Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Stillstand bei Albi
Kartellamt: keine Einwände gegen Edeka-Übernahme – Safthersteller macht Verluste – Produktion ist ausgesetzt
BERGHÜLEN - Beim Fruchtsafthersteller Albi mit Sitz in Berghülen im Alb-Donau-Kreis scheint die Stimmung auf dem Siedepunkt. Mitarbeiter sind verärgert, haben kein Weihnachtsgeld bekommen. Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Das Unternehmen schweigt, Albi-Geschäftsführer Imanuel F. Rösch war seit Montag nicht zu erreichen.
Am vergangenen Donnerstag hat die Geschäftsführung zwar bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass eine Übernahme bevorstehe. Durch wen, wurde aber offenbar nicht gesagt, wie ein Mitarbeiter berichtet. Dass Edeka der Käufer sein soll, erfuhren die rund 120 Mitarbeiter erst am Montag über die Medien. Aus dem Umkreis von Albi ist zu hören, dass der Verkauf schon vollzogen wurde. Die Arbeitsplätze, so erzählt der Mitarbeiter, sollen zumindest vorerst erhalten bleiben. Wie die „Schwäbische Zeitung“erfuhr, soll seit Donnerstag die Produktion stillstehen: Es gebe nichts mehr zu verarbeiten, Lieferanten sollen nicht bezahlt worden sein. Ob und warum die Produktion stillsteht und generell die Hintergründe der mutmaßlichen Übernahme, dazu wollte sich Albi nicht äußern. Auch Edeka will das „laufende Verfahren“nicht kommentieren.
Kartellamt erteilt Freigabe
Das Bundeskartellamt hat der Übernahme inzwischen die Freigabe erteilt: „Es gibt keine wettbewerblichen Auswirkungen“, sagte ein Sprecher. Dass die Prüfung vergleichsweise schnell abgeschlossen werden konnte, könnte damit zusammenhängen, dass Edeka vor wenigen Wochen einen anderen Fruchtsafthersteller im Raum Rostock mit eigenen Plantagen aufgekauft hat, so der Sprecher.
Der Markt sei deshalb schon einmal kontrolliert worden – mit dem Ergebnis, dass es auch nach einer Albi-Übernahme durch den größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka noch ausreichend andere Safthersteller gibt. Warum aber die Produktion bei Albi nicht weiterläuft, können sich Branchenkenner nicht erklären. Wie die „Lebensmittelzeitung“berichtete, gilt das Unternehmen schon seit längerer Zeit als Übernahmekandidat. Zuletzt seien Verträge mit Handelsmarken weggebrochen, auch die hohen Rohwarenpreise setzten dem Unternehmen zu. Die schlechten Ernteerträge in diesem Jahr könnten der Tropfen gewesen sein, der das bisweilen schon voll gelaufene Fass zum Überlaufen gebracht haben könnte.
Mit Discountern übernommen
Albi gehört mit knapp 100 Millionen Abfüllungen zu den größten deutschen Fruchtsaftherstellern und liefert an den gesamten deutschen Lebensmittelhandel, darunter Eigenmarken für Discounter. Doch dies könnte dem Familienunternehmer zum Verhängnis geworden sein. Denn für die Discounter müsse Albi sehr große Mengen herstellen, erwirtschafte dabei aber vergleichsweise wenig. Gehe dann in der Produktion etwas schief oder die Rohwarenpreise steigen, müsse draufgezahlt werden und der Safthersteller komme in Zahlungsschwierigkeiten. „Albi war zu groß für die Nische, aber zu klein, um mit den großen Lebensmittelhandelsketten mithalten zu können“, sagte Klaus Heitlinger, Geschäftsführer der deutschen Fruchtsaft-Industrie.
Hinzu kommt, dass Geschäftsführer Imanuel F. Rösch, Enkel des einstigen Frimengründers Hans Rösch, seit knapp vier Wochen keinen kaufmännischen Geschäftsführer mehr hat. Christian Lang sei freigestellt worden, das habe Albi-Chef Rösch bei einer Mitarbeiterversammlung bekannt gegeben. Lang, der vier Jahre lang am operativen Ruder saß, wollte sich im Gespräch mit der SZ dazu nicht äußern, bestätigt aber, dass er bei Albi nicht mehr an Bord ist.
Der „Lebensmittelzeitung“zufolge kam Albi 2016 auf ein Umsatzvolumen von 81 Millionen Euro. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) schließt aus den jüngsten Geschäftsberichten auf ein Vorjahresdefizit von 1,7 Millionen Euro. Karin Brugger von der NGG geht davon aus, dass der Verkauf aus einer wirtschaftlichen Schieflage heraus beschlossen wurde: „Und dann wird es Strukturveränderungen geben“, sagt sie. „Immer schön, wenn solche Nachrichten kurz vor Weihnachten kommen und sich die Angst um den Arbeitsplatz breit macht.“
Für Edeka, so schreibt die „Lebensmittelzeitung“, dürfte der Zukauf vor allem vor dem Hintergrund des Rohwarenmanagements interessant sein. Edeka könnte mit Sonnländer und Albi das untere und obere Preissegment von Fruchtsäften bedienen und wäre damit unter den deutschen Fruchtsaftherstellern volumenmäßig die Nummer 5. Heitlinger spricht von einer „vertikalen Integration“: Der Lebensmittelhandel versuche so, viele Elemente wie möglich in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren. Im genossenschaftlichen Edeka-Verbund arbeiten zum Beispiel auch Fleischwarenhersteller, Bäckereien und eine Kellerei.