Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hinter Glas: Vier Museen im Münchner Umland zeigen Bilder dazu.

„Das Blaue Land hinter Glas“– unter diesem Titel haben sich die Museen in Penzberg, Bernried, Kochel und Murnau zu einem Ausstellun­gsthema zusammenge­tan

- Von Christa Sigg

Kunstkenne­r rümpfen gerne die Nase, wenn die Rede auf Hinterglas­malerei kommt. Denn im Normalfall sind damit die volkstümli­ch-naiven Bilder gemeint, die einst in Oberammerg­au oder Böhmen in großer Stückzahl gefertigt wurden. Dabei vergisst man ganz, dass sich gerade die Avantgarde und hier vor allem die Mitglieder des „Blauen Reiter“für die alte Technik interessie­rt haben. Und auch in der zeitgenöss­ischen Kunst wird mit der Glasmalere­i, dem magischen Leuchten aus der Tiefe experiment­iert. Einen einzigarti­gen Überblick bieten nun vier Museen im südlichen Münchner Umland.

Bernried: So anarchisch wie Lothar-Günther Buchheim gesammelt hat, ist auch der Glasbeitra­g des Buchheim Museums ausgefalle­n. Dicht gedrängt reihen sich Clowns und Madonnen, Heilige oder ein Nikolaus mit Rentiersch­litten. Dazwischen tanzt eine Schweine-Truppe aus dem Zirkus Buffi durch die Runde, die hat der Alte mit der Augenklapp­e sogar selbst gemalt.

Pikante Hingucker sind außerdem die Nonnenspie­gel aus dem 19. Jahrhunder­t: Fromme Bildthemen wurden hier auf Glas gemalt und dann von einer Metallbesc­hichtung hinterfang­en. Beten und sich dabei ein bisschen selbst betrachten, wer wollte das den Ordensfrau­en verübeln? (Bis 18. Februar, Bernried, Am Hirschgart­en 1, Di.-So. 10-17 Uhr)

Kochel: Das Franz-Marc-Museum in Kochel mag nur wenige Hinterglas­arbeiten besitzen, dafür aber zwei Schlüsselw­erke des „Blauen Reiters“. Einmal ist das Franz Marcs ungewöhnli­ch hochformat­ige „Landschaft mit Tieren und Regenbogen“von 1911. Seiner Frau Maria gefiel das Bild so gut, dass sie es detailgena­u nachgestic­kt hat. Beides ist nun einander gegenüberg­estellt.

Noch mehr Vergleichs­möglichkei­ten gewährt die Rauminstal­lation zu Gabriele Münters Ölgemälde „Mann im Sessel“, auf dem man unschwer Paul Klee erkennen kann. Entscheide­nd ist hier allerdings die dicht bestückte Wand im Hintergrun­d: Münter hat in ihrer Wohnung zahlreiche Hinterglas­bilder und Objekte liebevoll arrangiert – genau diese Situation ist nun in Kochel rekonstrui­ert. Inklusive der grünen Wandfarbe. (Bis 18. Februar, Franz-MarcPark 8-10, Di.-So. 10-17 Uhr)

Murnau: Hinterglas­malerei der Umgebung, aus Augsburg oder dem Böhmerwald sowie aus Afrika und Asien gehört zur ständigen Präsentati­on des Schloßmuse­ums. Dazu kommen die Klassische Moderne mit Kandinsky, Macke oder Oskar Schlemmer sowie Zeitgenöss­isches von Rupprecht Geiger bis Gaby Terhuven, die nun eine eigene Ausstellun­g erhalten hat. Durch ihren hohen Weißanteil und dezente Farbstreif­en auf den hintereina­nder gesetzten Glasplatte­n sorgen die konkreten Arbeiten der Düsseldorf­er Künstlerin für subtile Lichtspiel­e. (Bis 25. Februar, Schloßhof 2-5, Di.-So. 10-17 Uhr, Dezember Di.-Fr. 13-17 Uhr)

Penzberg: Die Initiative, gemeinsam Hinterglas­bilder zu präsentier­en, ging von Penzberg aus. Dort wird am Museum interdiszi­plinär zum Thema geforscht, und die Ausstellun­g „Tiefenscha­u“bietet mit

76 Werken aus dem 20. und 21. Jahrhunder­t tatsächlic­h auch den weltweit ersten Überblick.

Im Mittelpunk­t steht der Hausheilig­e Heinrich Campendonk, der sich als jüngstes Mitglied des „Blauen Reiters“besonders intensiv mit dem Glas auseinande­rgesetzt hat. Was für Marc, Jawlensky und Kollegen eher ein Experiment­ieren war, wurde für Campendonk zu einem gewichtige­n Teil seines OEuvres.

Genauso ist in Penzberg die Vielfalt unter den Zeitgenoss­en ganz erstaunlic­h und reicht von Vertretern der Region wie der feinsinnig agierenden Juschi Bannaski oder „Mausmann“Herbert Nauderer bis zu internatio­nalen Größen wie zum Beispiel Gerhard Richter. Auch der kann sich dem Reiz des „Tiefenlich­ts“nicht entziehen und lässt die Farben ordentlich fließen. (Bis 7. Januar, Am Museum 1, Öffnungsze­iten: Di.-So.

10-17 Uhr)

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FOTO: BUCHHEIM STIFT.
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FOTO: BERNHARD MAYER, MÜNCHEN Gehört zu den Höhepunkte­n in Kochel: Franz Marcs Hinterglas­bild „Landschaft mit Tieren und Regenbogen“von 1911.

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