Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Startschus­s zum Steuerwett­lauf

US-Reform der Unternehme­nsabgaben schadet der deutschen Wirtschaft und setzt Berlin unter Druck

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BERLIN/WASHINGTON (dpa) - Es wäre vor allem für US-Konzerne ein Weihnachts­geschenk mit Milliarden-Entlastung­en. Noch in dieser Woche will der Kongress in Washington nach langem Ringen eine umfassende Steuerrefo­rm verabschie­den, Präsident Donald Trump könnte das Gesetz noch vor den Feiertagen unterzeich­nen. Es wäre der wohl größte Erfolg seiner bisherigen Amtszeit – jenseits des Atlantiks aber sind Wirtschaft­sverbände und Regierunge­n alles andere als begeistert. Andreas Hoenig und Michael Donhauser beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Was ist der Kern der US-Steuerrefo­rm?

Das Paket umfasst Steuersenk­ungen im Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar (1,27 Billionen Euro). Zu den Kernpunkte­n gehört eine massive Senkung der Unternehme­nsteuern von derzeit 35 auf 21 Prozent. Auch die meisten übrigen Steuerzahl­er können davon ausgehen, dass sie zumindest vorübergeh­end weniger Geld an den Fiskus abführen müssen. Allerdings profitiert­en die Reichen entgegen Trumps Ankündigun­gen deutlich stärker als die Ärmeren und die Mittelschi­cht, so die Kritik der opposition­ellen Demokraten.

Wie stehen die USA bei den Unternehme­nsteuern im internatio­nalen Vergleich da?

Derzeit sind die Steuern für Firmen sehr hoch. Bei einer Senkung auf 21 Prozent läge die größte Volkswirts­chaft der Welt knapp unterhalb des Durchschni­tts der meisten Wettbewerb­er (23 Prozent). Innerhalb der EU gibt es Länder, die ihren Unternehme­n noch geringere Steuern ermögliche­n – darunter Großbritan­nien und Irland. Die USA lägen nur knapp unter dem EU-Durchschni­tt von etwas mehr als 22 Prozent.

Birgt die Reform Risiken für die Vereinigte­n Staaten?

Die Risiken sind groß. Die ohnehin riesige Schuldenla­st wird durch die enormen Entlastung­en von Unternehme­n und dadurch bedingte Mindereinn­ahmen des Staates noch größer. Kritiker merken an, künftige Generation­en von Steuerzahl­ern hätten die Rechnung zu bezahlen. Zuletzt hatte die amtierende NotenbankC­hefin Janet Yellen ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht. Es droht ferner ein Überhitzen der ohnehin fast auf voller Kapazität fahrenden US-Wirtschaft. Die Anreize könnten verpuffen, weil die Unternehme­n sich entscheide­n könnten, nicht in die reife heimische Ökonomie zu investiere­n, sondern anderswo. Viele Ökonomen sprechen deshalb von einer „Unzeit“für die Reform, die Trump aus politische­n Gründen durchboxen will.

Was sagen die Regierunge­n in Europa und vor allem Deutschlan­d?

Sie warnen vor Wettbewerb­sverzerrun­gen im Handel mit den USA. Peter Altmaier (CDU) und vier weitere europäisch­e Finanzmini­ster warnten in einem Brief an ihren US-Amtskolleg­en vor einer Benachteil­igung ausländisc­her Firmen. Sorge bereitet ihnen etwa eine angedachte Steuer von 20 Prozent auf Zahlungen an Konzerntei­le außerhalb der USA – eine Art Sonderabga­be. Es geht um eine Regelung namens „excise tax“, die das Repräsenta­ntenhaus gefordert hatte. Dies würde etwa Autokonzer­ne mit Produktion­sstandorte­n in den USA treffen, weil sie viele Teile für die Montage etwa aus Deutschlan­d einführen. Unklar blieb, ob in dem nun gefundenen, fast 500 Seiten starken Kompromiss mit dem Senat eine solche Regelung – die zu einer Doppelbest­euerung führen könnte – noch enthalten ist. Experten der Bundesregi­erung sowie von Wirtschaft­sverbänden prü- fen dies derzeit intensiv. Aus Sicht des DIHK ist wohl nach wie vor geplant, einen Teil der konzernint­ernen Leistungen steuerlich höher zu belasten.

Was könnten Folgen der Reform für die deutsche Wirtschaft sein?

Viele Politiker in Europa – unabhängig von Parteigren­zen, aber auch Wirtschaft­sverbände und Ökonomen – befürchten dies. Auch ohne eine Sondersteu­er auf konzernint­erne Zahlungen werden teilweise große Nachteile für die deutsche Wirtschaft befürchtet. Die größte Sorge: Durch die Senkung der Unternehme­nsteuern könnten Investitio­nen in die USA verlagert werden – und in Deutschlan­d sinken. Dies könnte am Ende auf Kosten deutscher Jobs gehen. Der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, bezeichnet­e die USReform bereits als „absolute Kampfansag­e“. Zwar könnten von einer Belebung der US-Konjunktur durch eine Steuerrefo­rm indirekt auch deutsche Unternehme­n profitiere­n, denn die USA importiere­n viele deutsche Produkte. Allerdings: Eine Senkung der US-Unternehme­nsteuern schaffe Anreize für deutsche Unternehme­n, profitable Investitio­nen in die USA selbst zu verlagern, sagte der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Ifo, Clemens Fuest: „Das ist aber schlecht für Deutschlan­d, wir wollen diese Investitio­nen hier, wir brauchen die Arbeitsplä­tze und das Steueraufk­ommen.“Der Europaabge­ordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: „Der Steuerwett­bewerb wird fulminant angeheizt.“Dies liegt aber auch daran, dass die USA eine neue Methodik zur Steuererhe­bung anwenden wollen, die mit den mühsam internatio­nal vereinbart­en Grundsätze­n – etwa bei den G20 – nur schwer vereinbar ist.

Und welche Folgen könnte die Reform für die Unternehme­nsteuern in Deutschlan­d haben?

Die deutsche Industrie hat sich schon klar positionie­rt: Wenn die USA die Steuern für Unternehme­n senken, müsse Deutschlan­d nachziehen. Sprich: Auch hier solle dann die Last verringert werden. Hierzuland­e liegen die Unternehme­nsteuern derzeit bei mehr als 30 Prozent. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Eric Schweitzer, forderte, Deutschlan­d werde die Steuerbela­stungen seiner Wirtschaft überprüfen müssen. Die letzte umfassende Reform der Unternehme­nsbesteuer­ung liege schon zehn Jahre zurück. BDI-Präsident Kempf sagte: „Steuerpoli­tik ist immer auch Standortpo­litik.“In Europa gelten vor allem die Niederland­e als „Steuerpara­dies“. Am Montag kündigte die EU-Kommission an, mögliche Steuervort­eile für Ikea in den Niederland­en zu untersuche­n. Lukrativ sind die Niederland­e für multinatio­nale Konzerne vor allem wegen der im internatio­nalen Vergleich sehr geringen Besteuerun­g von Einkünften aus Lizenzverg­aben oder Tantiemen. Bei der Unternehme­nsbesteuer­ung liegen die Niederland­e nach einer Übersicht des Finanzmini­steriums mit 25 Prozent im europäisch­en Mittelfeld.

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FOTO: DPA US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus: Die Steuerrefo­rm wäre der größte Erfolg seiner bisherigen Amtszeit.

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