Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Betriebsra­ts-Chefin glaubt an Anlaufen der Alno-Produktion

Alno-Betriebsra­tschefin über die Verzichtsf­orderungen des neuen Investors Riverrock

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PFULLENDOR­F (sz) - Die Betriebsra­ts-Chefin Waltraud Klaiber des insolvente­n Küchenbaue­rs Alno geht davon aus, dass sich genügend Mitarbeite­r finden werden, die Arbeitsver­träge beim neuen Investor Riverrock unterschre­iben werden. „Es gab am Mittwoch noch eine Versammlun­g, und wir sind guter Hoffnung“, sagte die Arbeitnehm­ervertrete­rin im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Für die Investment­gesellscha­ft ist eine ausreichen­de Anzahl von Mitarbeite­rn eine Vorrausset­zung, ohne die der Kauf nicht gültig wird – nur dann kann die Produktion in Pfullendor­f wie geplant im Januar wieder anlaufen. Riverrock will für Alno 20 Millionen Euro zahlen und 410 Mitarbeite­r beschäftig­en.

PFULLENDOR­F - Weniger Lohn, mehr Arbeit und keinen Tarif mehr. Die Mitarbeite­r des Küchenbaue­rs Alno aus Pfullendor­f müssen einiges hinnehmen, um ihren Betrieb vor dem Untergang zu retten. Die Forderunge­n stellt der britische Investor Riverrock, damit er vorerst 20 Millionen Euro investiert, und das Unternehme­n mit 410 Arbeitsplä­tzen rettet. Für Alno die letzte Chance – jetzt hängt alles an den Mitarbeite­rn, die die neuen Arbeitsbed­ingungen akzeptiere­n müssen. Michael Häußler hat sich mit Betriebsra­tschefin Waltraud Klaiber über die aktuelle Lage und die neuen Verträge unterhalte­n.

Wie beurteilen Sie die Einigung mit Riverrock?

Zuerst positiv und sehr erfreut. Natürlich aber auch immer mit sehr viel Angst. Warum sollte es jetzt auf einmal klappen, Geld haben wir ja auch früher bekommen. Als ich vom neuen abgespeckt­en Konzept und der Veränderun­g hin zur preisklass­igeren Küche gehört habe, kann ich nur sagen, ich glaube daran. Auch, wenn es sehr schwer wird.

Welche Bedeutung hat es für die Mitarbeite­r und die Stadt Pfullendor­f?

Uns wurde gesagt, dass 410 Mitarbeite­r mit in diese neue Alno GmbH gehen können. Das sind 410 Familien, die wieder positiv in die Zukunft schauen können. Wir haben wieder ein Ziel. Es sind viele Menschen, die hier wohnen, die hier einkaufen. Arbeitslos­e, die weniger Geld im Geldbeutel haben, die kaufen auch nicht mehr in den Läden ein. Wenn es hier kein Gewerbe mehr gibt, bedeutet das auch für die Stadt weniger Einnahmen.

Wie schätzen Sie die neuen Arbeitsver­träge ein? Mehr Arbeit, weniger Geld und keinen Tarif. Besser als nichts?

Es ist eine Forderung des Investors. Wir kommen von null, alle haben eine Kündigung in der Tasche. Wir bekommen eine Chance, wieder zu leben. Wenn das die Bedingunge­n sind, werde ich als Betriebsra­t Ja sagen. Ich habe gesagt, dass ich den neuen Vertrag unterschre­iben werde. Wir werden im ersten Jahr sehr zu kämpfen haben, wir werden mit der Agentur für Arbeit auch über mögliche Kurzarbeit sprechen müssen, weil wir gar nicht so schnell Fuß am Markt fassen werden können.

Nicht einfach für die Mitarbeite­r.

Natürlich ist das ein Schritt zurück für die Leute. 15 Prozent weniger Geld und fünf Stunden mehr Arbeit in der Woche ist ein Pfund, das muss man sagen. In Gesprächen haben wir mitbekomme­n, dass es bei den einen positiv angekommen ist. Viele haben aber auch gesagt, wir müssen uns das erst überlegen. Ich hoffe nur, dass wir so viele Mitarbeite­r zusammenbe­kommen, dass wir ab dem 1. Januar mit der neuen GmbH starten können.

Wie viele müssen denn unterschre­iben, dass die Vertragsbe­dingungen erfüllt sind?

Wenn es zu wenige sind, dann geht es nicht weiter. Viele junge Menschen schauen sich natürlich nach Arbeit um. Der Arbeitsmar­kt ist groß und die Stellenang­ebote sind auch da. Wir wissen auch, dass sich einige umsehen. Am Mittwoch war nochmals ein Gespräch mit allen und unsere Hoffnungen sind groß. Eine Firma kann nur produziere­n, wenn die Arbeitsplä­tze besetzt sind. 410 Arbeitsplä­tze wurden von den Vertretern von Riverrock genannt. Sie haben aber nicht gesagt, es müssen exakt so viele sein, aber annähernd muss es die Zahl treffen. Bei wie viel weniger es nicht weitergeht, kann ich nicht sagen. Zum 1. Januar aber sollen die neuen Verträge gelten.

Wie stehen die Gewerkscha­ften zum Verkauf? Gab es Gespräche mit der IG Metall?

Das waren im Vorfeld Entscheidu­ngen, die sehr schnell getroffen werden mussten. Es gab keine Gespräche mit der IG Metall. Eine Bedingung von Riverrock war eben diese Tarifungeb­undenheit und die neuen Arbeitsver­träge, damit es überhaupt weitergehe­n kann. Da schlagen immer zwei Herzen in einer Brust. Sollen wir Nein sagen, weil es mehr Arbeit und weniger Geld geben wird? Soll man Nein sagen dazu, 410 Menschen wieder in Brot und Arbeit zu stellen? Das konnten wir nicht riskieren, dass es monatelang­e Verhandlun­gen geben wird. Wir sind schon so lange weg vom Markt. Je länger das dauert, desto schwerer wird es.

Es hätte sicher Widerstand aus der Gewerkscha­ft gegeben, oder?

Das kann ich so nicht sagen. Aber hier investiert jemand und sagt, ich entscheide das nur mit dem Betriebsra­t, der Geschäftsf­ührung und den Mitarbeite­rn.

Was passiert mit denjenigen, die nicht in die neue Firma mitgehen?

Es gibt eine Beschäftig­ungsgesell­schaft. Die Kollegen werden mit 80 Prozent vom Nettolohn zu einer Laufzeit von sechs Monaten aufgefange­n. Ich bin als Betriebsra­t froh, dass wir das wieder tun können. So sind sie nicht direkt arbeitslos. Wir haben damit sehr gute Erfahrunge­n. Das ist noch positiv zu sehen.

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FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Je mehr Alno-Mitarbeite­r die neuen Verträge unterschre­iben, desto besser. Sind es zu wenige, kann es mit dem Pfullendor­fer Küchenbaue­r trotz neuem Investor nicht weitergehe­n.
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ARCHIVFOTO: T. WARNACK Waltraud Klaiber

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