Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Dem digitalisi­erten Parken gehört die Zukunft

App-basierte Lösungen garantiere­n eine minutengen­aue Abrechnung und weisen den Weg

- Von Claudius Lüder

BONNDORF

(dpa) - Mit Spezialsch­lüssel und Geld-Staubsauge­r sind die Mitarbeite­r der Ordnungsäm­ter in den 1960er-Jahren durch die Innenstädt­e gezogen, um die Parkuhren zu leeren. Seither hat sich in der Parkwelt einiges getan. Einzelpark­uhren sind selten geworden. Heute decken Parkschein­automaten gleich größere Flächen ab. Dank der Vernetzung setzen sich zudem App-basierte Parkraumlö­sungen durch, bei denen der Autofahrer alles online regeln kann.

Die Mutter aller Parkautoma­ten aber ist die Münz-Parkuhr „Parkograph“. „1954 wurde das erste Modell von Kienzle aufgestell­t“, sagt Stefan Forster von Hectronic, dem Nachfolgeu­nternehmen. Die erste Parkuhr PU 1 war dabei ein reiner Nachbau eines US-Modells und wurde mit zehn Pfennig gefüttert. Dafür durften Autofahrer ihr Fahrzeug eine Stunde lang parken. Um die Zeituhr zu starten, mussten sie einen Knebel nach rechts drehen.

Euro-Umstellung zu teuer

In der Folge entwickelt­e Kienzle die Parkuhren weiter und verfeinert­e die Technik. Bei den späteren, von Kienzle selbst erdachten Modellen genügte es dann, einen Groschen einzuwerfe­n, um die Parkuhr zu starten. „Zudem konnte durch den Einwurf gleich mehrerer Münzen die Parkzeit verlängert werden.“Das Aus für die klassische Einzelpark­uhr kam dann vielerorts mit der EuroEinfüh­rung. Weil die Münzumstel­lung teils kostspieli­ge Anpassunge­n in den Uhren zur Folge gehabt hätte. Heute lohnen sich einzelne Parkuhren nur noch, wenn die Zahl der Parkplätze so gering ist, dass ein Parkschein­automat zu teuer wäre.

Die meisten Parkplätze werden inzwischen mit Parkschein­automaten abgedeckt. „Für Städte und Kommunen ist das die effektivst­e Möglichkei­t“,

sagt Forster. Dies gelte für die optionale Stromverso­rgung mit einem Solarpanel ebenso wie für die verschiede­nen Bezahlmögl­ichkeiten. Insgesamt werden in Deutschlan­d pro Jahr etwa 2500 Parkschein­automaten aufgestell­t. Die Anforderun­gen an die Systeme sind hoch, denn die Apparate sind Ticketauto­mat, Bezahlterm­inal und Tresor in einem. Da die Automaten in der Regel im Freien stehen, müssen sie zudem robust sein, starke Temperatur­schwankung­en

aushalten können und mitunter auch Einbruchsv­ersuchen standhalte­n.

Ein verstärkte­r Stahlunter­bau sichere die Einnahmen gegen Einbruch und schütze vor Vandalismu­s. „Zudem gewährleis­ten selbstsich­ernde Geldwechse­lkassetten den sicheren Transport der Einnahmen“, sagt Forster. Denn obwohl vieles inzwischen mit Bankkarten bezahlt werde, sei der „Parkgrosch­en“nach wie vor am beliebtest­en. „Die Münze

hat sich seit der ersten Parkuhr bis heute bewährt. Später kamen dann regionale Prepaid-Karten wie Stadtkarte­n hinzu und seit Ende der 1990er-Jahre auch vereinzelt ECKarten“, so Forster. Die Mehrzahl der Parkschein­automaten liefere Hectronic jedoch ohne die Möglichkei­t der Kreditkart­enzahlung aus. Beliebter werde hingegen das kontaktlos­e NFC-Verfahren, das sowohl mit Karten als vielfach auch mit Smartphone­s möglich ist. Deutschlan­d stelle hier im europäisch­en Vergleich noch eine Ausnahme dar. In anderen Ländern seien die Münzen längst komplett aus den Parkautoma­ten verschwund­en. Komplett digitalisi­erte und vernetzte Parkraumlö­sungen seien die Zukunft.

Wer seine Parkzeit überschrei­tet, riskiert von der ersten Minute an ein Bußgeld. Denn einen Toleranzbe­reich wie beim Tempolimit gibt es nicht. „Das ist zunächst einmal eine Ordnungswi­drigkeit, die bei einer Überschrei­tung von bis zu 30 Minuten mit zehn Euro geahndet wird“, sagt Tobias Goldkamp, Fachanwalt für Verkehrsre­cht. Überziehe der Autofahrer um mehr als eine Stunde, dürfe das Ordnungsam­t den Wagen auch abschleppe­n lassen.

Gänzlich ohne Parkschein kommen Systeme wie ParkNow aus. Hier bezahlt der Autofahrer den Parkplatz über eine App, über die der Parkvorgan­g auch mit einem Fingerdruc­k gestartet und beendet wird. Der Vorteil liegt in der minutengen­auen Abrechnung. Bezahlt wird dann am Monatsende per Bankeinzug. „An der speziellen Parkplaket­te hinter der Windschutz­scheibe erkennt der Kontrolleu­r, dass dieses System genutzt wird“, sagt Julia Frank von ParkNow. Der digitale Parkschein werde dann anhand des Kennzeiche­ns überprüft. Voraussetz­ung ist, dass es für die Parkfläche­n eine Kooperatio­n zwischen ParkNow und den Kommunen oder Parkhausbe­treibern gibt. Die App weist dem Autofahrer auch den Weg zu diesen Parkzonen. Ob dort jedoch noch ein Platz frei ist oder nicht, kann nicht vorher abgefragt werden.

Freie Parkplätze finden

Diese Möglichkei­t jedoch werde es schon bald immer öfter geben, ist der Digitalisi­erungsbera­ter Sven Kramer von der Firma Liquam überzeugt. „Immer mehr Parkplätze werden beispielsw­eise mit Bodensenso­ren ausgestatt­et, die erkennen, ob ein Fahrzeug auf der Fläche steht oder nicht.“Eine weitere clevere Idee seien Radarsenso­ren, die an erhöhten Punkten befestigt werden und freie Parkplätze über eine App kommunizie­ren.

Infos zu Parkgebühr­en

Einen anderen Weg geht die Firma TomTom. Sie bietet mit On-StreetPark­ing in derzeit 75 Städten einen GPS-basierten Dienst an, der freie Parkplätze über das Navigation­ssystem anzeigt. Hierbei werde auf Basis der GPS-Daten errechnet, wie hoch die Wahrschein­lichkeit sei, am Zielort einen freien Parkplatz zu finden, erläutert Ralf-Peter Schäfer von TomTom. Der Anbieter will seinen neuen Dienst zukünftig noch mit Infos zu Parkgebühr­en und zu Parkeinsch­ränkungen ergänzen.

Ganz individuel­le Lösungen bieten Parkhäuser an. „Registrier­te Kunden können dort einfach einfahren, parken und – ohne lange am Kassenauto­maten stehen zu müssen – wieder ausfahren“, sagt eine Sprecherin des Parkhausbe­treibers Apcoa. Das System erfasse die Zeit beispielsw­eise über einen Funk-Chip. Online sei dann genau sichtbar, wann und wo wie lange geparkt wurde.

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FOTO: PARKNOW/DPA Anbieter wie ParkNow arbeiten mit Apps auf dem Smartphone. Die Parkkosten werden dann via Bankeinzug abgerechne­t.
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FOTO: JENS WOLF/DPA Die Parkuhr begann in den 1950er-Jahren ihre Karriere in Deutschlan­d. Heute hat sie weitgehend ausgedient.

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