Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bundestag verabschiedet Antrag für Antisemitismus-Beauftragten
Die Linken enthalten sich, alle anderen stimmen zu – Präsident des Zentralrats der Juden lehnt Generalverdacht gegen Muslime ab
BERLIN (KNA) - Rund ein Dreivierteljahr nachdem der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus seine Empfehlungen vorgelegt hat, handelt der Bundestag: In einem am Donnerstag verabschiedeten Antrag setzt er sich dafür ein, einen Antisemitismus-Beauftragten zu benennen. Unklar ist noch, wo dessen Stelle angesiedelt werden soll.
In dem Antrag wird klar formuliert, dass sich der Bundestag gegen jede Form von Antisemitismus wendet. So heißt es dort, dass zahlreiche antisemitische Delikte „weiterhin rechtsextrem motiviert“seien. Neu sei ein durch „Zuwanderung verstärkter Antisemitismus aus den Ländern Nordafrikas, dem Nahen und Mittleren Osten“. Er finde sich aber in allen politischen Lagern.
Dem stimmten alle in der knapp einstündigen Debatte zu. Allein die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch wollte den Schwerpunkt anders setzen und betonte, es seien vor allem Muslime, die in diesen Zeiten antisemitische Straftaten begingen. Die nach ihr sprechenden Abgeordneten warfen ihr dann vor, „blind in die eigenen Reihen zu schauen“, wie es etwa der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert formulierte. Einige Redner, so die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese, erinnerten an den AfD-Politiker Björn Höcke und dessen Bezeichnung für das Holocaust-Mahnmal als „Mahnmal der Schande“.
Auch die AfD stimmt dafür
Zusammen mit Union, SPD, Grünen und FDP, die den Antrag vorgelegt hatten, stimmte auch die AfD dafür. Allein die Linke enthielt sich, weil, so begründete es deren Abgeordnete Petra Pau, sie gerne noch einige Maßnahmen etwas konkreter gefasst hätte. Und weil sie bedauerte, dass ihre Fraktion nicht von der Union eingeladen worden war, an dem Antrag mitzuwirken.
Zu den weiteren geplanten Maßnahmen in dem Antrag zählen etwa die bessere statistische Erfassung antisemitischer Vorfälle, die Strafbarkeit bei Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts über das Internet sowie aufenthaltsrechtliche Konsequenzen gegenüber Ausländern, die zu antisemitischem Hass aufrufen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte die Initiative bereits im Vorfeld als ersten wichtigen Schritt im Kampf gegen Antisemitismus begrüßt. Gleichzeitig betonte er: „Einen Generalverdacht gegen Muslime oder gar eine Instrumentalisierung des Themas, um diese religiöse Minderheit auszugrenzen, lehnen wir jedoch ausdrücklich ab.“
„Naiv und größenwahnsinnig“
Nicht zufrieden zeigte sich der streitbare deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn: Er sprach von einer „gut gemeinten, jedoch völlig naiven Bürokratenidee“. Das traurige Phänomen des Antisemitismus sei 3000 Jahre alt. Wenn irgendein Politiker meine, er könne ein so tief sitzendes menschheitliches Vorurteil durch die Einsetzung einer zusätzlichen Behörde beseitigen, dann sei das zwar sehr sympathisch, aber „eben auch völlig naiv – um nicht zu sagen größenwahnsinnig“.