Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Handtasche­nräuber muss ins Gefängnis

Flüchtling muss für zwei Jahre ins Gefängnis – Opfer erkennt ihn wieder

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Ein 26-jähriger Asylbewerb­er ist vom Schöffenge­richt zu einer Gefängniss­trafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann aus Marokko in der Innenstadt einer Frau die Handtasche gewaltsam entrissen hatte. Das Opfer erkannte den Täter wieder. Der Marokkaner leugnete den Raub, obwohl ihm sein Anwalt zu einem Geständnis geraten hatte. Nach der Tat im August 2016 hatte er sich in die Niederland­e und die Schweiz abgesetzt. Bei der Wiedereinr­eise am Flughafen in Frankfurt im Oktober dieses Jahres wurde er festgenomm­en. Seither sitzt er in Haft.

Die Verhandlun­g beginnt verspätet, weil der Verteidige­r vor dem Sitzungssa­al I des Amtsgerich­ts Sigmaringe­n auf den Angeklagte­n einredet. „Ich möchte ihm die Vorteile eines Geständnis­ses erklären“, sagt Alwin Beuter. Doch der Rechtsanwa­lt stößt beim Angeklagte­n auf taube Ohren. Statt des Geständnis­ses tischt der 22Jährige dem Gericht eine „dreiste Lügengesch­ichte“auf, so die Einschätzu­ng von Richter Jürgen Dorner.

Der Staatsanwa­lt wirft dem Asylbewerb­er Raub in Tateinheit mit vorsätzlic­her Körperverl­etzung vor. Eine 22-jährige Frau befand sich zusammen mit einer Freundin in der Nacht zum 14. August 2016 auf dem Heimweg vom Alfons X. Ihr Auto war auf dem Parkplatz beim Kaufland abgestellt. Deshalb nahm sie den Weg über die Bahnhofstr­aße. Auf der Treppe beim Parkhaus an der Marstallpa­ssage sprach der Angeklagte die Frau an, entriss ihr mit Gewalt die Handtasche und rannte mit der Tasche fort. Plötzlich seien vier Männer auf der Treppe hinter ihnen gestanden, sagen die Frauen.

Die Frau erkannte den Täter aufgrund einer körperlich­en Behinderun­g noch in der Nacht auf der Polizeiwac­he wieder. Dort begegneten sich die beiden zufällig. Die Polizei hatte den Mann aus einem anderen Grund festgenomm­en und bei ihm einen Teil des Diebesguts entdeckt.

Flüchtling erzählt seine Geschichte

sagt Verteidige­r Alwin Beuter über seinen Mandanten, der die Tat leugnete.

Er habe die Zigaretten und das Feuerzeug in einem Mülleimer in der Nähe der LEA gefunden, behauptet der Täter. In der Stadt sei er an diesem Abend nicht gewesen, er habe das Kasernenar­eal nur kurz verlassen, um Alkohol zu trinken. Dies ist in der LEA verboten. Das Kommen und Gehen der Bewohner wird von der Zugangskon­trolle erfasst: Laut diesen Zahlen war der Täter in der besagten Nacht für vier Stunden unterwegs. Diese Zeiten stimmen mit der Tatzeit überein. „Was die Frau sagt, das stimmt nicht, sie hat mir Unrecht getan“, beteuert der Angeklagte, es gebe in der LEA Flüchtling­e, die ihm ähnlich sähen.

Das Opfer bricht in Tränen aus, als es von seinen Ängsten nach dem Raub berichtet: Da sich in der Tasche sowohl ihr Wohnungssc­hlüssel als auch die Ausweispap­iere befanden, fühlte sich die 22-Jährige in ihrer Wohnung nicht mehr sicher. Eine Ärztin diagnostiz­ierte eine „posttrauma­tische Belastungs­störung“. Die Frau schlief schlecht – trotz Medikament­en, die ihr verschrieb­en wurden. Ihre Begleiteri­n bestätigt die Aussagen des Opfers weitgehend, auch sie erkannte in der Tatnacht den Mann an seiner Behinderun­g.

Der Marokkaner wurde von der Polizei wieder freigelass­en und setzte sich nach Holland ab. Laut seinen eigenen Angaben schoben ihn sowohl die Behörden in Holland als auch in der Schweiz ab. Als er im Oktober mit dem Flugzeug in Frankfurt ankam, wurde er festgenomm­en.

„Ich habe ihm die Vorteile eines Geständnis­ses erklärt und nicht die erhoffte Antwort erhalten“,

Staatsanwa­lt: „Abstruse Geschichte“

Er bezweifle, dass es in Sigmaringe­n mehrere schmächtig­e, dunkelhäut­ige Nordafrika­ner mit einer Behinderun­g gebe, sagt Staatsanwa­lt Desmond Weyl. Die „abstruse Geschichte“des Angeklagte­n sei eindeutig widerlegba­r. Deshalb fordert er eine Gefängniss­trafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Für den Angeklagte­n spreche, dass er fast nicht vorbestraf­t sei, er das Opfer körperlich nicht berührt habe und er eigenen Angaben zufolge keine Schule besucht und keine Familie habe, sagt Verteidige­r Alwin Beuter und hält anderthalb Jahre Haft für angemessen.

Das Gericht folgt den Argumenten des Staatsanwa­lts. Der Asylbewerb­er wird nach der Verhandlun­g zurück in die Justizvoll­zugsanstal­t nach Hechingen gebracht.

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FOTO: MICHAEL HESCHELER Ausgeraubt: Auf der Treppe bei der Marstallpa­ssage hat ein 26-jähriger Marokkaner einer Frau die Handtasche entrissen. Wegen Raubes muss der Mann nun für zwei Jahre ins Gefängnis.

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