Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die heilige Mutter für jeden Monat
Unter dem Namen „Innige Lebensfreude“erscheint der Beuroner Kunstkalender 2018
BEURON - Hin und wieder gewinnt man den Eindruck, dass den Machern des Beuroner Kunstkalenders ein wenig die Ideen ausgehen. Nachdem vor Jahren der teilweise profane, also nicht ausschließlich von religiösen Darstellungen geprägte Kalender „Blick aus dem Fenster“– einer der besten – auf Kritik stieß, weil er eben nicht religiös genug war, hat man sich seither wieder ausschließlich religiösen Motiven gewidmet.
Die religiöse Kunst bietet seit dem frühen Mittelalter wahrlich genügend Motive, die den höchsten ästhetischen und kunsthistorischen Ansprüchen genügen. Eigentlich ist bis ins 15. Jahrhundert kaum eine Malerei vorhanden, die nicht religiös geprägt wäre. So können die Macher des Beuroner Kunstkalenders auf einen reichen Fundus zurückgreifen, und das tun sie auch in schöner Regelmäßigkeit.
Warum der Kalender für das Jahr 2018 nun den Titel „Innige Lebensfreude“trägt, erschließt sich allerdings nicht. Es handelt sich um zwölf Mariendarstellungen in Werken von Stefan Lochner und der Kölner Malerschule. Das sind natürlich erstklassige Gemälde, auf dem Niveau der „Madonna im Rosenhag“von Stefan Schongauer im Museum in Colmar. Maria mit dem Kind – das ist ein beliebtes, um nicht zu sagen verbrauchtes Motiv, mit dem man Kalender für die kommenden 200 Jahre bestücken könnte. Das bedeutet ja nicht, dass das schlecht sein müsste, aber mit dem Titel „Innige Lebensfreude“hat das nichts zu tun.
Die Macher des Kalenders müssen sich entscheiden, ob sie ein breites oder ausschließlich religiös interessiertes Publikum ansprechen wollen. Ein Kalender ist doch kein Gebetbuch, und es gibt viele Leute, die den Beuroner Kunstkalender wegen seiner inhaltlichen und technischen Qualität schätzen. Auch die kunsthistorischen Bildbetrachtungen auf jeder Kalenderblatt-Rückseite sind wie gewohnt gehaltvoll und informativ.
Titel verspricht mehr, als er hält
Das Niveau der Abbildungen ist seit Jahrzehnten erstklassig und gegen die Auswahl der Motive ist nie etwas einzuwenden. Giotto oder Max Ernst, Raffael oder Otto Dix, es gibt seit Jahrhunderten die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Religion. Insofern verspricht der Titel mehr, als er hält: Die Bilder haben, so schön sie sind, nichts mit „Inniger Lebensfreude“zu tun. So sind die Bilder auch beliebig unter den verschiedenen Monaten austauschbar. Maria mit dem Kinde im Januar, Mai oder Oktober, vielleicht gibt das Lebensfreude, aber keine Abwechslung.
Insofern vermittelt der Kalender für das Jahr 2018 den Eindruck einer gewissen Ratlosigkeit. Vielleicht könnte man darüber nachdenken, dass auch nicht-religiöse Motive durchaus Anlass zum Nachdenken geben können - wie ein Blick aus dem Fenster auf Gottes Schöpfung.