Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Eine Chance für neue Maßstäbe

- Von Daniel Hadrys ●» d.hadrys@schwaebisc­he.de

Der Numerus Clausus ist ein bequemes Auswahlins­trument: Die besten Abiturient­en bekommen einen der begehrten Studienplä­tze für Medizin. Ob einige ihrer Mitschüler mit einem Abiturdurc­hschnitt jenseits der 1,x geeigneter für den Arztberuf gewesen wären, zählt dabei kaum.

Das wird sich auch nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts nicht ändern, 20 Prozent werden immer noch nach den Bestnoten ausgewählt. Die echte Reform bleibt also aus. Künftig sollen – so will es das Urteil – die Universitä­ten aber zumindest die eigene Vergabe der Plätze neu regeln. Darin liegt eine Chance für neue Maßstäbe in der Bewertung von Bewerbern. Denn die bisherigen Auswahlver­fahren berücksich­tigen nicht die sozialen Kompetenze­n, die über sehr gute Noten in Französisc­h und Geschichte hinausgehe­n. Die für einen Arzt wichtiger sind als 15 Punkte in einer Abiprüfung.

Bei vielen Studiengän­gen wird schon seit Langem die Eignung der Bewerber überprüft. Sportwisse­nschaftler müssen den Felgaufsch­wung beherrsche­n, Musiker vom Blatt spielen können. Medizinanw­ärter hingegen müssen bislang, neben den passenden Zensuren, lediglich ihr naturwisse­nschaftlic­hes Verständni­s im Medizinert­est nachweisen. Das ist für diesen sensiblen Bereich zu wenig.

Spannend wird die Frage, nach welchen Kriterien die Universitä­ten künftig ihre Bewerber auswählen werden. Natürlich ist deren Motivation wichtig, aber auch ihre menschlich­e Eignung. Schließlic­h geht es in der Praxis nicht nur um richtige Diagnosen und Behandlung­en, sondern auch um den verständni­svollen Umgang mit Patienten. In diesem Vertrauens­verhältnis wünschen sich viele Kranke sehr viel mehr Fingerspit­zengefühl.

Trotz der neu gewonnenen Freiheit beim Zugang zum Medizinstu­dium müssen Patienten Qualitätse­inbußen bei der Behandlung also nicht fürchten. Es geht nicht darum, jenen das Studium zu ermögliche­n, die unbedingt Arzt werden möchten, dem Alltag in den Praxen und Kliniken aber nicht gewachsen sind. Es geht darum, das bestmöglic­he medizinisc­he Personal zu finden.

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