Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hamburgerpatties enthalten gemahlene Mehlwürmer
Franziska Bentz und Brigitte Schoy entwickeln an der Hochschule ein Gericht aus Insekten
SIGMARINGEN - Alternative Wege bei der Versorgung mit Proteinen haben die beiden Sigmaringer Studentinnen Franziska Bentz und Brigitte Schoy erforscht. Im Studiengang Lebensmittel/Ernährung/Hygiene haben sie Hamburgerpatties, also eine Art Frikadellen, mit einer Beimischung aus getrockneten, gemahlenen Mehlwürmern kreiert. Was sich zunächst abwegig anhört, ist vermutlich wegweisend für die Zukunft der Ernährung in der Welt. Insekten als Proteinlieferanten könnten sowohl den Hunger besiegen als auch den Fleischkonsum reduzieren.
Der Verzehr von Insekten ist in Asien normal, in Europa eher ungewöhnlich, aber er nimmt zu. Mehlwürmer sind die Larven des Mehlkäfers und sind im Internet in getrockneter oder gemahlener Form erhältlich. Dabei sind sie ziemlich teuer, 200 Gramm gemahlene Würmer kosten bis zu 30 Euro. „Es gibt inzwischen einige Produkte mit Insekten, zum Beispiel Müsliriegel“, erklärt Franziska Bentz, die Insektenküche ist im Kommen. Orientiert an Rezepten im Internet haben die beiden Studentinnen, die bei ihrer Projekt-Arbeit von Professorin Gertrud Winkler betreut werden, ein eigenes Rezept entwickelt.
Die beiden Studentinnen haben sich ihre Aufgabe selbst gestellt. „Die Verantwortlichen waren sofort davon angetan“, sagt Brigitte Schoy. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen sei immer offen für neue Ideen, habe ihnen freie Hand gelassen und auch ein Budget für die Arbeit bewilligt.
Der wissenschaftliche Teil der Arbeit bestand unter anderem darin, den Gebrauch von Mehlwürmern mit dem von verschiedenen Fleischarten hinsichtlich der Nachhaltig- keit, des Nährwerts, der Umweltverträglichkeit, des Flächen- oder Wasserverbrauchs zu vergleichen. Bei der Fleischerzeugung entsteht zum Beispiel ein hoher CO2-Ausstoß. Hier weist das Protein auf Insektenbasis einen deutlichen Vorteil auf. „Die Mehlwürmer enthalten 48 Prozent Proteine, das ist bei Hähnchenfleisch, dass wir verglichen haben, viel weniger“, erklärt Bentz. Hingegen hätten die Insekten einen höheren Fettgehalt. Hier gelte es, die Vorzüge abzuwägen.
Einiges muss noch erforscht werden
Die Mehlwürmer kommen aus Zuchtstationen in Frankreich oder anderen Staaten Europas. Für Deutschland gibt es noch keine gesetzliche Regelung über Zucht, Vertrieb und Nutzung. „Das soll erst 2018 kommen, aber es wird toleriert, solange die Hygienebestimmungen eingehalten werden“, sagt Schoy. Auch ist noch nicht richtig erforscht, welche Allergiker auf Insekten als Nahrungsmittel ansprechen.
Bei der Entwicklung des Rezepts haben die beiden Studentinnen an fünf Terminen in der hochschuleigenen Versuchsküche arbeiten können. Das Mehlkäfermehl muss gebunden und dann zusammen mit geraspeltem Gemüse zu einer festen Masse gemischt werden. Auch wenn das Mehl teuer ist, „es ist superergiebig und reicht für fünf bis sechs große Portionen“, sagt Bentz. Nachdem sich die beiden für Kartoffelstärke als Bindemittel entschieden hatten, wurde die Masse mit Gewürzen abgeschmeckt. Dann kommen die fertigen Patties, jeweils 45 Gramm mit acht Zentimetern Durchmesser, in den Backofen.
„Bei Backen riecht das in etwa wie Pilze und hat nachher einen eigenen, etwas nussigen Geschmack“, erklärt Bentz. Anschließend schritten die Studentinnen zum Selbstversuch – und waren zufrieden. „Wir haben unser Produkt auch geschulten Kommi- litonen zur sensorischen Prüfung vorgesetzt“, sagt Schoy, da geht es um Geschmack, Farbe, die Textur (stoffliche Beschaffenheit) und dergleichen. „Einige haben gleich abgelehnt, aber viele haben zugesagt, und wir hatten hinsichtlich des Geschmacks nur positive Rückmeldungen“, sagt Schoy.
Natürlich gilt es bei europäischen Menschen eine gewisse Ekelschwelle vor Insekten zu überwinden. „Da gibt es natürlich einen Kulturgegensatz, bei uns isst man mehr Fleisch“, sagt Bentz. Aber das ist auch ein Aspekt des Experimentierens mit Insekten, nämlich den Fleischkonsum zu reduzieren. Da bedarf es aber noch der Aufklärung über Nährwerte, Hygiene und klarer rechtlicher Regelungen. Ob sich die Verbraucherakzeptanz gegenüber der Insektenküche verändern wird, wissen die beiden Studentinnen natürlich auch noch nicht. Aber es sei zumindest wichtig, sich mal Gedanken darüber zu machen, sind sich die beiden einig.