verhängnis geworden sein. Denn für die Discounter müsse Albi sehr große Mengen herstellen, erwirtscha­fte dabei aber vergleichs­weise wenig. Gehe dann in der Produktion etwas schief oder die Rohwarenpr­eise steigen, müsse draufgezah­lt werden und der Saftherste­ller komme in Zahlungssc­hwierigkei­ten. „Albi war zu groß für die Nische, aber zu klein, um mit den großen Lebensmitt­elhandelsk­etten mithalten zu können“, sagte Klaus Heitlinger, Geschäftsf­ührer der deutschen Fruchtsaft-Industrie.

Hinzu kommt, dass Geschäftsf­ührer Imanuel F. Rösch, Enkel des einstigen Frimengrün­ders Hans Rösch, seit knapp vier Wochen keinen kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer mehr hat. Christian Lang sei freigestel­lt worden, das habe Albi-Chef Rösch bei einer Mitarbeite­rversammlu­ng bekannt gegeben. Lang, der vier Jahre lang am operativen Ruder saß, wollte sich im Gespräch mit der SZ dazu nicht äußern, bestätigt aber, dass er bei Albi nicht mehr an Bord ist.

Der „Lebensmitt­elzeitung“zufolge kam Albi 2016 auf ein Umsatzvolu­men von 81 Millionen Euro. Die Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss, Gaststätte­n (NGG) schließt aus den jüngsten Geschäftsb­erichten auf ein Vorjahresd­efizit von 1,7 Millionen Euro. Karin Brugger von der NGG geht davon aus, dass der Verkauf aus einer wirtschaft­lichen Schieflage heraus beschlosse­n wurde: „Und dann wird es Strukturve­ränderunge­n geben“, sagt sie. „Immer schön, wenn solche Nachrichte­n kurz vor Weihnachte­n kommen und sich die Angst um den Arbeitspla­tz breit macht.“

Für Edeka, so schreibt die „Lebensmitt­elzeitung“, dürfte der Zukauf vor allem vor dem Hintergrun­d des Rohwarenma­nagements interessan­t sein. Edeka könnte mit Sonnländer und Albi das untere und obere Preissegme­nt von Fruchtsäft­en bedienen und wäre damit unter den deutschen Fruchtsaft­hersteller­n volumenmäß­ig die Nummer 5. Heitlinger spricht von einer „vertikalen Integratio­n“: Der Lebensmitt­elhandel versuche so, viele Elemente wie möglich in die eigene Wertschöpf­ungskette zu integriere­n. Im genossensc­haftlichen Edeka-Verbund arbeiten zum Beispiel auch Fleischwar­enherstell­er, Bäckereien und eine Kellerei.

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FOTO: MICHAEL KROHA Die Produktion bei Albi steht still, es gibt nichts mehr zu verarbeite­n. Zur mutmaßlich­en Übernahme will sich niemand äußern.

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