Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Macrons Bildteppich-Zusage entzückt die Briten
Der französische Präsident verspricht beim Besuch in Großbritannien eine lang ersehnte Leihgabe – London zahlt mehr für Grenzsicherung
LONDON - Hilfe bei Militäreinsätzen und in der Flüchtlingskrise, vielfältiger kultureller Austausch – in betont herzlicher Atmosphäre und mit gegenseitigen Versprechen noch engerer Zusammenarbeit haben am Donnerstag die französischen und britischen Regierungen den Schulterschluss geprobt. Zum Besuch in der berühmten Militärakademie von Sandhurst hatte Präsident Emmanuel Macron nicht nur die wichtigsten Minister, sondern auch die Chefs seiner Geheimdienste mitgebracht. „Unsere starke Beziehung ist sowohl im Interesse unserer beider Länder wie auch Europas“, sagte Premierministerin Theresa May.
Bereits vorab hatte Macron seine Gastgeber mit der Zusage entzückt, sein Land werde erstmals den berühmten Bildteppich von Bayeux an Großbritannien ausleihen. Die
68 Meter lange und 52 Zentimeter hohe Stickarbeit aus dem Hochmittelalter zeigt die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm im Jahr 1066. Eifrig diskutierten britische Medien darüber, welches Kunstwerk die Insel umgekehrt über den Kanal schicken könne.
May hat auf jeden Fall einen Beitrag von 44,5 Millionen Pfund
(50,4 Millionen Euro) für die Grenzsicherung im nordfranzösischen Hafen Calais zugesichert. Dort haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder Tausende von Flüchtlingen versammelt, um auf illegalem Weg nach Großbritannien zu kommen. 2017 wurde ihre Zahl auf bis zu 10 000 geschätzt, derzeit halten sich rund 500 Menschen dort auf. Macron hatte die Region zu Wochenbeginn besucht und mehr Staatshilfe zugesagt.
Die demonstrative Anwesenheit der Geheimdienstchefs beider Seiten verweist auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung. Diesem Ziel dient auch die Entsendung britischer Chinook-Hubschrauber für die von Frankreich angeführte Militäroperation in Mali. Umgekehrt will sich Frankreich im kommenden Jahr am britischen Nato-Einsatz in Estland beteiligen.
Deutschland weniger wichtig
In Großbritannien gilt die Zusammenarbeit mit Macron, gerade in Brexit-Zeiten, als sehr wichtig. Konzentrierte sich Mays Vorgänger David Cameron noch auf sein Verhältnis zu Deutschland, wird Berlin derzeit auf der Insel als weniger wichtig eingestuft, nicht zuletzt wegen der schwierigen Regierungsbildung.
Dem überzeugten Pro-Europäer Macron wird nachgesagt, er habe wenig übrig für Großbritanniens Wunschvorstellung, nach dem EUAustritt praktisch unveränderte Handelsbeziehungen mit dem Kontinent zu genießen. May verspricht sich deshalb auch keine Wohltaten, sondern ein pragmatisches Interesse an zukünftiger enger Zusammenarbeit.
Misstrauisch beäugt wird allerdings auf der Insel das Interesse Frankreichs, möglichst viele seiner Bürger in die Heimat zurückzuholen, nicht zuletzt die Spezialisten der Finanzbranche. London ist der Bevölkerungszahl nach die sechstgrößte Stadt Frankreichs, das Volumen des gegenseitigen Handels wird auf 80 Milliarden Euro geschätzt.