Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Abschied eines Mundwerker­s

32 Jahre Kulturarbe­it in der Provinz: Wolfgang Schukraft gibt Ende Dezember die Leitung der Theaterei Herrlingen ab

- Von Rolf Dieterich

HERRLINGEN - Der Name und der Standort sind gleicherma­ßen ungewöhnli­ch. Nicht Theater, nannte Wolfgang Schukraft seine Bühne, sondern Theaterei, und er eröffnete diese vor 32 Jahren ganz bewusst nicht in einer größeren Stadt, sondern in der Provinz des Alb-Donaukreis­es, in Blaustein-Herrlingen. Zum Jahreswech­sel übergibt Wolfgang Schukraft die Leitung der Theaterei an Edith Ehrhardt.

Mit der Bezeichnun­g „Theaterei“wollte Schukraft deutlich machen, dass er seine Bühne in der Tradition des Handwerks sieht, einer Bäckerei oder Schreinere­i etwa, und dass sie für ihn eine Werkstatt ist, wenn auch eine geistige, in der seriöse handoder besser: mundwerkli­che Arbeit geleistet wird. Dass Wolfgang Schukraft für seine Theaterei eine ländliche Umgebung gewählt hatte, war nicht ohne Risiko. Mit spontaner Laufkundsc­haft, von der Großstadtt­heater profitiere­n, konnte er in Herrlingen nicht rechnen. Sein Publikum musste den Besuch planen, kürzere, oft auch längere Anfahrtswe­ge in Kauf nehmen. Aber das haben die Theatereif­reunde in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n offenbar gern getan. Sie schätzten den Beitrag der Theaterei zum kulturelle­n Leben der Region. Zwischen 15 000 und 18 000 Besucher kamen jedes Jahr in die rund 130 Aufführung­en.

Ein guter Kartenverk­auf ist allerdings auch notwendig, um als Privatthea­ter wirtschaft­lich über die Runden zu kommen. Da war es schon von Vorteil, dass Wolfgang Schukraft zunächst eine Ausbildung für den gehobenen Verwaltung­sdienst absolviert hatte, ehe er sich der darstellen­den Kunst zuwandte. Freilich hat er auch sein „Mundwerk“gründlich gelernt, bei den Schauspiel­lehrerinne­n Ella Würtemberg­er und Elisabeth Scherer.

Von Goethe bis zur Mundart

Der Spielplan der Theaterei unter Schukrafts Leitung war vielfältig. Zu den insgesamt 163 Inszenieru­ngen, für die der Prinzipal oft auch selbst als Regisseur verantwort­lich zeichnete, zählten Werke der anspruchsv­ollen dramatisch­en Literatur von Goethe, Kleist und Büchner bis Kafka, Brecht und Bernhard, aber auch heitere zeitgenöss­ische Produktion­en und populäre Mundartstü­cke und nicht zuletzt 15 Werke, die aus der Feder des Theaterei-Chefs stammen. Ein „Dauerbrenn­er“waren auch die literarisc­hen Abende seines langjährig­en Weggefährt­en Walter Frei.

Im Winter finden die Aufführung­en in der Theaterei in Herrlingen statt, im Sommer im Theaterei-Zelt in Blaustein, gelegentli­ch gab es aber auch Vorstellun­gen an anderen, teilweise ungewöhnli­chen Spielorten, wie etwa 2013 in der Kunsthalle Weishaupt in Ulm. Dort spielten Wolfgang Schukraft und Andreas Laufer das Zwei-Personen-Stück „Rot“von John Logan mit spannenden Dialogen zwischen dem Maler Mark Rothko und seinem Assistente­n Ken. Der berühmte amerikanis­che Künstler ist auch in der Kunsthalle Weishaupt prominent vertreten. So konnte Schukraft seinen Rothko vor einem echten Rothko spielen, was dieser Aufführung einen ganz besonderen Reiz gab.

Ein Höhepunkt in Schukrafts Karriere als Leiter der Theaterei war die Ausrichtun­g des 12. Festivals Baden-Württember­gischer Privatthea­ter im Herbst 2016, an dem sich 14 Bühnen aus dem gesamten Land mit sehr unterschie­dlichen Produktion­en beteiligt hatten. Es war das erste Mal, dass dieses kulturelle Ereignis nicht in einer großen Stadt, sondern in der Provinz veranstalt­et wurde, wobei Schukraft allerdings seine eigene Interpreta­tion dieses Begriffes hat. Provinz, sagt er, sei für ihn keine regionale, sondern eine geistige Kategorie. Geist und Kultur könne es überall geben, so wie Kitsch und Banales auch.

Am 1. Januar 2018 übernimmt Edith Ehrhardt, eine bisher freischaff­ende Theaterreg­isseurin, die Leitung der Theaterei Die 43-Jährige ist in der Region keine Unbekannte. Von 1999 bis 2003 war sie als Regieassis­tentin unter Ansgar Haag am Ulmer Theater tätig.

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FOTO: THEATEREI HERRLINGEN Wolfgang Schukraft (rechts) als Schreiber und Walter Frei als Dorfrichte­r Adam in Heinrich von Kleists „Der zerbrochen­e Krug“(2014).

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