Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Politik für die „vierbeinigen Schätzchen“boomt in Italien
Tierliebhaber vereinigt euch: Das scheint das neue politische Motto Italiens zu sein. Um die Welt gingen vor einiger Zeit Fotografien, die Medienzar Silvio Berlusconi mit einem kleinen weißen Pudel zeigen, Dudù genannt, der seiner Lebensgefährtin Francesca Pasquale gehört. Zahllose Male ließ sich der Chef der Mitte-rechts-Partei Forza Italia mit „meinem kleinen Liebling“ablichten und sagte, mit ernstem Gesicht, dass „wir uns auch für unseren vierbeinigen Mitbewohner starkmachen müssen“.
Stark macht sich Berlusconi seit Längerem auch für Michela Brambilla. Die ehemalige Tourismusministerin der vierten Regierung Berlusconis gründete 2016 die „Italienische Vereinigung zum Schutz der Tiere und der Umwelt“. Eine Vereinigung, die auch Partei ist und bei den kom- menden Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 antreten und Stimmen gewinnen will – vor allem der italienischen Tierhalter. Das sind viele. Vorsichtigen Schätzungen zufolge halten sich die rund 60 Millionen Italiener etwa 60 Millionen Hunde und Katzen.
Dass Brambillas Tierschutzpartei enge Beziehungen zu Berlusconis Forza Italia unterhält, führt zu scharfer Kritik bei den Sozialdemokraten. „Das ist eine Art Zuarbeiterpartei des Medienzaren“, schimpft die Sozialdemokratin Bazzoni, „mit dem einzigen Ziel, Forza Italia mehr Stimmen zuzuführen.“Der Kommunist Fausto Bertinotti sprach von einem „geschickten Geniestreich“. Klar ist, dass nach den Wahlen Brambillas Tierschutzpartei und Forza Italia eine Koalition eingehen werden. Brambilla wird laut Umfragen die Dreiprozenthürde für Parteien schaffen und ins Parlament einzie- hen. „Das abgekartete Spiel mit dem vermeintlichen Tierschutz“, so die Tageszeitung „La Repubblica“, „wird sich wahltaktisch auszahlen.“
Tierschutz soll Stimmen bringen
Tatsache ist, dass immer mehr Bürger mehr konkreten Tierschutz im Allgemeinen und für Haustiere im Besonderen fordern. Darunter ein nationales Verzeichnis von Haustieren und die deutliche Verbesserung der Bedingungen in den oft dramatisch heruntergekommenen Tierheimen. Brambilla hatte das erkannt. Auf den gleichen Zug springen jetzt auch die Sozialdemokraten auf, die fürchten, bei den kommenden Parlamentswahlen schlecht abzuschneiden. Im mittelitalienischen Pescara ist die ANA entstanden – die Allianz für Tiere. Gegründet wurde die neue Tierschutzpartei vom Direktor der städtischen Kunstakademie, von einem Telekommanager und einem Unternehmer. Alle drei sind Mitglieder der sozialdemokratischen Partei und erklärten bereits, dass sie mit Matteo Renzis Partei ein Bündnis eingehen würden.
Die ANA will sich ebenfalls verstärkt für Tierheime einsetzen. Auch für die städtischen Bediensteten dieser Einrichtungen, die, so Parteigründer Eugenio Carlomagno von der ANA, „in den meisten Fällen nur 600 Euro netto im Monat verdienen“. Jüngsten Umfragen zufolge kommt diese neue Politik bei den italienischen Haustiereigentümern gut an. So gut, dass auch die Protestbewegung Fünfsterne des Ex-Komikers Beppe Grillo die Gründung einer Tierschutzpartei erwägt.
Italien auf dem politischen Tierschutztrip? Anscheinend. „Wichtig ist doch vor allem“, meinte Berlusconi auf den Boom angesprochen, dass „diese Politik unseren vierbeinigen Schätzchen zugutekommt“.