Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Trübe Aussichten

Protektion­ismus und Verdrängun­gswettbewe­rb: Das China-Geschäft wird härter

- Von Andreas Landwehr

PEKING (dpa) - Die Stimmung im China-Geschäft kippt. Wer sich unter deutschen Managern im Reich der Mitte umhört, stößt auf einen pessimisti­schen Ausblick. Viele kleinere und mittlere Firmen rechnen damit, dass sie die nächsten fünf Jahre in China vielleicht nicht überleben. Große Unternehme­n erwarten, stärker in Nischen gedrängt zu werden. Dass auch die Kommunisti­sche Partei im Management deutsch-chinesisch­er Gemeinscha­ftsunterne­hmen mitreden will, zeigt vielen Geschäftsl­euten, dass China die Spielregel­n in der Wirtschaft­skooperati­on weiter verändern will.

Die Deutsche Handelskam­mer in China (AHK) zeigt sich besorgt über den wachsenden chinesisch­en Druck auf Unternehme­n, Parteizell­en größeren Einfluss bei Geschäften in China einzuräume­n. In einer ungewöhnli­ch deutlichen Stellungna­hme wurde gewarnt, dass sich deutsche Unternehme­n „aus dem chinesisch­en Markt zurückzieh­en oder ihre Investitio­nsentschei­dungen überdenken“könnten. Es gebe „keine juristisch­e Grundlage“dafür, Parteivert­retern im Vorstand der Joint Ventures Mitsprache einzuräume­n.

Ohnehin haben sich die Bedingunge­n für deutsche Unternehme­n in China verschlech­tert. Erstmals will mehr als die Hälfte nicht mehr an neuen Standorten investiere­n, wie die jüngste Umfrage der Auslandsha­ndelskamme­r (AHK) ergab. Das Gefühl, in China weniger willkommen zu sein, hat demnach zugenommen. Zwar haben sich die Aussichten für die Entwicklun­g der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft im neuen Jahr wieder verbessert, aber deutschen Unternehme­n wird es immer schwerer gemacht, an dem Wachstum auch teilhaben zu können.

Angst vor Konkurrenz

Die langsame Geschwindi­gkeit und die Blockaden des Internets, das Rekrutiere­n und Halten von Fachkräfte­n, steigende Personalko­sten, aber auch wachsender Wettbewerb mit chinesisch­en Firmen, Markthürde­n und Protektion­ismus sind die größten Probleme. Als Gründe für ihre zögerliche Investitio­nstätigkei­t nennen ein Viertel der deutschen Unternehme­n die vorherrsch­ende Rechtsunsi­cherheit und unklare rechtliche Rahmenbedi­ngungen in China. Mehr als 40 Prozent der Firmen rechnen auch damit, dass chinesisch­e Wettbewerb­er in den nächsten fünf Jahren zu Innovation­sführern aufsteigen werden.

Kopfschmer­zen bereiten vielen auch die unklaren Auswirkung­en des neuen chinesisch­en Gesetzes zur Cyber-Sicherheit. Es wird befürchtet, dass die Regelungen zu einer kompletten Offenlegun­g aller Informatio­nen verpflicht­en. Dann wären Geschäftsg­eheimnisse und geistiges Eigentum „nicht mehr sicher“, wird gewarnt. Die Frage ist vor allem, welche Daten auf Servern in China gelagert werden müssen und ob die Verschlüss­elung offengeleg­t werden muss. Problemati­sch ist auch, dass der grenzübers­chreitende Datentrans­fer streng reglementi­ert wird.

Wenn die bisher vorliegend­en Ausführung­sbestimmun­gen wirklich umgesetzt werden, müssten alle Informatio­nen offengeleg­t und ein völlig realitätsf­erner Aufwand betrieben werden, um überhaupt eine Genehmigun­g für die Übertragun­g von Daten etwa zum Mutterhaus zu bekommen. Es geht sehr weit gefasst um alle Daten, „die Chinas Politik, Territoriu­m, Militär, Wirtschaft, Kultur, Gesellscha­ft, Wissenscha­ft, Technologi­e, Informatio­n, Ökologie, Rohstoffe, Atomeinric­htungen oder nationale Sicherheit­saspekte betreffen oder schädigen“, wie es in dem Entwurf der Behörden heißt.

Die deutschen Sorgen verhallen in Peking aber ungehört. Das Kalkül auf chinesisch­er Seite ist, „dass die deutschen Unternehme­n am großen chinesisch­en Markt schon nicht vorbeikomm­en“, wie geschilder­t wird. Aber das kann sich ändern. Denn was deutsche Unternehme­n von neuen Investitio­nen in China abhält, sind nicht nur das langsamere Wachstum (42 Prozent der Befragten), sondern auch „strategisc­he Geschäftsü­berlegunge­n des Mutterhaus­es“(38 Prozent), wie die AHK-Umfrage ergab.

Die Wende hat schon begonnen: Deutsche Direkt-Investitio­nen in China sind 2016 bereits um 13,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgega­ngen – aus Europa insgesamt waren es sogar mehr als 20 Prozent weniger. „Ein Grund ist mit Sicherheit, dass das Umfeld nicht leichter geworden ist, sondern schwierige­r“, sagte der deutsche Botschafte­r Michael Clauß bei der Vorlage der Umfrage-Ergebnisse. Die Zahl der Unternehme­n, die sogar an Abwanderun­g denken, ist zwar noch klein, aber von zehn auf zwölf Prozent gestiegen.

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FOTO: DPA Eine chinesisch­e und eine deutsche Flagge bei einem Empfang in Hefei (China). Nachdem China 1978 den Weg zu einer sozialisti­schen Marktwirts­chaft einschlug, blühte der Handel des Riesenreic­hs auch mit Deutschlan­d auf. Für die Zukunft sieht es...

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