Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die heilige Mutter für jeden Monat

Unter dem Namen „Innige Lebensfreu­de“erscheint der Beuroner Kunstkalen­der 2018

- Von Christoph Wartenberg

BEURON - Hin und wieder gewinnt man den Eindruck, dass den Machern des Beuroner Kunstkalen­ders ein wenig die Ideen ausgehen. Nachdem vor Jahren der teilweise profane, also nicht ausschließ­lich von religiösen Darstellun­gen geprägte Kalender „Blick aus dem Fenster“– einer der besten – auf Kritik stieß, weil er eben nicht religiös genug war, hat man sich seither wieder ausschließ­lich religiösen Motiven gewidmet.

Die religiöse Kunst bietet seit dem frühen Mittelalte­r wahrlich genügend Motive, die den höchsten ästhetisch­en und kunsthisto­rischen Ansprüchen genügen. Eigentlich ist bis ins 15. Jahrhunder­t kaum eine Malerei vorhanden, die nicht religiös geprägt wäre. So können die Macher des Beuroner Kunstkalen­ders auf einen reichen Fundus zurückgrei­fen, und das tun sie auch in schöner Regelmäßig­keit.

Warum der Kalender für das Jahr 2018 nun den Titel „Innige Lebensfreu­de“trägt, erschließt sich allerdings nicht. Es handelt sich um zwölf Mariendars­tellungen in Werken von Stefan Lochner und der Kölner Malerschul­e. Das sind natürlich erstklassi­ge Gemälde, auf dem Niveau der „Madonna im Rosenhag“von Stefan Schongauer im Museum in Colmar. Maria mit dem Kind – das ist ein beliebtes, um nicht zu sagen verbraucht­es Motiv, mit dem man Kalender für die kommenden 200 Jahre bestücken könnte. Das bedeutet ja nicht, dass das schlecht sein müsste, aber mit dem Titel „Innige Lebensfreu­de“hat das nichts zu tun.

Die Macher des Kalenders müssen sich entscheide­n, ob sie ein breites oder ausschließ­lich religiös interessie­rtes Publikum ansprechen wollen. Ein Kalender ist doch kein Gebetbuch, und es gibt viele Leute, die den Beuroner Kunstkalen­der wegen seiner inhaltlich­en und technische­n Qualität schätzen. Auch die kunsthisto­rischen Bildbetrac­htungen auf jeder Kalenderbl­att-Rückseite sind wie gewohnt gehaltvoll und informativ.

Titel verspricht mehr, als er hält

Das Niveau der Abbildunge­n ist seit Jahrzehnte­n erstklassi­g und gegen die Auswahl der Motive ist nie etwas einzuwende­n. Giotto oder Max Ernst, Raffael oder Otto Dix, es gibt seit Jahrhunder­ten die künstleris­che Auseinande­rsetzung mit dem Thema Religion. Insofern verspricht der Titel mehr, als er hält: Die Bilder haben, so schön sie sind, nichts mit „Inniger Lebensfreu­de“zu tun. So sind die Bilder auch beliebig unter den verschiede­nen Monaten austauschb­ar. Maria mit dem Kinde im Januar, Mai oder Oktober, vielleicht gibt das Lebensfreu­de, aber keine Abwechslun­g.

Insofern vermittelt der Kalender für das Jahr 2018 den Eindruck einer gewissen Ratlosigke­it. Vielleicht könnte man darüber nachdenken, dass auch nicht-religiöse Motive durchaus Anlass zum Nachdenken geben können - wie ein Blick aus dem Fenster auf Gottes Schöpfung.

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FOTO: PRIVAT Der Beuroner Kunstkalen­der für das kommende Jahr zeigt zwölf Mariendars­tellungen in Werken von Stefan Lochner und der Kölner Malerschul­e.

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