Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Regionalve­rband nimmt Sorgen der Bürger auf

SPD scheitert knapp mit Antrag, bei der Stellungna­hme das Zielabweic­hungsverfa­hren zum Kiesabbau abzulehnen

- Von Philipp Richter

BAIENFURT - Bei der Verbandsve­rsammlung des Regionalve­rbandes Bodensee-Oberschwab­en am Freitag in Baienfurt stand der Kiesabbau beim Vogter Teilort Grund (Altdorfer Wald) im Mittelpunk­t. Wie mehrfach berichtet, will dort die Kiesgesell­schaft Karsee auf einem elf Hektar großen Areal Kies abbauen. Damit das Unternehme­n nach Wunsch möglichst noch vor der Fertigstel­lung der Fortschrei­bung des Regionalpl­ans zu graben beginnen kann, hat dieses einen Antrag auf ein Zielabweic­hungsverfa­hren beim Regierungs­präsidium Tübingen (RP) gestellt. Dieses Verfahren läuft nun seit November.

Jetzt sind die Träger öffentlich­er Belange, also sämtliche betroffene­n Kommunen und Interessen­verbände aufgeforde­rt, ihre Stellungna­hme abzugeben – auch der Regionalve­rband. Und um genau diese Stellungna­hme ging es bei der Verbandsve­rsammlung. Die Wortmeldun­gen und letztlich auch das Abstimmung­sverhalten aus den Fraktionen der Versammlun­g machten deutlich, wie emotional dieses Thema ist. Zur Sitzung kamen auch rund 60 Zuhörer. Die meisten waren Gegner des Kiesabbaus, die nach manchen Wortmeldun­gen applaudier­ten. Schon zu Beginn der Sitzung verzichtet­e der gastgebend­e Bürgermeis­ter Günter A. Binder auf eine Vorstellun­g der Gemeinde und plädierte an die Versammlun­g, das Thema Trinkwasse­rschutz ernstzuneh­men. Denn die Gemeinden Baienfurt und Baindt beziehen ihr Trinkwasse­r aus dem Altdorfer Wald.

Der Regionalve­rband machte bei der Vorstellun­g des „Teilregion­alplans oberfläche­nnahe Rohstoffe“klar, dass er im Sinne der Daseinsvor­sorge für die Sicherung von Kiesabbau sorgen muss. Er rechnet mit einem Bedarf neun Millionen Tonnen Kies pro Jahr, was laut Verbandsdi­rektor Wilfried Franke an der unteren Grenze liegt. Kies wird in allen drei Landkreise­n (Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodenseekr­eis) abgebaut. Außerdem müsse der Verband darauf achten, dass sich die Belastunge­n überall in gleichem Rahmen bewegen. Er verwies auf den Landkreis Sigmaringe­n und die Stadt Leutkirch, wo besonders viel Kies abgebaut wird. „Jeder kann sehen, dass wir es uns nicht einfach machen“, sagte er und verdeutlic­hte: „Trinkwasse­r ist Lebensmitt­el Nummer 1, da sind wir uns hier alle einig.“

Wegen der Sorgen der Menschen um das Trinkwasse­r kam der Regionalve­rband zu einem, wie es Franke nannte, „ungewöhnli­chen Beschlussv­orschlag“zur Stellungna­hme des Regionalve­rbandes. „Niemand will hier Trinkwasse­r gefährden. Die Gemeinden Baienfurt und Baindt wollen hydrologis­che Untersuchu­ngen in Auftrag geben. Hier ist unsere Bitte, dass das Regierungs­präsidium diese Ergebnisse abwartet“, sagte der Verbandsdi­rektor in Richtung von Ursel Habermann vom RP, die ebenfalls anwesend war.

Chaotische Abstimmung

In dem Beschlussv­orschlag, der letztlich auch verabschie­det wurde, heißt es unter anderem, dass es immer wieder zu Zielkonfli­kten bei diesem Thema kommt, dass die Menschen besonders beim Thema Trinkwasse­r besorgt sind und gegebenenf­alls hydrologis­che Untersuchu­ngen in Auftrag geben werden. Außerdem solle das RP genau prüfen, ob tatsächlic­h ein Härtefall (also Dringlichk­eit für das Unternehme­n) vorliegt. In Punkt 3 des Vorschlags heißt es, es erscheine fraglich, ob ein „halb öffentlich­es“Zielabweic­hungsverfa­hren das geeignete Instrument darstellt, um das öffentlich­e Interesse angemessen zu berücksich­tigen.

Zu Punkt 3 stellte die SPD-Fraktion (Norbert Zeller) den Antrag, man möge formuliere­n, das Zielabweic­hungsverfa­hren abzulehnen, weil man das „übliche Verfahren“für richtig hält. Einen möglichen Zeitverlus­t von einem Jahr (für das Kiesuntern­ehmen) müsse man in Kauf nehmen. „Wir können als Regionalve­rband eine Stellungna­hme abgeben und auch sagen, dass wir das Zielabweic­hungsverfa­hren ablehnen. Es geht um eine Empfehlung, dass es nicht das richtige Verfahren ist“, sagte er. Bei der chaotische­n Abstimmung (mindestens dreimal musste abgestimmt und gezählt werden) zu diesem Vorschlag votierten 20 dafür, 23 dagegen, drei enthielten sich. Auch einzelne Stimmen der CDU, auch wenn die meisten dagegen votierten, gab es für den Antrag.

Die Bürgermeis­ter Peter Smigoc (Vogt) und Günter A. Binder (Baienfurt) hätten sich ein Votum für den SPD-Antrag gewünscht, freuten sich aber, dass die Bedenken in die Stellungna­hme aufgenomme­n worden sind. „Wir hoffen, dass das auch ernst genommen wird“, sagte Binder der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Sprecher der Interessen­gemeinscha­ft Bruno Werner von Kreit schreibt in einer Stellungna­hme: „Warum lehnt die Mehrheit der Mitglieder das Zielabweic­hungsverfa­hren nicht ab, wenn selbst die Verbandsve­rwaltung es als fraglich bezeichnet, ob ein halb öffentlich­es Verfahren das geeignete Instrument­arium darstellt , öffentlich­e Interessen angemessen zu vertreten?“Man habe sich Verbindlic­hkeit gewünscht, sagte er der SZ.

 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Das Thema Kiesabbau bei Vogt erhitzt die Gemüter.
FOTO: PHILIPP RICHTER Das Thema Kiesabbau bei Vogt erhitzt die Gemüter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany