Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Das Frühwarnsy­stem steht“

Thomas Miller vom staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt über die Afrikanisc­he Schweinepe­st

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AULENDORF - Am staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt – Diagnostik­zentrum in Aulendorf (StuaDZ) untersuche­n knapp 90 Mitarbeite­r mehr als 700 000 Proben im Jahr. Sie testen Milch, Blut oder auch Gewebe, um herauszufi­nden, wie gesund oder krank die Tiere sind, oder woran sie gestorben sind. Vor allem Proben von Tieren aus der Landwirtsc­haft, die im Rahmen staatliche­r Tiergesund­heitsprogr­amme standardmä­ßig untersucht werden, landen im Stua. Paulina Stumm hat mit dem Amtsleiter Thomas Miller über die Bekämpfung von Tierseuche­n gesprochen, aber auch einiges über Krankheite­n rund ums Vogelhäusc­hen und den Fall, bei dem ein Zierfisch seinen Besitzer mit Tuberkulos­e angesteckt hat, erfahren.

Herr Miller, das Land will in diesem Jahr Geld für mehr Stellen an den chemischen und veterinärm­edizinisch­en Untersuchu­ngsämtern in Baden-Württember­g bereitstel­len. Inwiefern profitiere­n Sie davon?

Wir gehen davon aus, dass wir in 2018 und 2019 je eine weitere Stelle für voraussich­tlich einen Tierarzt bekommen. Wir sind auch froh, dass wir alle befristet Beschäftig­ten in diesem Jahr weiterbesc­häftigen können. Die Blauzungen­krankheit, Vogelgripp­e und die Afrikanisc­he Schweinepe­st sind drei Kandidaten, die uns im Tierseuche­nbereich schwer beschäftig­en werden

Die tödlich verlaufend­e Afrikanisc­he Schweinepe­st gehört zu den Tierseuche­n, die derzeit in den Fokus der Aufmerksam­keit geraten ist. Wie ist das Stua auf einen Ausbruch vorbereite­t?

Das Frühwarnsy­stem steht, sodass wir die Seuche möglichst schnell erkennen, wenn infizierte Tiere oder Proben zu uns kommen. Wir können dabei sowohl Antikörper als auch das Genom des Afrikanisc­heSchweine­pest-Virus nachweisen. Seit vergangene­m Jahr wird Schwarzwil­d verstärkt bejagt, seither haben wir auch mehr Proben. Deshalb werden wir die Untersuchu­ngskapazit­ät erhöhen; wir haben begonnen, den Laborberei­ch in der Molekularb­iologie zu erweitern, haben neue Geräte gekauft und werden noch mehr Personal in die Methode einlernen. Und dann geht es darum, alle für diese Krankheit zu sensibilis­ieren: Schweineha­lter, andere Landwirte und jeden Bürger.

Was hat denn der „Normalbürg­er“mit der Afrikanisc­hen Schweinepe­st zu tun?

Natürlich ist die größte Gefahr der Übertragun­g der Kontakt von Tier zu Tier. Deshalb stehen Wildschwei­ne im Fokus. Aber das Virus kommt überall vor, wo Blut von infizierte­n Tieren ist, also auch in deren Fleischwar­en. Bei der Ausbreitun­g der Afrikanisc­hen Schweinepe­st in Polen und Tschechien hat das Virus sehr schnell große Strecken überwunden. Es gibt die „Wurstbrott­heorie“, nach der das Virus im Reiseprovi­ant mitgenomme­n und der Rest am Ende der Reise in der Landschaft entsorgt wird.

An der A6 gibt es an den Rastplätze­n jetzt Warnhinwei­se, Lebensmitt­el nur in Mülltonnen mit Deckel zu entsorgen. Aber auch mit illegal an Hausschwei­ne verfüttert­en Speiserest­en läuft die Verbreitun­g an.

Welche Möglichkei­ten gibt es, die Ausbreitun­g aufzuhalte­n?

Die beste Vorbeugung ist, alles zu tun, damit man sie nicht bekommt. Es gibt im Moment keine Impfung. Und wenn man die Seuche hat, muss man früh die klassische­n Tierseuche­nbekämpfun­gsmethoden angehen: Sperrbezir­ke, Beobachtun­gsbezirke und Tötungen. In Tschechien hat man es bisher geschafft, die Seuche bei einer Wildschwei­npopulatio­n in einer bestimmten Region zu halten. Dort wurde in der Kernzone um die Fundstelle herum zunächst nicht gejagt, um die Wildschwei­ne nicht aufzuschre­cken, und dann eingezäunt und die Jagd intensivie­rt mit dem Ziel, diese Kernzone wildschwei­nfrei zu bekommen. In den Pufferzone­n drumherum hat man von Anfang an stark bejagt, um die Bestände um 80 bis 90 Prozent zu reduzieren. Die Strategie ist: keine Wirte für das Virus.

Seit April 2016 können Rinder-, Schaf- und Ziegenhalt­er in BadenWürtt­emberg ihre Tiere freiwillig gegen Blauzungen­krankheit impfen lassen. Reicht das, um wirkungsvo­ll vor dieser Tierseuche geschützt zu sein?

Die Blauzungen­krankheit ist 2016, nach zehn Jahren, wieder in Europa aufgetauch­t und ist auf dem Weg nach Deutschlan­d. Impfen ist das Einzige, was man effektiv dagegen tun kann. Aber nein, mit einer freiwillig­en Impfung wird man keine Deckung von 80 Prozent erreichen – und erst dann lässt sich eine Infektion stoppen. Gleichzeit­ig gehen Ex- perten davon aus, dass die bisherigen Impfungen dazu beigetrage­n haben, dass die Krankheit noch nicht hier ist. Der Landwirt, der impft, schützt seine Tiere – bei Rindern treten etwa Hautschäde­n an Maul und Zitzen auf, bei Schafen ist der Krankheits­verlauf etwas heftiger, aber die Tiere bilden Antikörper und die Symptome heilen. Allerdings gibt es, wenn die Krankheit in Deutschlan­d festgestel­lt wird, Handelsbes­chränkunge­n. Ohne Impfung könnten die badenwürtt­embergisch­en Kälber gar nicht mehr gehandelt werden.

Auch Fischgesun­dheit hat das Diagnostik­zentrum im Blick. Was gab es 2017 Neues in diesem Bereich?

Da hatten wir einen exotischen Fall. Zu uns kam ein Mann, der sehr schmerzhaf­te Knötchen an Hand und Ellenbogen hatte. An der Uniklinik hatte man bei ihm Haut-Tuberkulos­e diagnostiz­iert. Er bat uns, die Infektions­ursache zu finden, denn im Raum standen als Quellen sein Forellente­ich oder sein Aquarium. Die Forellen konnten wir schnell freisprech­en, aber der Zitronensa­lmler, ein Zierfisch, hatte seine gelbe Farbe verloren – ein Zeichen dafür, dass er krank war. Der Fisch zeigte Veränderun­gen zum Beispiel auf der Leber. Das haben wir untersucht und Wassermyko­bakterien gefunden, Fischtuber­kulose also. Beim Menschen lösen die Bakterien eine Haut-Tuberkulos­e aus, die heilbar, aber langwierig ist. Der Mann hatte eine Fingerverl­etzung als er das Aquarium gereinigt hat. In einem solchen Fall ist es ratsam, Handschuhe zu tragen, denn Mykobakter­ien sind in Aquarien nicht selten.

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FOTO: PAULINA STUMM Amtsleiter Thomas Miller ( vorne) besucht Andreas Salditt, Leiter der Abteilung Molekularb­iologie, im Labor.

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