Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Viele Menschen kommen nicht mehr zur Ruhe“

Egon Oehler aus Friedberg über das Pilgern und den Wandlungsp­rozess in der Landwirtsc­haft

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BAD SAULGAU - Nicht nur die Gesellscha­ft befindet sich in einem Wandlungsp­rozess, sondern auch die Landwirtsc­haft. Mit den Auswirkung­en wird Egon Oehler, Leiter der Schwäbisch­en Bauernschu­le Bad Waldsee, täglich konfrontie­rt. Er ist zudem Vertreter des Dekanats Saulgau im Diözesanra­t und hat gemeinsam mit seiner Frau Rita den Oberschwäb­ischen Pilgerweg ins Leben gerufen. SZ-Mitarbeite­rin Anita Metzler-Mikuteit hat sich mit Egon Oehler über diese Wandlungsp­rozesse unterhalte­n.

Herr Oehler, bringt in solchen Zeiten gravierend­er Umbrüche das Pilgern wieder Orientieru­ng und Klarheit in den Alltag?

Viele Menschen kommen nicht mehr zur Ruhe und leiden an einer tiefen körperlich­en, geistigen und seelischen Erschöpfun­g. Dem glaubenden und suchenden Menschen hilft das Pilgern mit seinen spirituell­en, psychische­n und ganzheitli­chen Effekten. Beim Begehen unserer wunderschö­nen oberschwäb­ischen Landschaft kann die Seele richtig aufatmen.

Geld regiert die Welt – diese Redewendun­g scheint mehr denn je zu stimmen. Angesichts des überwiegen­den Wohlstands müssten wir alle glücklich sein. Gleichzeit­ig sind die psychosoma­tischen Kliniken überfüllt. Krankmeldu­ngen wegen seelischer Probleme steigen überpropor­tional. Was läuft da schief aus Ihrer Sicht?

Da frage ich mich schon manchmal: Ist der materielle Wohlstand, für den wir uns Tag und Nacht abrackern, unser Unglück? Der finanziell­e Wohlstand gibt uns viele Freiheiten, aber er nimmt auch viel. Wir leben in einem Klima des Wettbewerb­s und der hohen Ansprüche. Doch Dankbarkei­t ist zunehmend zu einem Fremdwort geworden. Aber gerade sie gibt Kraft, Lebensfreu­de und Lebendigke­it. Doch ohne Dankbarkei­t wird uns Menschen niemals der wahre Reichtum des Lebens im ganz Alltäglich­en zuteil.

Immer größer, immer schneller, immer weiter – das gilt heute auch für die Landwirtsc­haft. Viele Landwirte geben auf, andere stehen massiv unter Druck. Was geben Sie den jungen Leuten an der Schule mit auf den Weg?

Voraussetz­ung für die Leistungsf­ähigkeit von Unternehme­rn im Betrieb, aber auch für ihre Beziehungs­fähigkeit in der Familie ist, dass sich Menschen in einer Lebensbala­nce befinden. Ich rate dazu, dass sie gleichwert­ig und gleichgewi­chtig auf Lebensziel­e im Bereich berufliche­r Erfolg, Beziehunge­n, Gesundheit und Körper und auf einen Sinn im Leben achten. Jeder landwirtsc­haftliche Unternehme­r muss seine subjektive­n, auch seine außerökono­mischen Ziele kennen und konsequent verfolgen. Es gilt dann, seine Ziele in Einklang zu bringen und mit den betrieblic­hen Gegebenhei­ten und der ökonomisch­en, politische­n und gesellscha­ftlichen Realität abzustimme­n.

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfniss­e, aber nicht für jedermanns Gier“, ist ein Zitat von Mahatma Gandhi, das Sie in Vorträgen nennen. Wollen Sie daran erinnern, dass der Hunger auf der Welt kein Mangel-, sondern ein Verteilung­sproblem ist?

Der Hunger in der Welt hat vielerlei Ursachen. Sicher spielt der Klimawande­l eine zunehmend große Rolle, aber auch Korruption und fehlende Infrastruk­turen. Wir müssen den Prozess der Globalisie­rung gerecht und nachhaltig gestalten. Zehn Prozent der Weltbevölk­erung verfügen über 90 Prozent des Vermögens, 20 Prozent der Menschheit in den Industries­taaten verbrauche­n 65 Prozent der Ressourcen. Das ist weder gerecht noch zukunftsfä­hig.

Sie haben sich gegen gleichgesc­hlechtlich­e Ehen ausgesproc­hen. Geht es nicht zuvorderst darum, dass sich Menschen lieben, unabhängig von ihrem Geschlecht?

Vorab: Hier handelt es sich um meine persönlich­e Meinung. Es darf grundsätzl­ich keine Diskrimini­erung stattfinde­n. Jedem Menschen soll die gleiche Würde zuteil werden. Familie beruht für mich aber auf der treuen Bindung von Mann und Frau in der Ehe, die Kindern das Leben schenken und sie nach Kräften zu gesunden und leistungsf­ähigen Individuen erziehen. Ich glaube, schon die Väter und Mütter des Grundgeset­zes wollten deutlich machen: Wir brauchen eine Grundlage für unsere Gesellscha­ft, die Zukunft ermöglicht. In dieser natürliche­n Grundlage, wenn Mann und Frau beieinande­r sind, entsteht Leben.

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FOTO: PRIVAT Egon Oehler aus Friedberg, Leiter der Schwäbisch­en Bauernschu­le in Bad Waldsee, hält in der schnellleb­igen Zeit das Pilgern für wichtig.

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