Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die CSU in der Bredouille
Die Christsozialen stecken in einem klassischen Dilemma: Vorrangiges Ziel ist ein erneuter Erfolg bei der Landtagswahl im Herbst. Weil aber Neuwahlen im Bund den bayerischen Landtagswahlkampf empfindlich stören und die Verteidigung der absoluten Mehrheit deutlich erschweren würden, muss so schnell und geräuschlos wie möglich die Große Koalition in Berlin zustande kommen. Aber erneut regieren mit der SPD und auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel – davor graut es vielen in der CSU ebenfalls.
Die Flüchtlingspolitik der CDUChefin, Merkels pragmatischer Kurs der Mitte und die vielen Zugeständnisse an die Sozialdemokraten im Rahmen der Großen Koalition haben die Marke CSU ohnehin schon beschädigt. Mit einer schwierigen Doppelstrategie suchen die Christsozialen nun den Ausweg – und gehen dabei ein hohes Risiko ein.
Alexander Dobrindt und seine Landesgruppe im Bundestag machen auf CSU pur. Sie türmen harte Positionen in der Migrationspolitik aufeinander und sticheln kräftig gegen Merkel und natürlich auch die SPD. Maximale Abgrenzung und Profilschärfung auf Bayerisch. Dobrindts Ruf nach der „bürgerlich-konservativen Wende“und die Kampfansage an die 68er ist ein besonders verzweifelter Versuch, den Markenkern der CSU wieder aufzupolieren.
Gleichzeitig soll Seehofer möglichst geräuschlos die Große Koalition aushandeln und Kompromissbereitschaft signalisieren – auch bei Themen, bei denen Dobrindts Positionen sicher nicht mehrheitsfähig sind. Es wird auch dem Routinier Seehofer nicht gelingen, sämtliche Forderungen, also CSU pur, durchzusetzen. Dem Bayerischen Löwen droht die Landung als Bettvorleger. Statt Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, erhöhen die roten Linien, die Dobrindt und seine Gefolgsleute dieser Tage einziehen, die Gefahr, am Ende mal wieder nicht Wort gehalten zu haben. Mag sein, dass der Landesgruppenchef darauf spekuliert, die Schuld dafür am Ende Parteichef Seehofer in die Schuhe schieben zu können. Ganz unbeschadet dürfte er aber kaum aus der Sache herauskommen.