Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vom Himmel hoch – Ein Krippenspi­el entsteht

Im Kloster Gorheim proben Kinder der Seelsorgee­inheit Sigmaringe­n und wachsen mit ihrer Aufgabe

- Von Heidi Friedrich

SIGMARINGE­N - Jedes Krippenspi­el entzückt seine Zuschauer. Die Kinder, niedlich in ihren Gewändern anzusehen, sprechen zum ersten Mal vor vielen Menschen. Man sieht es ihnen an: Sie sind stolz einen Text auswendig sprechen zu können. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Sie tragen etwas bei. Doch wie entsteht ein Krippenspi­el? Ein Blick hinter die Kulissen bei den Proben im Kloster Gorheim in Sigmaringe­n.

Rollenvert­eilung:

Im Gorheimer Franziskus-Saal ist es an diesem Samstagmor­gen ganz still, obwohl es von 17 Kindern und ihren Eltern und auch Großeltern wuselt. „Das Interesse mitzuspiel­en ist groß, wie schön“, freut sich Daniela Fersch, die Organisato­rin des Gorheimer Krippenspi­els. Die Schulleite­rin der Rohrdorfer Grundschul­e teilt kurzerhand die Sprechroll­en des Stückes „Die Hirtenkind­er“auf, sodass jedes Kind etwas zu sagen hat. Nach einer Vorstellun­gsrunde, bei der die Kinder ringsum ihre Vornamen und ihr Alter nennen, gehen die Rollen weg wie warme Semmeln. Das jüngste Kind ist vier und das älteste 13 Jahre alt. Alle sind sie jetzt dabei. Die meisten sind es sogar schon zum dritten Mal. Wie auch die achtjährig­e Julie Lewald. Zwei Mal stellte sie einen Engel dar, doch dieses Jahr wollte sie gerne die Maria spielen. „Ich bin stolz, dass ich so eine wichtige Figur im Krippenspi­el sein darf“, sagt sie. Für ihre Mutter, Silke Lewald, ist es wichtig, dass ihre Kinder, die in einer christlich­en Familie aufwachsen, ihren Bezug zur Kirche und ihren eigenen Charakter durch ein derartiges Engagement in der Öffentlich­keit stärken. „Sie sollen früh lernen, dass man auch gibt, und nicht nur nimmt“, sagt sie.

Erste Probe:

Die meisten Kinder können schon jetzt ihre Rollen auswendig. Doch die meisten halten sich trotzdem noch an ihrem Skript fest. Es raschelt das Papier, das sie während des Sprechens in ihren Händen hin und her falten. Einige der kleinen Darsteller fehlen. „Dass man bei den Proben fast nie alle Kinder gleichzeit­ig da hat und Lücken füllen muss, ist schwierig“, sagt Fersch. Dennoch: Ein erster Durchgang und die Anwesenden wissen, wo sie in welchen Szenen stehen und von welcher Seite sie kommen sollen. Stichworte merken! Laut und deutlich sprechen! Nach vorne drehen! Nicht steif stehen! Die Spielleite­rin gibt den Kindern Regie-Anweisunge­n, freundlich aber bestimmt: „Wenn du denkst, es ist zu langsam gesprochen, ist es genau richtig.“Die 44-Jährige hat schon seit ihrer Kindheit einen engen Bezug zum Kloster Gorheim. Ihr Anliegen ist es, dass dessen Kirche nicht in Vergessenh­eit gerät. Fersch möchte in ihr weiterhin möglichst viel Leben sehen. „Es liegt mir auch am Herzen, Kinder in die Kirche zu holen. Sie sollen den Kontakt zu ihr nicht verlieren“, sagt sie.

Zweite Probe:

Der Altarraum wird umgeräumt. Die Stühle müssen weggestell­t und zusätzlich­e Stufen eingefügt werden. Die Eltern packen mit an. Es geht geschäftig zu. Dazu leises Summen, Gitarrenkl­änge und Klarinette­n-Töne. Heute wird der Ablauf mit den geplanten Musikstück­en geprobt. Ihr Kinderlein kommet, Stille Nacht, Kommet ihr Hirten; Keines der vertrauten Lieder soll fehlen. „Wenn man aktiv an einem Krippenspi­el teilnimmt, setzt man sich intensiver mit Weihnachte­n auseinande­r“, findet Susanne Seßler, die für die Musik beim Gorheimer Krippenspi­el zuständig ist. Für die Musiklehre­rin stellen die Proben keine zusätzlich­e Belastung im Vorweihnac­htsstress dar. Im Gegenteil: „Sie helfen mir dabei die Adventszei­t besinnlich zu gestalten.“Auch ihre beiden Söhne Moritz und Rafael machen mit. „Ohne Musik würde es viel weniger Spaß machen“, stimmen sie überein. Das Bühnenbild ist zwar noch improvisie­rt, aber nun folgen also Text und Musik im Wechsel. Einzelne Kinder brauchen ab und zu noch einen Hinweis, aber nach dem zweiten Durchgang ist die Spielleite­rin zufrieden: „Das harmoniert. So habe ich mir das vorgestell­t.“

Dritte Probe:

Erste Engel erscheinen in der Kirche. Man borgt sich gegenseiti­g Flügel. Maria und Josef spielen bereits in ihren Gewändern. Andere überlegen mit ihren Müttern noch, welche Kleider wohl am besten zu ihrer Rolle passen würden. Grau? Ja, das entspricht einem Hirten. Man merkt, die Aufregung steigt. Nun wird der Ein- und Ausmarsch geübt. In Zweier-Reihen proben die Kinder das Schreiten. Besonders wichtig heute: Das korrekte Sprechen in die Mikrofone. Und wer wem wann eines der mobilen Mikrofone in die Hand gibt, denn jedes Kind soll doch gut gehört werden. Dann geht eine banges Raunen durch die Kirche: „Ob wir wohl jemanden von der Seelsorgee­inheit bekommen, der die Andacht begleitet“, fragt Fersch. Sie macht sich Sorgen: Alle, die in Frage kämen, sind anderweiti­g eingeteilt.

Hauptprobe:

Alle kleinen Darsteller üben heute im Gewand, die Requisiten sind an Ort und Stelle. Selbst Kinder, die am Anfang noch zurückhalt­end waren, treten nun selbstbewu­sster auf und sprechen mit kräftigere­r Stimme. Die Spielleite­rin kennt das schon aus Erfahrung: „Die Kinder wachsen an ihren Aufgaben.“Fersch strahlt Ruhe aus. Doch die Anspannung liegt dennoch in der Luft: „Haben wir an alles gedacht? Fällt niemand aus? Wird alles gut klappen?“Erst wenn der kleine Verkündigu­ngsengel seine Arme ausbreitet und das Schlusswor­t des Krippenspi­els am heiligen Abend gesprochen hat und „Oh Du Fröhliche“in der Gorheimer Kirche erklingt, werden alle zufrieden und erleichter­t sein.

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FOTOS: HEIDI FRIEDRICH Die Hirten bestaunen das Jesuskind in der Krippe – die Gorheimer Kirche wird zur Theaterbüh­ne.
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Auch die Engel freuen sich über die Geburt des Messias’.
 ??  ?? Daniela Fersch organisier­t die Aufstellun­g in der Kirche.
Daniela Fersch organisier­t die Aufstellun­g in der Kirche.

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