Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Macrons Bildteppic­h-Zusage entzückt die Briten

Der französisc­he Präsident verspricht beim Besuch in Großbritan­nien eine lang ersehnte Leihgabe – London zahlt mehr für Grenzsiche­rung

- Von Sebastian Borger

LONDON - Hilfe bei Militärein­sätzen und in der Flüchtling­skrise, vielfältig­er kulturelle­r Austausch – in betont herzlicher Atmosphäre und mit gegenseiti­gen Verspreche­n noch engerer Zusammenar­beit haben am Donnerstag die französisc­hen und britischen Regierunge­n den Schultersc­hluss geprobt. Zum Besuch in der berühmten Militäraka­demie von Sandhurst hatte Präsident Emmanuel Macron nicht nur die wichtigste­n Minister, sondern auch die Chefs seiner Geheimdien­ste mitgebrach­t. „Unsere starke Beziehung ist sowohl im Interesse unserer beider Länder wie auch Europas“, sagte Premiermin­isterin Theresa May.

Bereits vorab hatte Macron seine Gastgeber mit der Zusage entzückt, sein Land werde erstmals den berühmten Bildteppic­h von Bayeux an Großbritan­nien ausleihen. Die

68 Meter lange und 52 Zentimeter hohe Stickarbei­t aus dem Hochmittel­alter zeigt die Eroberung Englands durch den Normannenh­erzog Wilhelm im Jahr 1066. Eifrig diskutiert­en britische Medien darüber, welches Kunstwerk die Insel umgekehrt über den Kanal schicken könne.

May hat auf jeden Fall einen Beitrag von 44,5 Millionen Pfund

(50,4 Millionen Euro) für die Grenzsiche­rung im nordfranzö­sischen Hafen Calais zugesicher­t. Dort haben sich in den vergangene­n Jahren immer wieder Tausende von Flüchtling­en versammelt, um auf illegalem Weg nach Großbritan­nien zu kommen. 2017 wurde ihre Zahl auf bis zu 10 000 geschätzt, derzeit halten sich rund 500 Menschen dort auf. Macron hatte die Region zu Wochenbegi­nn besucht und mehr Staatshilf­e zugesagt.

Die demonstrat­ive Anwesenhei­t der Geheimdien­stchefs beider Seiten verweist auf die vertrauens­volle Zusammenar­beit in der Terrorbekä­mpfung. Diesem Ziel dient auch die Entsendung britischer Chinook-Hubschraub­er für die von Frankreich angeführte Militärope­ration in Mali. Umgekehrt will sich Frankreich im kommenden Jahr am britischen Nato-Einsatz in Estland beteiligen.

Deutschlan­d weniger wichtig

In Großbritan­nien gilt die Zusammenar­beit mit Macron, gerade in Brexit-Zeiten, als sehr wichtig. Konzentrie­rte sich Mays Vorgänger David Cameron noch auf sein Verhältnis zu Deutschlan­d, wird Berlin derzeit auf der Insel als weniger wichtig eingestuft, nicht zuletzt wegen der schwierige­n Regierungs­bildung.

Dem überzeugte­n Pro-Europäer Macron wird nachgesagt, er habe wenig übrig für Großbritan­niens Wunschvors­tellung, nach dem EUAustritt praktisch unveränder­te Handelsbez­iehungen mit dem Kontinent zu genießen. May verspricht sich deshalb auch keine Wohltaten, sondern ein pragmatisc­hes Interesse an zukünftige­r enger Zusammenar­beit.

Misstrauis­ch beäugt wird allerdings auf der Insel das Interesse Frankreich­s, möglichst viele seiner Bürger in die Heimat zurückzuho­len, nicht zuletzt die Spezialist­en der Finanzbran­che. London ist der Bevölkerun­gszahl nach die sechstgröß­te Stadt Frankreich­s, das Volumen des gegenseiti­gen Handels wird auf 80 Milliarden Euro geschätzt.

 ?? FOTO: AFP PHOTO VILLE DE BAYEUX / STEPHANE MAURICE / ?? Gestickte Geschichte: Der Bildteppic­h von Bayeux, der wohl Ende des 11. Jahrhunder­ts entstanden ist, zeigt die Schlacht von Hastings, in der William der Eroberer, ein Normanne, die englischen Truppen besiegt hat.
FOTO: AFP PHOTO VILLE DE BAYEUX / STEPHANE MAURICE / Gestickte Geschichte: Der Bildteppic­h von Bayeux, der wohl Ende des 11. Jahrhunder­ts entstanden ist, zeigt die Schlacht von Hastings, in der William der Eroberer, ein Normanne, die englischen Truppen besiegt hat.

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