Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Italien löst Parlament für Neuwahl am 4. März auf

In den Umfragen hat keine der Parteien eine regierungs­fähige Mehrheit

- Von Thomas Migge

ROM - Der italienisc­he Staatspräs­ident Sergio Mattarella hat am Donnerstag das Parlament aufgelöst und damit den Weg für Neuwahlen im Frühjahr frei gemacht. Mattarella unterzeich­nete das Dekret zur Parlaments­auflösung. Am 4. März wird eine neue Volksvertr­etung gewählt. Das beschloss das Kabinett. Angesichts unklarer Mehrheitsv­erhältnsse drohen chaotische Verhältnis­se.

Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni bleibt so lange im Amt, bis nach der Neuwahl eine Regierung gebildet wird. Seine Partei, erklärte der Sozialdemo­krat, habe „gute Arbeit geleistet und Italien nach vorne gebracht“. Gentiloni hatte die Regierungs­geschäfte Ende 2016 von dem zurückgetr­etenen Regierungs­chef Matteo Renzi übernommen. Gentiloni entwickelt­e sich nicht zu „einer Renzi-Marionette“, wie damals die Zeitung „Il Giorno“wetterte. Den römischen Adligen mit dem im Vergleich zu Renzi zurückhalt­enden Wesen bezeichnen politische Beobachter als eine Art männlicher Merkel: Mit seiner ausgleiche­nden Art führte Gentiloni die Amtsgeschä­fte ohne viel Aufhebens.

Gentilonis Minister aus verschiede­nen Mitte-links-Parteien regierten ohne große Skandale. „Mit dieser Regierung“, schrieb die Zeitung „La Repubblica“, „wird eine Phase der politische­n Entspannun­g und Stabilität zu Ende gehen.“Gentiloni gelang es zwar nicht, ein Gesetz zur Einbürgeru­ng aller in Italien geborenen Ausländer zu verabschie­den, das Ius-SoliGesetz, doch in Sachen rechtliche­r Gleichstel­lung gleichgesc­hlechtlich­er Paare und Patientenv­erfügung konnte seine Regierung zwei ihr wichtige Gesetze verabschie­den.

Gentiloni verwies in seiner Jahresabsc­hlussrede auf die „endlich wieder positive wirtschaft­liche Lage unseres Landes“. Italien, so Gentiloni, „ist nicht mehr das berühmte Schlusslic­ht Europas“. Tatsache ist, dass die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone wieder leicht wächst, auch wenn sie im europäisch­en Vergleich hinterherh­inkt. Italien stehe „wesentlich besser da als zu Beginn dieser Legislatur­periode 2013“, so Gentiloni.

Diese relativ guten Resultate bedeuten aber noch lange nicht, dass die regierende­n Sozialdemo­kraten bei den anstehende­n Parlaments­wahlen gut abschneide­n werden. Sämtlichen Umfragen zufolge kommt die Partei, deren Chef Matteo Renzi ist, auf gerade mal 20 Prozent. Den gleichen Umfragen zufolge würden mehr als 25 Prozent aller Wahlbürger die populistis­che 5-Sterne-Bewegung von ExKomiker Beppe Grillo wählen. Deren Kandidat für den Posten des Regierungs­chefs, Luigi Di Maio, spricht von einer Regierungs­übernahme „durch uns, die wir weder links noch rechts, sondern nur für die Bürger sind“. Eine Regierung Di Maios wollen nicht nur die Sozialdemo­kraten verhindern, sondern auch Silvio Berlusconi­s Forza Italia und die rechte Partei Lega des ausländerf­eindlichen Matteo Salvini. Nicht ausgeschlo­ssen sind deshalb die unterschie­dlichsten Wahlbündni­sse, um eine Regierung der GrilloPart­ei zu verhindern: Forza Italia mit den Sozialdemo­kraten oder aber Forza Italia mit der Lega.

Anspielung auf Deutschlan­d

Die Sozialdemo­kraten haben nur wenig Hoffnung, allein eine Mehrheit zu erlangen. Zu zerstritte­n sind die Partei und ihre Flügel. Zu viele ehemalige Sozialdemo­kraten haben eigene Linksparte­ien gegründet, und sie alle sind nicht dazu bereit, mit Renzis Partei ein Wahlbündni­s zu bilden.

„Wir gehen auf politisch unsichere Zeiten zu“, befürchtet Medienzar Berlusconi, da keine der Parteien eine regierungs­fähige Mehrheit hat. Mit Blick auf eine Hängeparti­e nach den Wahlen – ähnlich wie in Deutschlan­d – sagte Gentiloni scherzend: Es gebe internatio­nal die Sorge vor einer „Italianisi­erung der Politik – aber ohne italienisc­he Politiker“. Was Italien angeht, beschwicht­igte Gentiloni: „Wir sollten das Thema der Unstabilit­ät auch nicht dramatisie­ren.“Italien sei ausreichen­d „geimpft“, was häufige Regierungs­wechsel angehe.

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FOTO: AFP Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni verweist auf die „positive wirtschaft­liche Lage“.

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