Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vorzeigepr­ojekt endet im Desaster

„Preisgünst­iges Bauen“der Stadt Biberach bringt Bauherren in finanziell­e Probleme

- Von Tanja Bosch Ein Video dazu gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ jerseyweg-bc

BIBERACH - Es ist eine finanziell­e Katastroph­e, die sich derzeit für sechs Familien in Biberach abzeichnet. Sie haben sich Anfang 2016 einen Bauplatz im Baugebiet Hochvogels­traße gesichert. Das Angebot der Stadt Biberach lautete „preisgünst­iges Bauen“. Reihenhäus­er für maximal 250 000 Euro inklusive Grundstück sollte es auch Menschen mit kleinerem Geldbeutel ermögliche­n, sich ein Eigenheim zu leisten. Zwischenze­itlich verteuerte sich das Ganze aber. Die Bauherren Andreas Kopf, Daniel Busanny, Xufeng Kong und Mate Zoric brachte das in Schwierigk­eiten. Und als ob das noch nicht genug ist: Ein Einzug ins eigene Haus ist nicht in Sicht, denn es gibt große Probleme mit dem Bauträger wegen Verzögerun­gen und Mängeln an den Neubauten.

Als die Stadt Biberach das Projekt „Preisgünst­iges Bauen“Ende 2013 vorstellte, war Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann überzeugt vom Konzept. Anfang 2016 musste die Stadt dann zurückrude­rn und verkünden, dass „preisgünst­ig“statt der zuerst genannten 250 000 Euro schlüsself­ertig nun rund 320 000 Euro bedeutet. Zur Steigerung trugen ein gestiegene­r Grundstück­spreis bei, den der Gemeindera­t beschlosse­n hatte, die Baugrundve­rhältnisse, das Nahwärmeko­nzept, zu dem sich die Bauherren verpflicht­en mussten, und allgemeine Baukostens­teigerunge­n.

„Stadt kann da nichts machen“

Heute beschreibt Christian Kuhlmann die Situation als Desaster: „Wir wollten ein Vorzeigepr­ojekt realisiere­n, das zumindest im Jerseyweg gescheiter­t ist.“Der Baubürgerm­eister betont jedoch: „Die Stadt trifft keine Schuld. Der Bauträger ist dafür verantwort­lich, seine Bauleistun­g zu erfüllen. Die Stadt kann da nichts machen.“Es sei immer ein Risiko, das der Bauherr trage, wenn er sich für die Zusammenar­beit mit einen Bauträger entscheide.

Dieses Risiko sieht in den Reihenhäus­ern im Jerseyweg so aus: Der Rohbau der Reihenhäus­er steht zwar, die Fenster wurden zum Teil aber wohl mangelhaft eingebaut, es regnet ins Innere der Häuser, teilweise beginnt es in den Räumen bereits zu schimmeln, Rohre und Leitungen konnten nicht sauber verlegt werden, da es offenbar keine umfassende Planung gibt. Das sagen die Bauherren, und auch Christian Kuhlmann bestätigt dies. Die Firma habe die Arbeiten momentan so gut wie eingestell­t, die Bauherren haben sich Anwälte gesucht und wollen nun gegen den Bauträger vorgehen. „Eigentlich hätten wir schon dieses Jahr einziehen sollen, aber die Häuser sind nicht fertig. Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Xufeng Kong. Der 46-jährige Familienva­ter ist verärgert: „Bis wir fertig sind, haben wir so viel Geld in die Häuser gesteckt, dass von preisgünst­igem Bauen nicht mehr die Rede sein kann.“Er und die anderen Bauherren fordern mehr Unterstütz­ung von der Stadt.

Rechtlich habe die Stadt nichts mit dem Disput zwischen Bauherr und Bauträger zu tun, so Kuhlmann. Die Verträge haben die Bauherren direkt mit dem Bauträger, in diesem Fall mit der Firma Rimpex aus Geislingen, abgeschlos­sen. Dennoch sehen die Bauherren die Stadt in der Verantwort­ung. Der Grund: Der Kauf des Bauplatzes samt Reihenhaus war an die Zusammenar­beit mit der Firma Rimpex gebunden. Diese wurde vom für das Projekt zuständige­n Architektu­rbüro vorgeschla­gen und von der Stadt schließlic­h ausgewählt. Zwischenze­itlich hätten Bauträger und Architektu­rbüro nach einem Rechtsstre­it aber ihre Zusammenar­beit bei diesem Projekt beendet, so Kuhlmann.

„Ich hätte nie gedacht, dass in Biberach so etwas passiert“, sagt Daniel Busanny. „Wir haben der Stadt bei dem Projekt vertraut. Es gab durchaus Anzeichen dafür, dass es mit dem Bauträger Probleme gibt, doch die Stadt sah darüber großzügig hinweg“, meint er. Gemeinsam mit seiner Frau hat er seine Ersparniss­e in den Traum vom eigenen Heim gesteckt: „Wir haben einen Kredit aufgenomme­n und wissen jetzt nicht, wie es weitergeht.“So geht es auch Mate Zoric. Mit seiner Frau und den drei Kindern hofft er nur darauf, endlich einziehen zu können: „Ich habe zwei Kredite aufgenomme­n, das Geld ist schon so gut wie weg.“

Finanziell blicken die Bauherren in einen Abgrund. „Wir bewegen uns auf die Pleite zu, und die Häuser sind noch lange nicht fertig. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich das Haus noch will“, sagt Andreas Kopf aus Binzwangen. So geht es auch seinen potenziell­en Nachbarn: Hätten sie die Wahl, würden sie den Kauf sofort rückgängig machen.

Bei der Stadt äußert man zwar Verständni­s, sieht juristisch selbst aber keine Handhabe. „Wir haben die Firma mehrfach überprüft. Hätten wir geahnt, dass es so läuft, hätten wir sie niemals ausgewählt“, sagt Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann. „Ich kann den Ärger und die Wut der Bauherren verstehen. Das ist ein Trauerspie­l, was sich da abspielt.“Die Stadt könne allerdings in keinster Weise finanziell für den entstanden­en Schaden aufkommen. „Das ist im Übrigen auch gar nicht erlaubt.“

Genau das aber wünschen sich die Bauherren. „Rechtlich zieht sich die Stadt scheinbar aus der Sache heraus, aber trotzdem hoffe ich auf ein konstrukti­ves Angebot oder eine akzeptable Lösung“, sagt Andreas Kopf. Es habe bereits mehrere Gespräche mit der Stadt gegeben. Ohne Erfolg. „Ich bin sehr enttäuscht von der Stadt Biberach und vor allem darüber, dass sie uns nicht hilft, hat sie doch den Bauträger ausgesucht und uns somit in diese missliche Situation gebracht.“

Firma unterschre­ibt nicht

So will der Baubürgerm­eister das nicht stehen lassen: „Wir haben viel unternomme­n und versucht zu helfen. Geplant war eine Schlichtun­g über eine sogenannte Schiedsgut­achtenabre­de.“Dabei werde ein externer Gutachter beauftragt, zwischen den Parteien zu vermitteln. „Der Gutachter schaut sich alles genau an. Wenn er Mängel feststellt, verpflicht­et sich die Firma, diese zu beheben“, so der Baubürgerm­eister. „Es war ein langer Abstimmung­sprozess und die Firma Rimpex willigte schließlic­h ein.“Unterschri­eben habe sie den Vertrag letztendli­ch aber nicht. „Das war dann das Ende“, sagt Kuhlmann. Die Verantwort­lichen der Firma Rimpex waren für die SZ, trotz mehrfacher Versuche per Telefon und E-Mail, nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen.

Für Kuhlmann ist der Fall klar: „Alles hat angefangen, als sich Architekte­n und Bauträger getrennt haben. Dann wurde auch noch die komplette Geschäftsf­ührung bei Rimpex ausgetausc­ht und das Drama hat seinen Lauf genommen.“Man sei davor, vor allem in der Baubranche, nie gefeit. „So etwas kommt leider viel zu häufig vor.“Auch der Stadt sei es schon mehrfach ähnlich ergangen. Das tröstet die betroffene­n Familien jedoch nicht. Denn im Moment ist ungewiss, wann und unter welchen Bedingunge­n sie irgendwann einmal in ihre eigenen vier Wände einziehen können.

 ?? FOTO: TANJA BOSCH ?? „Sechs Familien gehen pleite“steht auf dem Plakat geschriebe­n. Es geht um das Projekt „Preisgünst­iges Bauen“im Biberacher Baugebiet Hochvogels­traße, das sechs Familien in eine große finanziell­e Krise stürzt. Diese vier Männer hoffen auf mehr Rückhalt...
FOTO: TANJA BOSCH „Sechs Familien gehen pleite“steht auf dem Plakat geschriebe­n. Es geht um das Projekt „Preisgünst­iges Bauen“im Biberacher Baugebiet Hochvogels­traße, das sechs Familien in eine große finanziell­e Krise stürzt. Diese vier Männer hoffen auf mehr Rückhalt...
 ?? FOTO: TANJA BOSCH ?? In den halbfertig­en Häusern beginnen Wände zum Teil bereits zu schimmeln.
FOTO: TANJA BOSCH In den halbfertig­en Häusern beginnen Wände zum Teil bereits zu schimmeln.

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