Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wider alle Zweifel und Einflüsse
Die Pressefreiheit gehört zu den höchsten Gütern der Demokratie – In Biberach diskutierten Experten über ihre Bedeutung und Wehrhaftigkeit in digitalen Zeiten
BIBERACH - Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten [...]. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (Art. 5, Abs. 1 GG).
Was die Verfassungsväter im Grundgesetz über die Pressefreiheit festgeschrieben haben, klingt einleuchtend und in gewisser Weise auch einfach. Dennoch muss dieses zentrale Element einer demokratischen Gesellschaft immer wieder gegen Einflüsse und Zweifel verteidigt werden und sich in Zeiten digitaler Kommunikation auch ein Stück weit neu definieren. Deshalb lud das Evangelische Bildungswerk Oberschwaben ins Alfons-Auer-Haus in Biberach zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Demokratie entdecken – Pressefreiheit ist unverzichtbar“.
Auf dem Podium, neben den Moderatoren Philipp Friedel und Brunhilde Raiser: Hendrik Groth, Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“, Thomas Brandl, Direktor Mediale Kommunikation der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie Rebecca Beiter, Landeszentrale für politische Bildung (LpB).
Zeitungsarbeit wird schwerer
Einig war sich das Trio über die herausragende Bedeutung der „vierten Gewalt“im Staat und dass diese von professionellen Journalisten wahrgenommen werden müsse. Die das Geschehen für die Öffentlichkeit sortieren, recherchieren, die Quellen prüfen und den Sachverhalt schließlich einordnen und bei Bedarf kommentieren. Wobei Hendrik Groth einräumte: „Die traditionellen Zeitungen haben ein Stück weit ihr Meinungsmonopol verloren.“Quellen werden infrage gestellt, andere Fakten und auch andere Themen über verschiedene Kanäle veröffentlicht.
Die Arbeit der Zeitungen mit ihren Internetauftritten wird dadurch anspruchsvoller. Groth nannte als Beispiel den Amoklauf von München, bei dem über digitale Medien eine Geiselnahme, eine zweite Bombe sowie ein Kaufhausattentat kolportiert wurden – alles Falschmeldungen. Die auf schwäbische.de auch nie veröffentlicht wurden, aber nur weil Journalisten stundenlang die Quellen dieser Meldungen auf Herz und Nieren prüften. „Das ist sehr schwierig und sehr personalaufwendig“, so Groth.
Im Zuge der zahllosen Meldungen und Bilder liegt somit auch die Frage nahe: Wo sind die Grenzen der Pressefreiheit? „Es kann zum Beispiel nicht sein, dass Bilder von Attentatsopfern veröffentlicht werden. Es dürfen keine moralischen und ethischen Grenzen überschritten werden“, sagte Rebecca Beiter, die bei der LpB auf Medien und Methoden spezialisiert ist. Groth nannte die kürzlichen Grenzüberschreitungen am Brandenburger Tor, als Israelfahnen verbrannt wurden und skandiert wurde: „Tod den Juden“. Ein Unding, so Groth, der sagt: „Meinungsfreiheit endet mit der Strafgesetzgebung.“
Bedenkliche Verhältnisse
Endet die Meinungsfreiheit bisweilen aber auch, obwohl sie sich an Gesetz und Ordnung hält? Ist die Pressefreiheit womöglich in Gefahr? „In Ländern wie Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei sehen wir, was passiert, wenn es keine freie Presse gibt“, mahnte Thomas Brandl von der Diözese. Aber auch hierzulande macht der Mediendirektor negative Entwicklungen aus: „Den Zeitungen fehlen die Einnahmen über Anzeigenerlöse, Personal wird abgebaut, womit den Journalisten Recherchezeit fehlt. Dazu kommt, dass die Jugendlichen keine Zeitung mehr lesen.“
Groth dagegen schlug eine Lanze für den Nachwuchs: „Ich sehe das gar nicht so pessimistisch“, und verwies auf das Unicef-Projekt, bei dem einmal im Jahr Jugendliche die „Schwäbische Zeitung“übernehmen und diese komplett gestalten. „Diese Jugendlichen sind sehr gut informiert und haben ihren eigenen Kopf.“
Nicht wegdiskutieren lässt sich auf der anderen Seite, dass junge Leute ihre Informationen vermehrt aus dem Fernsehen und vor allem aus dem Internet ziehen, aus Facebook, Instagram und Snapchat – verbunden auch mit negativen Begleiterscheinungen wie Falschmeldungen und einseitiger beziehungsweise gefilterter Information. Gibt es hier einen Ausweg? Rebecca Beiter hat einen: „Wenn mich Jugendliche fragen, wie sie sich bei dieser Informationsfülle besser zurechtfinden können, sage ich immer: ,Lest Zeitung!’“Diese Aussage soll hier unwidersprochen stehen bleiben.