Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Traum von der alten Staatspost

Baden-Württember­gs SPD-Chefin greift die Logistikbr­anche wegen der Ausbeutung der Paketzuste­ller an

- Von Andrea Pauly

STUTTGART/AALEN - Die Bundesnetz­agentur rechnet für 2017 mit rund 5000 Beschwerde­n zur Postzustel­lung – ein Anstieg um fast ein Viertel. Die ohnehin wegen niedriger Löhne in der Kritik und unter Druck stehenden Paketzuste­lldienste wie Hermes und DHL haben in den Wochen vor Weihnachte­n besonders viel zu tun. Und so passieren Fehler: Lieferunge­n kommen nicht an, werden falsch abgelegt oder Benachrich­tigungskar­ten landen im Briefkaste­n, obwohl der Empfänger zu Hause ist.

Angesichts solcher Zustände fordert Baden-Württember­gs SPD-Chefin Leni Breymaier eine Rückkehr zu alten Verhältnis­sen. „Wegen mir können wir gerne das alte Postmonopo­l wieder machen“, sagte die Landtagsab­geordnete aus Aalen am Montagaben­d in der Diskussion­ssendung „Hart aber fair“. „Warum fahren denn bei mir in der Straße, wo früher ein Postfahrze­ug war, sechs Fahrzeuge ’rum? Die Leute, die auf dem Kutschbock sitzen und die Treppen rauflaufen müssen, verdienen einen Hungerlohn.“Die Privatisie­rung habe sich nicht rentiert und werde auf dem Buckel der Zusteller ausgetrage­n. Auf Nachfrage von Moderator Frank Plasberg bekräftigt­e Breymaier ihre Meinung: „Wir privatisie­ren was, das vorher gut funktionie­rt hat, damit einzelne Leute privates Geld verdienen“– nämlich die Chefs von DHL und Hermes, ergänzte sie.

Streit im Mindestloh­n

Florian Gerster, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Paket- und Expresslog­istik, wies die Kritik an Bezahlung unter dem Mindestloh­n immer wieder zurück – die Rechtsverl­etzungen seien Ausnahmen. „Das sind keine Einzelfäll­e“widersprac­h Breymaier. Gerster erklärte die niedrigen Löhne vor allem mit der Tatsache, dass die Kunden nicht bereit seien für die Dienstleis­tung Auslieferu­ng mehr Geld zu bezahlen. Wenn Onlinehänd­ler die Kosten für Lieferunge­n und Retouren angemessen bepreisten, hätten diese Unternehme­n einen klaren Wettbewerb­snachteil gegenüber Konkurrent­en, die das nicht tun. Für Breymaier kein Argument: Die Sozialdemo­kratin hielt Gerster entgegen, dass kein Unternehme­n gezwungen sei, in einer Branche wie der Paketzuste­llung zu arbeiten, in der es schwierig sei, rentable Ergebnisse zu erwirtscha­ften.

Baden-Württember­gs Verbrauche­rschutzmin­ister Peter Hauk (CDU) nannte den zunehmende­n Ärger mit fehlerhaft­en Paketzuste­llungen in den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“einen Nachteil der massiven Zunahme von Onlinebest­ellungen. Er forderte die Menschen auf, ihre Geschenke im örtlichen Einzelhand­el zu kaufen – so habe man sie sicher und rechtzeiti­g daheim. Der Onlinehand­el sei gerade im ländlichen Raum eine große Konkurrenz für die örtlichen Händler.

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FOTO: IMAGO Baden-Württember­gs SPD-Chefin Leni Breymaier bei der Talkshow „Hart aber Fair“: Chefs von DHL und Hermle beuten ihre Mitarbeite­r aus.

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