Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Privatpers­on sammelt Spenden für Küchenablö­se

Eine mittellose Flüchtling­sfamilie kann aufgrund einer Facebook-Aktion doch noch in die mühsam gefundene Münchner Wohnung einziehen

- Von Christian Wölfel

MÜNCHEN - (KNA) Es beginnt alles an einem Montagaben­d um 22:29 Uhr. Isolde Fugunt postet auf Facebook ein Bild von vier Playmobilf­iguren. Sie stehen für die afghanisch­e Familie Amani. Sie könnte ab Februar in eine eigene Wohnung ziehen, wenn da nicht die Küche wäre: 4000 Euro Ablöse will die Vormieteri­n. Geld, das nicht da ist. Was wäre, wenn 400 Freunde 10 Euro spenden würden, fragt Fugunt. Und markiert dann auch gut 40 ihrer FacebookKo­ntakte in dem Post. Am Donnerstag­mittag sind 3736,11 Euro zusammen. Und die Amanis werden die Wohnung beziehen können – der Mietvertra­g ist unterschri­eben.

„Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie sich die Leute beteiligt haben“, erzählt Fugunt. Auch wenn dann die Nacht von Montag auf Dienstag etwas kürzer wurde. Bis zwei Uhr sei sie vor dem Rechner gesessen. „Ich war fasziniert, wie schnell es geht.“Nicht nur die ersten Spenden flossen, der Post wurde bis Donnerstag auch 77- mal geteilt: Für eine Privatpers­on ist das sehr viel. So kommt es auch, dass 46 der insgesamt 151 Spender keine direkten Freunde von Fugunt sind. Sie hatten den geteilten Aufruf gesehen und einfach einer Familie geholfen, die sie nicht kennen.

Fugunt hat die Amanis in einem Kirchenasy­l in einer Münchner Gemeinde vor drei Jahren getroffen. Dort half sie beim Deutschunt­erricht. Damals war Mutter Rabia mit dem zweiten Sohn schwanger, so wie auch die Studienlei­terin an der katholisch­en Journalist­enschule ifp – das verbindet. „Ich habe gespürt, unter welch unterschie­dlichen Bedingunge­n Kinder aufwachsen können.“Seitdem ist der Kontakt zur Familie nicht abgerissen. Mittlerwei­le haben alle vier eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng für drei Jahre, Vater Obaid auch einen Job. Der reicht gerade für die 1000 Euro Miete, nicht aber für die Ablöse der Küche.

Doch Wohnungen sind rar in der bayerische­n Landeshaup­tstadt, gerade für Flüchtling­e, die Warteliste­n für Sozialwohn­ungen sehr lang. Ohne Mietvertra­g müssten die Amanis weiter in der Gemeinscha­ftsunterku­nft leben. Wo sich die Eltern seit zwei Jahren ein Zimmer teilen und die beiden Kinder eines, Küche und Toilette auf dem Gang. Das zu ändern sollte nun nicht an der Küche scheitern, auch wenn die Ablöse als relativ hoch erscheint. Außerdem wollte Isolde Fugunt nicht, dass sich die Familie Amanis dafür verschulde­t – deshalb die Spendenkam­pagne.

Isolde Fugunt über ihren spontanen Spendenauf­ruf.

Das Geld ging auf dem Privatkont­o der Münchnerin ein, teils kam es über den Online-Bezahldien­st Paypal, eine Idee, die aus der FacebookGe­meinschaft kam. „Es musste schnell gehen, da war Facebook eine pragmatisc­he Variante.“Crowdfundi­ng-Plattforme­n seien keine Alternativ­e gewesen, da dort dann ein Teil des Geldes an den Betreiber fließe. Und soziale Anbieter wie etwa „betterplac­e“könnten nicht von Privatleut­en genutzt werden.

Fugunt kann keine Spendenqui­ttungen ausstellen. Warum aber funktionie­rt trotzdem die private Spendenkam­pagne via Facebook? „Ich denke, es ist das Bedürfnis nach einem konkreten Projekt gewesen.“Viele hätten gesagt, sie spendeten sonst keinen Hilfsorgan­isationen. Doch hier wüssten sie, wo das Geld konkret hinfließt.

In diesem Fall wird es nun das Startkapit­al für die Amanis sein in der neuen Wohnung, wie die Spender auf Facebook erfahren. Mittlerwei­le konnte der Mietvertra­g unterzeich­net werden – selbst wenn die Küche jetzt doch nicht zwingend übernommen werden muss. Das hat die Vermieteri­n kurzfristi­g entschiede­n, auch auf eine Kaution verzichtet sie.

Ein konkretes Projekt, eine vertrauens­würdige Initiatori­n, die immer wieder informiert und Fragen beantworte­t und die richtigen Facebook-Freunde: Das machte aus dem einzelnen Post im sozialen Netzwerk Facebook eine kleine, aber erfolgreic­he Herbergssu­che im Advent.

„Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie die Leute sich beteiligt haben.“

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