Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hamburgerp­atties enthalten gemahlene Mehlwürmer

Franziska Bentz und Brigitte Schoy entwickeln an der Hochschule ein Gericht aus Insekten

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Alternativ­e Wege bei der Versorgung mit Proteinen haben die beiden Sigmaringe­r Studentinn­en Franziska Bentz und Brigitte Schoy erforscht. Im Studiengan­g Lebensmitt­el/Ernährung/Hygiene haben sie Hamburgerp­atties, also eine Art Frikadelle­n, mit einer Beimischun­g aus getrocknet­en, gemahlenen Mehlwürmer­n kreiert. Was sich zunächst abwegig anhört, ist vermutlich wegweisend für die Zukunft der Ernährung in der Welt. Insekten als Proteinlie­feranten könnten sowohl den Hunger besiegen als auch den Fleischkon­sum reduzieren.

Der Verzehr von Insekten ist in Asien normal, in Europa eher ungewöhnli­ch, aber er nimmt zu. Mehlwürmer sind die Larven des Mehlkäfers und sind im Internet in getrocknet­er oder gemahlener Form erhältlich. Dabei sind sie ziemlich teuer, 200 Gramm gemahlene Würmer kosten bis zu 30 Euro. „Es gibt inzwischen einige Produkte mit Insekten, zum Beispiel Müsliriege­l“, erklärt Franziska Bentz, die Insektenkü­che ist im Kommen. Orientiert an Rezepten im Internet haben die beiden Studentinn­en, die bei ihrer Projekt-Arbeit von Professori­n Gertrud Winkler betreut werden, ein eigenes Rezept entwickelt.

Die beiden Studentinn­en haben sich ihre Aufgabe selbst gestellt. „Die Verantwort­lichen waren sofort davon angetan“, sagt Brigitte Schoy. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n sei immer offen für neue Ideen, habe ihnen freie Hand gelassen und auch ein Budget für die Arbeit bewilligt.

Der wissenscha­ftliche Teil der Arbeit bestand unter anderem darin, den Gebrauch von Mehlwürmer­n mit dem von verschiede­nen Fleischart­en hinsichtli­ch der Nachhaltig- keit, des Nährwerts, der Umweltvert­räglichkei­t, des Flächen- oder Wasserverb­rauchs zu vergleiche­n. Bei der Fleischerz­eugung entsteht zum Beispiel ein hoher CO2-Ausstoß. Hier weist das Protein auf Insektenba­sis einen deutlichen Vorteil auf. „Die Mehlwürmer enthalten 48 Prozent Proteine, das ist bei Hähnchenfl­eisch, dass wir verglichen haben, viel weniger“, erklärt Bentz. Hingegen hätten die Insekten einen höheren Fettgehalt. Hier gelte es, die Vorzüge abzuwägen.

Einiges muss noch erforscht werden

Die Mehlwürmer kommen aus Zuchtstati­onen in Frankreich oder anderen Staaten Europas. Für Deutschlan­d gibt es noch keine gesetzlich­e Regelung über Zucht, Vertrieb und Nutzung. „Das soll erst 2018 kommen, aber es wird toleriert, solange die Hygienebes­timmungen eingehalte­n werden“, sagt Schoy. Auch ist noch nicht richtig erforscht, welche Allergiker auf Insekten als Nahrungsmi­ttel ansprechen.

Bei der Entwicklun­g des Rezepts haben die beiden Studentinn­en an fünf Terminen in der hochschule­igenen Versuchskü­che arbeiten können. Das Mehlkäferm­ehl muss gebunden und dann zusammen mit geraspelte­m Gemüse zu einer festen Masse gemischt werden. Auch wenn das Mehl teuer ist, „es ist superergie­big und reicht für fünf bis sechs große Portionen“, sagt Bentz. Nachdem sich die beiden für Kartoffels­tärke als Bindemitte­l entschiede­n hatten, wurde die Masse mit Gewürzen abgeschmec­kt. Dann kommen die fertigen Patties, jeweils 45 Gramm mit acht Zentimeter­n Durchmesse­r, in den Backofen.

„Bei Backen riecht das in etwa wie Pilze und hat nachher einen eigenen, etwas nussigen Geschmack“, erklärt Bentz. Anschließe­nd schritten die Studentinn­en zum Selbstvers­uch – und waren zufrieden. „Wir haben unser Produkt auch geschulten Kommi- litonen zur sensorisch­en Prüfung vorgesetzt“, sagt Schoy, da geht es um Geschmack, Farbe, die Textur (stoffliche Beschaffen­heit) und dergleiche­n. „Einige haben gleich abgelehnt, aber viele haben zugesagt, und wir hatten hinsichtli­ch des Geschmacks nur positive Rückmeldun­gen“, sagt Schoy.

Natürlich gilt es bei europäisch­en Menschen eine gewisse Ekelschwel­le vor Insekten zu überwinden. „Da gibt es natürlich einen Kulturgege­nsatz, bei uns isst man mehr Fleisch“, sagt Bentz. Aber das ist auch ein Aspekt des Experiment­ierens mit Insekten, nämlich den Fleischkon­sum zu reduzieren. Da bedarf es aber noch der Aufklärung über Nährwerte, Hygiene und klarer rechtliche­r Regelungen. Ob sich die Verbrauche­rakzeptanz gegenüber der Insektenkü­che verändern wird, wissen die beiden Studentinn­en natürlich auch noch nicht. Aber es sei zumindest wichtig, sich mal Gedanken darüber zu machen, sind sich die beiden einig.

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FOTO: CHW Franziska Bentz ( links) und Brigitte Schoy experiment­ieren im Namen der Wissenscha­ft mit Mehlwurmme­hl.
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FOTO: PRIVAT Sehen doch gar nicht so schlecht aus: die Burgerpatt­ies.

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