Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hinter Glas: Vier Museen im Münchner Umland zeigen Bilder dazu.
„Das Blaue Land hinter Glas“– unter diesem Titel haben sich die Museen in Penzberg, Bernried, Kochel und Murnau zu einem Ausstellungsthema zusammengetan
Kunstkenner rümpfen gerne die Nase, wenn die Rede auf Hinterglasmalerei kommt. Denn im Normalfall sind damit die volkstümlich-naiven Bilder gemeint, die einst in Oberammergau oder Böhmen in großer Stückzahl gefertigt wurden. Dabei vergisst man ganz, dass sich gerade die Avantgarde und hier vor allem die Mitglieder des „Blauen Reiter“für die alte Technik interessiert haben. Und auch in der zeitgenössischen Kunst wird mit der Glasmalerei, dem magischen Leuchten aus der Tiefe experimentiert. Einen einzigartigen Überblick bieten nun vier Museen im südlichen Münchner Umland.
Bernried: So anarchisch wie Lothar-Günther Buchheim gesammelt hat, ist auch der Glasbeitrag des Buchheim Museums ausgefallen. Dicht gedrängt reihen sich Clowns und Madonnen, Heilige oder ein Nikolaus mit Rentierschlitten. Dazwischen tanzt eine Schweine-Truppe aus dem Zirkus Buffi durch die Runde, die hat der Alte mit der Augenklappe sogar selbst gemalt.
Pikante Hingucker sind außerdem die Nonnenspiegel aus dem 19. Jahrhundert: Fromme Bildthemen wurden hier auf Glas gemalt und dann von einer Metallbeschichtung hinterfangen. Beten und sich dabei ein bisschen selbst betrachten, wer wollte das den Ordensfrauen verübeln? (Bis 18. Februar, Bernried, Am Hirschgarten 1, Di.-So. 10-17 Uhr)
Kochel: Das Franz-Marc-Museum in Kochel mag nur wenige Hinterglasarbeiten besitzen, dafür aber zwei Schlüsselwerke des „Blauen Reiters“. Einmal ist das Franz Marcs ungewöhnlich hochformatige „Landschaft mit Tieren und Regenbogen“von 1911. Seiner Frau Maria gefiel das Bild so gut, dass sie es detailgenau nachgestickt hat. Beides ist nun einander gegenübergestellt.
Noch mehr Vergleichsmöglichkeiten gewährt die Rauminstallation zu Gabriele Münters Ölgemälde „Mann im Sessel“, auf dem man unschwer Paul Klee erkennen kann. Entscheidend ist hier allerdings die dicht bestückte Wand im Hintergrund: Münter hat in ihrer Wohnung zahlreiche Hinterglasbilder und Objekte liebevoll arrangiert – genau diese Situation ist nun in Kochel rekonstruiert. Inklusive der grünen Wandfarbe. (Bis 18. Februar, Franz-MarcPark 8-10, Di.-So. 10-17 Uhr)
Murnau: Hinterglasmalerei der Umgebung, aus Augsburg oder dem Böhmerwald sowie aus Afrika und Asien gehört zur ständigen Präsentation des Schloßmuseums. Dazu kommen die Klassische Moderne mit Kandinsky, Macke oder Oskar Schlemmer sowie Zeitgenössisches von Rupprecht Geiger bis Gaby Terhuven, die nun eine eigene Ausstellung erhalten hat. Durch ihren hohen Weißanteil und dezente Farbstreifen auf den hintereinander gesetzten Glasplatten sorgen die konkreten Arbeiten der Düsseldorfer Künstlerin für subtile Lichtspiele. (Bis 25. Februar, Schloßhof 2-5, Di.-So. 10-17 Uhr, Dezember Di.-Fr. 13-17 Uhr)
Penzberg: Die Initiative, gemeinsam Hinterglasbilder zu präsentieren, ging von Penzberg aus. Dort wird am Museum interdisziplinär zum Thema geforscht, und die Ausstellung „Tiefenschau“bietet mit
76 Werken aus dem 20. und 21. Jahrhundert tatsächlich auch den weltweit ersten Überblick.
Im Mittelpunkt steht der Hausheilige Heinrich Campendonk, der sich als jüngstes Mitglied des „Blauen Reiters“besonders intensiv mit dem Glas auseinandergesetzt hat. Was für Marc, Jawlensky und Kollegen eher ein Experimentieren war, wurde für Campendonk zu einem gewichtigen Teil seines OEuvres.
Genauso ist in Penzberg die Vielfalt unter den Zeitgenossen ganz erstaunlich und reicht von Vertretern der Region wie der feinsinnig agierenden Juschi Bannaski oder „Mausmann“Herbert Nauderer bis zu internationalen Größen wie zum Beispiel Gerhard Richter. Auch der kann sich dem Reiz des „Tiefenlichts“nicht entziehen und lässt die Farben ordentlich fließen. (Bis 7. Januar, Am Museum 1, Öffnungszeiten: Di.-So.
10-17 Uhr)