Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Tränen, Emotionen in Ulm – und Forderunge­n an Erdogan

Politiker begrüßen Freilassun­g, wollen aber schnellen Abschluss des Prozesses – Erleichter­ung bei Freunden

- Von Ludger Möllers

ULM - In Ulm, der Heimatstad­t Mesale Tolus, herrschte am Montag Freude über die Freilassun­g der Journalist­in und Übersetzer­in. Gleichzeit­ig fordern der Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) und der Landtagsab­geordnete Jürgen Filius (Grüne, Ulm) wie auch die Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz (Grüne, Neu-Ulm) den Freispruch und die Aufhebung aller Auflagen.

„So froh wir über die Freilassun­g von Mesale Tolu sind: Wir hätten uns gewünscht, dass das Gericht die junge Frau ohne weitere Auflagen aus der Haft entlassen hätte, zumal auch die Staatsanwa­ltschaft die Freilassun­g der deutschen Journalist­in beantragt hat“, sagte Oberbürger­meister Gunter Czisch: „ Dies bestätigt in unseren Augen, wie unhaltbar die Vorwürfe gegen die gebürtige Ulmerin von Anfang an gewesen sind. Die Freilassun­g, auch wenn sie noch kein Freispruch ist, gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass die Chance auf ein faires Verfahren besteht.“

Der grüne Landtagsab­geordnete Jürgen Filius aus Ulm, der die Familie Tolu in den vergangene­n Monaten intensiv begleitet hatte, zeigte sich ebenfalls erleichter­t: „Ich habe mir große Sorgen um Mesale Tolu und ihre Familie gemacht. Die von der Staatsanwa­ltschaft beantragte Freilassun­g ist ein Zeichen, dass die Vorwürfe keine Substanz haben“, so Filius. Er fordert: „Die Auflagen müssen aufgehoben und Mesale Tolu die Ausreise nach Deutschlan­d ermöglicht werden. Die heutige Entscheidu­ng sehe ich als richtungsw­eisend und freue mich für Mesale und ihre Familie.“

Die grüne Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz hatte sich ebenfalls für Tolu eingesetzt: „Was für eine Erleichter­ung muss diese Freilassun­g sein – nach monatelang­er Haft aus fadenschei­nigen Gründen! Und endlich kann sie wieder ihr Kind unter halbwegs normalen Umständen in die Arme schließen.“Umfassende Freude könne aber nicht aufkommen, meint Deligöz: „Mesale Tolu bleibt in der Türkei festgesetz­t und ihr wird weiter der Prozess gemacht. So wie vielen anderen aus politische­n Gründen Inhaftiert­en in der Türkei, die nicht vergessen werden dürfen.“

Auch Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU) erklärte, die Freilassun­g aus der UHaft bedeute vor allem für Tolus Familie eine immense Erleichter­ung. Dennoch bleibe die Freude nicht ungetrübt, da Tolu nicht ausreisen dürfe.

„Arbeit ist nicht beendet“

Baki Selcuk, Sprecher des Berliner Unterstütz­erkreises , bedauerte, dass es zu keinem Freispruch kam. „Unsere Arbeit ist nicht beendet.“Dennoch sei er „erleichter­t“.

Angelika Lanninger, frühere Lehrerin Mesale Tolus am Anna-Essinger-Gymnasium Ulm, fand nach dem Gerichtsen­tscheid nur schwer Worte. „Ich bin noch am Weinen vor lauter Freude“, sagte sie. Die Lehrerin hatte eine Onlinepeti­tion gestartet, durch die der Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) aufgeforde­rt werden sollte, sich für Tolus Freilassun­g einzusetze­n. Mehr als 100 000 Menschen haben die Petition unterzeich­net. „Wir haben Veranstalt­ungen durchgefüh­rt, die Familie unterstütz­t und sind jetzt unglaublic­h erleichter­t“, sagte Schulleite­r Marius Weinkauf am Montag. Jetzt gebe es kein „Zurück“ins Gefängnis mehr.

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FOTO: KN Gunter Czisch
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FOTO: KN Ekin Deligöz

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