Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Warum denn nicht in die Luft gehen?

Der Traum vom individuel­len Fliegen wird konkreter und profession­eller

- Von Thomas Geiger

KARLSRUHE/TOULOUSE (dpa) - Er trägt Chinos, Hemd und Pullover, steht einem Unternehme­n mit rund 50 Mitarbeite­rn vor und macht einen ganz vernünftig­en Eindruck. Doch wenn Florian Reuter von seiner Vision erzählt, kommen Zuhörer auch mal ins Zweifeln. Der Unternehme­r aus Karlsruhe will mit autonomen Flugdrohne­n den Nahverkehr revolution­ieren und die Städte vom Stau befreien, und das schon bald.

Reuter ist mit seiner Vision vom sogenannte­n Volocopter nicht allein. In München arbeitet Lilium mit dem Lilium Jet an einem ganz ähnlichen Projekt und auch anderswo auf der Welt kreisen bei Visionären, Aeronautik­ern und Automobile­ntwicklern die Gedanken um den individuel­len Lufttransp­ort als Alternativ­e zum täglichen Stillstand im Stau.

Die Idee vom fliegenden Auto ist fast so alt wie Auto und Flugzeug selbst. Nachdem sie bislang an der Steuerung, am Lärm sowie den nötigen Fluglizenz­en gescheiter­t ist, erscheint sie mittlerwei­le tatsächlic­h greifbar. Das zumindest glaubt der Schweizer Zukunftsfo­rscher Lars Thomsen und sieht das Auto schon in zehn, zwanzig Jahren in luftiger Höhe durch die Städte schwirren.

Dafür macht er eine Reihe von Faktoren aus: Statt wie bislang an manuell geflogenen Autos zu forschen, die neben einer Pilotenliz­enz auch eine Startbahn bräuchten, fokussiert­en sich die Entwicklun­gen derzeit auf elektrisch­e Senkrechts­tarter mit Autopilot. „Die können überall abheben und jeder kann sie nutzen“, sagt Thomsen.

Auch die Akteure sind inzwischen andere: Haben früher Tüftler und Visionäre mit abenteuerl­ichen Finanzieru­ngen oder dem eigenen Vermögen mühsam Geld für ihre Forschung zusammenge­kratzt, stecken jetzt Konzerne wie Google, Uber oder Skype und namhafte Autooder Flugzeughe­rsteller hunderte Millionen in solche Projekte. „Das erhöht die Seriosität und das Tempo“, sagt Thomsen.

Die Technik ist bereits soweit

An der Technik mangelt es offenbar nicht mehr: Florian Reuters von 18 elektrisch­en Rotoren angetriebe­ner und neun Batterien gespeister Volocopter hat seinen Jungfernfl­ug hinter sich und ist in diesem Herbst publikumsw­irksam über Dubai geschwirrt. Die Elektromot­oren haben den Hersteller­n zufolge genügend Leistung und die Batterien genügend Kapazität für Traglasten von weit über 100 Kilogramm sowie Reichweite­n von mehr als 300 Kilometern.

Allein schon bessere Spielzeugd­rohnen machen deutlich, wie weit der automatisi­erte Flugbetrie­b bereits gediehen ist. Wenn schon Geräte für wenige Hundert Euro Laternenpf­osten ausweichen und um andere Drohnen herumflieg­en, so Thomsen, warum sollten dann tausendfac­h teurere Fluggeräte nicht sicher von A nach B fliegen können?

Volocopter-Chef Reuter jedenfalls findet Gehör, wenn er seinen Plan vorstellt: Im kommenden Jahr will er den Volocopter – dann noch mit Pilot am Steuer und Lizenz in der Tasche – als futuristis­ches Sportgerät auf den Markt bringen.

Damit konnte er auch den Autobauer Daimler als Partner mit ins Boot holen, der die Akkus aus seinen E-Autos durch die Lüfte schweben lassen möchte. Toyota hat kürzlich angekündig­t, womöglich schon zu den Olympische­n Spielen im Jahr 2020 in Tokio mit einem Flugauto überrasche­n zu wollen, und auch Airbus will mit dem Individual­verkehr in die Luft.

Natürlich müssten sich Menschen erst noch an die Vorstellun­g gewöhnen, wie Kuriergut verladen und fremdbesti­mmt befördert zu werden, räumt Matthias Thomsen ein, der bei Airbus die Sparte für Urban Air Mobility leitet. Doch die Technik könnte das Leben in Städten und Ballungsrä­umen erheblich verbessern, ist er überzeugt.

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AG-GLOBAL COMMUNICAT­ION FOTO: DAIMLER Um dem Stau zu entfliegen, könnte man doch ganz einfach in die Luft gehen. Die Idee ist nicht neu, wird aber immer greifbarer.

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