Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Jauchzet! Frohlocket!
Die Kantorei führt Bachs Weihnachtsoratorium in der Kreuzkirche auf
SIGMARINGEN - Die Kantorei der evangelischen Kirchengemeinde Sigmaringen unter der Leitung von Sukwon Lee hat am Sonntagabend in der Kreuzkirche die letzten drei Teile des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach aufgeführt. 38 Chormitglieder und 22 Musiker überzeugten das Publikum der voll besetzten Kirche mit einer quasiprofessionellen und inspirierten Darbietung, obgleich viele der Sänger und Musiker nicht beruflich Musik machen.
Die evangelische Pfarrerin und Codekanin Dorothee Sauer sagte, dass die Aufführung etwas ganz Besonderes sei, weil nun, nachdem vor zwei Jahren im selben Rahmen die ersten drei Teile des Weihnachtsoratoriums aufgeführt worden waren, das Stück komplett zu Gehör käme. Auch zu Bachs Zeiten sei der Zyklus der sechs Kantaten nie von Anfang bis Ende als Ganzes aufgeführt worden, sondern immer nur in Teilen. Bach hatte je eine Kantate für die (damals noch drei) Weihnachtsfeiertage sowie für Neujahr, den Sonntag nach Neujahr und das Epiphaniasfest am
6. Januar komponiert.
Das Weihnachtsoratorium wurde zum ersten Mal am 25. Dezember
1734 in den Gottesdiensten der beiden Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai aufgeführt. „Das Weihnachtsoratorium ist viel mehr als nur ein Konzert. Es verkündet Gottes Wort“, sagte Sauer. Sie appellierte an das Publikum dafür nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch ein offenes Herz zu haben.
Das schien ein Leichtes zu sein, denn die Melodien der einzelnen Lieder sind an sich schon sehr erhebend und eingängig. Und in der Kreuzkirche wurden sie von den Sängern und Musikern auch noch in einer perfekten Harmonie dargeboten. Wie für Kantaten üblich, wechseln auch im Weihnachtsoratorium, das zu Bachs Lebzeiten noch gar nicht so hieß, Choräle mit Arien und Rezitativen ab.
Solist aus Japan sticht hervor
Besonders hervorzuheben unter den vier Solisten ist der Tenor Mitsuo Ogomori, der die Rolle des Evangelisten nicht nur besonders schön, sondern, obwohl er kein deutscher Muttersprachler ist, auch so deutlich sang, dass die Zuhörer auch ohne nachzulesen jedes Wort verstehen konnten. Der gebürtige Japaner ist Student an der Musikhochschule in Trossingen. Neben ihm waren SarahLena Eitrich (Alt), Simon Hegele (Bass) und Céline Wasmer (Sopran) in Solistenrollen zu hören.
Für den Dirigenten Sukwon Lee bedeutete das Konzert und damit die vollständige Aufführung des Weihnachtsoratoriums unter seiner Leitung die Erfüllung eines Herzenswunsches und eine Hommage an seinen Lieblingskomponisten: „Bach gehört für mich zu den größten Komponisten der Geschichte, seine Musik hat mein Leben geprägt. Es ist für mich immer wieder eine besondere Ehre, Bachs Musik in seinem Heimatland aufzuführen“, sagt der aus Südkorea stammende Musiker.
Als Kantor der Kirchengemeinde war es ihm aber auch wichtig zu sehen, wie die Mitglieder des Chors im Verlauf der fast einjährigen Zeit des Probens an ihrer Herausforderung wuchsen. „Die Chormitglieder hatten große Freude daran auf höchstem Niveau zu singen und mit Erfolg den musikalischen Kontext immer besser auszudrücken“, sagt Lee. Auch für ihn ist nicht allein die Musik des Oratoriums von Bedeutung. „Ich möchte auch die Glaubenshaltung, die im Text des Stücks zum Ausdruck kommt, betonen“, sagt er. Es war zu sehen, wie Lee während des Konzerts voll in seiner Dirigentenrolle aufging und mit Enthusiasmus alle Stimmen und Instrumente gekonnt zusammenführte.
Bevor Chor und Orchester nach einem tosenden Applaus und Standing Ovations als Zugabe den Eingangschoral des Oratoriums sangen und spielten, drückte Pfarrerin Sauer das aus, was man auf den Gesichtern der Zuhörer erkennen konnte: Das Konzert hat nicht nur „zur Ehre Gottes“stattgefunden, wie sie sagte, sondern auch „uns zur Freude“.