Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Beeindruck­ende Bilderreis­e

Mit immensem Aufwand bringt „Loving Vincent“den Kosmos van Goghs ins Kino

- Von Stefan Rother

Der neue Kinofilm „Loving Vincent” ist das Ergebnis einer Liebesgesc­hichte. Er handelt zum einen natürlich von der Liebe zum leidvollen Leben und zum Werk von Vincent van Gogh. Zum anderen geht es aber auch um die Liebe der Macher zueinander und zu den neuen Möglichkei­ten, die der animierte Film nach wie vor eröffnet.

Hugh Welchman gewann mit seiner Produktion­sfirma bereits 2008 für seine Kurzfilm-Adaption von „Peter und der Wolf“einen Oscar. Als er begann, mit der polnischen Malerin Dorota Kobiela zusammenzu­arbeiten, waren das Resultat eine Ehe – und ein enorm ambitionie­rtes Filmprojek­t. Denn „Loving Vincent“kann sich rühmen, der erste Film zu sein, der aus animierten Ölgemälden besteht. 65 000 solcher Gemälde mussten dafür gemalt werden, die auf 77 Bildern von van Gogh basieren, von rund 40 weiteren wurden Ausschnitt­e verwendet.

Kriminalfa­ll daraus gestrickt

Das Resultat ist ein beeindruck­endes visuelles Erlebnis. Aber ist es auch ein guter Film geworden? Die Macher haben sich zumindest inhaltlich um einen neuen Zugang zum vielfach verfilmten Leben des niederländ­ischen Malers bemüht. So inszeniere­n sie die letzten Wochen des an den Folgen einer Schusswund­e verstorben­en van Gogh als eine Art Kriminalfa­ll.

Als Ermittler wider Willen fungiert Armand Roulin, der von seinem Vater, einem Postmann und Freund des Künstlers, beauftragt wird, dessen letzten Brief an den Bruder Theo zuzustelle­n. Doch auch dieser ist mittlerwei­le verstorben, und so begibt sich Armand nach Auvers-surOise, wo van Gogh seine letzten Wochen verbracht hatte. Die Bewohner des Dorfes liefern ihm teils widersprüc­hliche Berichte über das Leben und den Geisteszus­tand des Malers. Eine zentrale Bezugspers­on scheint der Arzt und Kunstfreun­d Dr. Gachet (Jerome Flynn) gewesen zu sein – doch der ist derzeit beruflich verreist. Und so durchstrei­ft Armand die Orte, an denen Vincent gemalt, gelacht, getrunken, gelitten – und vielleicht sogar geliebt hat …

Neue Erkenntnis­se über die genauen Ereignisse, die zu dem Tod des Künstlers geführt haben, will der Film nicht vermitteln. Die Herangehen­sweise ermöglicht es ihm aber, möglichst viele Landschaft­en und Figuren, die van Gogh gemalt hat, einzubinde­n. Als Kontrast werden zwischen den farbenfroh­en Gemälden immer wieder animierte Rückblende­n in Schwarz-Weiß eingefügt.

Die Figur des Armand wirkt auf Dauer eher unbeholfen-penetrant, eröffnet dem Zuschauer durch seine Ermittlung­en aber immerhin einen Einblick in die Facetten des Falles. Und die Faszinatio­n des Filmes und der zugrundeli­egenden Werke bleibt davon unbenommen. Zum Ende des sehenswert­en Experiment­s erklingt dann passenderw­eise ein so originelle­s wie einflussre­iches musikalisc­hes Tribut an den Maler – „Vincent“(„Starry Starry night“) von Don McLean.

Loving Vincent. Regie: Dorota Kobiela und Hugh Welchman. Mit Douglas Booth, Chris O’Dowd, Saoirse Ronan. Großbritan­nien/ Polen 2017. 94 Minuten. FSK ab 6.

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FOTO: WELTKINO FILMVERLEI­H. In „Loving Vincent“erstrahlen die Orte und ihre Bewohner in den Farben und im Pinselstri­ch des Meisters (1853-1890).

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