Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Österreich­s Pläne für Südtirol lösen in Italien Sturm der Entrüstung aus

Neue Regierung in Wien will Doppelpass ermögliche­n – Rom droht mit einem internatio­nalen Verfahren

- Von Thomas Migge

ROM - 350 000 Südtiroler könnten bald Österreich­er werden. Wahrschein­lich schon im kommenden Jahr, spätestens aber 2019. Erklärt hat dies Werner Neubauer, in der österreich­ischen Regierungs­partei FPÖ verantwort­lich für die Beziehunge­n seines Landes zu Südtirol, zu jener norditalie­nischen autonomen Region Alto-Adige/Südtirol, in der der deutschspr­achige Bevölkerun­gsanteil die Mehrheit stellt.

Neubauer sagte auch, dass jeder Südtiroler, der nachweisen könne, aus einer deutschspr­achigen Familie zu stammen, gratis die österreich­ische Staatsbürg­erschaft erhalten werde. Eine Regierungs­kommission in Wien werde die genauen Bestimmung­en für einen Antrag auf eine zweite Staatsbürg­erschaft für Südtiroler in den kommenden Monaten festlegen. Der FPÖ-Politiker berichtete ebenfalls, dass es seine Regierung deutschspr­achigen Südtiroler­n ermögliche­n wolle, den Wehrdienst in Österreich zu absolviere­n. Deutschspr­achige Südtiroler könnten auch die Möglichkei­t erhalten, so Neubauer, unter österreich­ischer Flagge an Olympische­n Spielen teilzunehm­en.

Meloni schlägt Barrikaden vor

Die Äußerungen Neubauers schlugen in Rom wie eine Bombe ein. Die erste, die darauf reagierte, war Giorgia Meloni. Die Chefin der rechten Partei Fratelli d’Italia erklärte Montagaben­d, dass sie dafür sorgen werde, dass „an der Grenze zu Österreich Barrikaden errichtet werden, um denen in Wien klar zu machen, wer in Südtirol das Sagen hat“. „Hände weg von Italien und von unserem Südtirol!“, so Meloni. Er erinnerte in diesem Zusammenha­ng daran, dass die Südtiroler Autonomie der Regierung in Rom Milliarden Euro koste, „und jetzt pfeift Österreich auf die 1992 vertraglic­h besiegelte Streitbeil­egung und lockt Südtiroler mit einem Doppelpass“.

Der italienisc­he Vizeaußenm­inister Mario Giro meinte, dass „das doch nur Worte seien“. Außenminis­ter Angelino Alfano fügte hinzu, dass „das Thema Südtirol ein delikates Thema ist“. Die Regierung in Rom behandle alle Bevölkerun­gsanteile in Südtirol gleich.

Aus dem Umfeld von Regierungs­chef Paolo Gentiloni wurde bekannt, dass man auf die Äußerungen Neubauers erst reagieren werde, wenn den Worten Taten folgen. Sollte Österreich versuchen, bilaterale Verträge, die den Status der deutschspr­achigen Südtiroler regeln, außer Kraft zu setzen, werde man ein internatio­nales Verfahren anstreben, verlautet aus der Regierung in Rom.

Die Ankündigun­gen Neubauers werden vor allem in der politisch autonomen Region Südtirol heftig diskutiert. Auf einer parteiüber­greifenden Pressekonf­erenz in Bozen erklärten sich Politiker der Süd-Tiroler Freiheit, der Freiheitli­chen, der Südtiroler Volksparte­i und des Südtiroler Heimatbund­es „hoch erfreut über die Verankerun­g der Doppelstaa­tsbürgersc­haft für Südtiroler im österreich­ischen Koalitions­vertrag“.

Italiens rechte Parteien, auch Silvio Berlusconi­s Forza Italia, fordern Staatschef Sergio Mattarella auf, die österreich­ischen Pläne bezüglich Südtirols zu stoppen. Kritisch äußert sich auch Antonio Tajani. Der italienisc­he EU-Parlaments­präsident warnt Italien vor Vertragsbr­üchen. So etwas, erklärte Tajani, sei ein „willkürlic­her Akt“, der unnötige Spannungen erzeugen würde. „Europa hat zwar viele Fehler“, so Tajani, „aber es hat die unselige Ära des Nationalis­mus abgeschlos­sen“.

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FOTO: DPA Nicht nur für Italiens Außenminis­ter Alfano ein „delikates Thema“: die Grenze am Brenner.

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