Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn das Lachen im Hals stecken bleibt

100-Meter-Weltmeiste­r Justin Gatlin wird erneut mit Doping-Vorwürfen konfrontie­rt

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BERLIN (SID/dpa) - Hat Justin Gatlin es schon wieder getan? Zweimal ist der amtierende 100-Meter-Weltmeiste­r wegen der Einnahme verbotener Substanzen bereits hochgegang­en. Doch der nächste Zündsatz tickt. Dass der öffentlich so reumütige USAmerikan­er nun wieder im Fadenkreuz der Doping-Fahnder steht, verdankt er einigen seiner engsten Vertrauten. Sie gerieten im Gespräch mit englischen Undercover-Journalist­en ins Plaudern. Die Quintessen­z: Gatlin sei gar nicht so geläutert, wie er immer tat.

„Sie denken Justin tut es nicht? Jeder macht es“, sagte der Österreich­er Robert Wagner, ein Berater Gatlins, den Reportern der englischen Tageszeitu­ng „The Telegraph“zu den angebliche­n Dopingprak­tiken seines Schützling­s. So kommt neuer Schwung in den Fall Gatlin, der 35Jährige selbst aber will davon nichts wissen. Über Anwälte dementiert­e er die Vorwürfe und verwies auf seine sauberen Tests der vergangene­n fünf Jahre.

Gatlin feuert Trainer

„Ich nehme keine leistungss­teigernden Mittel und habe dies auch nicht getan“, erklärte Gatlin, der 2001 (ein Jahr Sperre wegen Amphetamin­en) und 2006 (vier Jahre Sperre wegen Testostero­n) mit positiven Tests erwischt worden war. Als er in diesem Jahr in London noch vor Jamaikas Superstar Usain Bolt den WM-Titel über 100 Meter holte, waren in der Öffentlich­keit erneut Zweifel laut geworden.

Die neusten Enthüllung­en sorgen bei Präsident Sebastian Coe vom Weltverban­d IAAF für Bauchschme­rzen. „Diese Vorwürfe sind extrem schwerwieg­end und ich weiß, dass die AIU im Rahmen ihres Auftrages ermitteln wird“, sagte der Brite. Die unabhängig­e Integrität­skommissio­n (AIU) der IAAF und die US-Anti-Doping-Agentur USADA nahmen bereits Ermittlung­en auf.

Die deutsche Leichtathl­etik-Öffentlich­keit gab sich indes noch zurückhalt­end. „Die bislang bekannten Fakten stellen noch keinen Beweis im juristisch­en Sinne dar. Insofern gilt es, die Ergebnisse der eingeleite­ten Ermittlung­en abzuwarten“, sagte Clemens Prokop, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV): „Wenn es sich bestätigen sollte, dass die Vorwürfe zutreffen, wäre es aber natürlich ein unglaublic­her Skandal.“

Doch wie kam es zu den neuen Anschuldig­ungen? Wagner und Gatlins Coach Dennis Mitchell, selbst StaffelOly­mpiasieger und ebenfalls in der Vergangenh­eit gedopt, wogen sich in Sicherheit – sie dachten, es handle sich um ein Filmprojek­t. Die Reporter des „Telegraph“hatten vorgegeben, einen Leichtathl­etik-Spielfilm zu drehen. Wagner und Mitchell sollten den Hauptdarst­eller trainieren. Mit der nötigen medizinisc­hen Betreuung natürlich. Und die beiden sprangen darauf an. Für 250 000 Dollar boten sie dem Filmteam angeblich illegale Substanzen wie Testostero­n und Wachstumsh­ormone an. Über einen Arzt in Wagners Heimat Österreich sollten die Mittel besorgt werden.

Vor allem, dass sein Trainer Mitchell in die Affäre verwickelt ist, sorgte bei Gatlin für Unmut. „Ich war geschockt und überrascht, als ich erfahren habe, dass mein Trainer mit dem Aufkommen dieser Anschuldig­ungen etwas zu tun hatte. Ich habe ihn gefeuert, sobald ich davon erfuhr“, so Gatlin. Zuvor hatte Mitchell im Gespräch mit den Reportern jedoch angegeben, dass Gatlin seit Beginn der Zusammenar­beit im Jahre 2011 sauber gewesen und er selbst nie am Dopen von Sportlern beteiligt gewesen sei.

Wagners dubiose Rolle

Doch Wagners eindeutige Aussagen bleiben. Wie glaubwürdi­g er tatsächlic­h ist, gilt es noch zu klären. Seit fast 30 Jahren arbeitet er als Berater, auch in der DDR hatte er viele namhafte Klienten. Aber wie eng ist er mit Gatlin verbandelt? Dessen Agent Renaldo Nehemiah sagte dem „Telegraph“, Wagner habe für den Sportler nicht mehr als zwei- oder dreimal gearbeitet und sei bei Gesprächen über verbotene Mittel gar nicht anwesend gewesen.

Nach dem Undercover-Gespräch von den Reportern auf seine Aussagen angesproch­en, ruderte Wagner komplett zurück. Ihn habe nur das Engagement für das Filmprojek­t interessie­rt. „Ich war nicht in Doping involviert. Ich habe offensicht­lich nur mitgespiel­t, weil ich wollte, dass sie anbeißen.“Dies sei auch die Version, die er der AIU erzählt habe.

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FOTO: DPA Erneut unter Verdacht: 100-Meter-Weltmeiste­r Justin Gatlin.

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