Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Vertrauen muss sich jeder Berater erst erarbeiten“
Regionaldirektor Karl Miller geht nach 46 Jahren bei der Kreissparkasse in den Ruhestand
MENGEN - Dass Karl Miller in die Bankenbranche eingestiegen ist, hat er einer Rot-Grün-Schwäche zu verdanken. Die disqualifizierte ihn nämlich für seinen Traumberuf als Polizist. Nach 46 Jahren bei der Hohenzollerischen Landesbank Kreissparkasse geht Karl Miller nun in den Ruhestand. „Ich habe gar nicht mehr darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen und meine eher spontane Entscheidung, zur Bank zu gehen, nie bereut“, sagt der 63-Jährige, der seit 2012 Regionaldirektor für den Bereich Mengen, Hohentengen und Scheer ist.
Als er nach dreijähriger Ausbildungszeit in Sigmaringen und dem Grundwehrdienst bei der Bundeswehr 1976 nach Gammertingen kam, gab es in den meisten Ortschaften noch Filialen von Sparkasse und Volksbank. „Weil damals noch alle Kreditinstitute dieselben Konditionen hatten, fiel die Entscheidung der Kunden für eine Bank oft nach ihrer Sympathie für die jeweiligen Angestellten oder wen sie aus dem Sportverein kannten“, sagt Karl Miller. Für die Bankangestellten galt Residenzpflicht und wer gut vernetzt war, genoss entsprechendes Ansehen.
In die Augen schauen können
Für Miller, der aus Langenenslingen stammt, wurde Gammertingen zur neuen Heimat. Nachdem er den Sparkassenbetriebswirt gemacht hatte, war er als Innenbetriebsleiter für die organisatorischen Abläufe zuständig. Gleichzeitig pflegte er als Kundenbetreuer den Kontakt zu den Menschen. „Das Vertrauen der Kunden zum Berater ist bei uns das A und O“, sagt er. „Dieses Vertrauensverhältnis muss aber erst aufgebaut werden und darf nicht missbraucht werden.“Er selbst habe immer nach der Devise gearbeitet, dass er auch einmal die Kinder seiner Kunden beraten möchte und allen noch in die Augen schauen können will, wenn er ihnen auf der Straße begegnet.
Während Miller dieser Arbeitsauffassung als Hauptzweigstellenleiter in Bingen (1991 bis 2000) und Leiter im Privatkundenbereich in Mengen (2000 bis 2011) treu blieb, haben sich die Rahmenbedingungen, unter denen er arbeitete, mehrfach einschneidend verändert. „Als ich angefangen habe, gab es beispielsweise im Ortsteil Mariaberg noch eine so genannte Wohnzimmerfiliale“, sagt er. Diese von Einwohnern eines Ortsteils nebenberuflich betriebene Filiale hätte nur wenige Stunden in der Woche zum Zweck des Geldeinzahlens oder Überweisens geöffnet gehabt. „Die besten Zeiten waren da meist sonntags nach der Kirche“, erinnert Miller sich.
Beim Jahresabschluss hatten sämtliche Mitarbeiter Urlaubssperre, auch an Silvester wurde selbstverständlich gearbeitet. „Heute ist das kein großer Arbeitsaufwand mehr“, sagt Miller. Geradezu „Bauklötze gestaunt“habe er, als die ersten Computer Einzug in die Bankfilialen hielten und elektrische Schreibmaschinen ablösten. „Ich dachte, das kapiere ich in 100 Jahren nicht.“Jeder Schritt der Digitalisierung sei von einer gewissen Angst begleitet gewesen. „Aber am Ende muss man sich diesen Herausforderungen stellen.“
Euroumstellung war spannend
In guter Erinnerung wird er die spannende Zeit der Umstellung auf den Euro, Ausflüge und Feste mit den Bankmitarbeitern und die Dorfabende behalten, die die Landesbank zum 150-jährigen Bestehen für die Einwohner und Vereine auf die Beine gestellt hat. „Einen Banküberfall habe ich zum Glück in all den Jahren nicht persönlich erlebt.“
Als Regionaldirektor habe er sich erst daran gewöhnen müssen, dass er zu vielen Veranstaltungen im Stadtgeschehen nun als Repräsentant der Landesbank geladen wurde. „Da muss man erst hineinwachsen, aber ich habe das sehr genossen“, sagt er. „Auf diese Weise habe ich Einblicke in Bereiche und Kontakte zu Menschen bekommen, die ich sonst nie kennengelernt hätte.“Auch die Arbeit im Ausschuss des Mengener Gewerbevereins und als stellvertretender Vorsitzender der Bürgerstiftung sei für ihn sehr interessant gewesen. Die Renovierung der Geschäftsräume in Mengen hat Miller noch mit angestoßen, wird aber selbst nicht mehr in den neuen Räumen arbeiten.
Mit seiner Frau wohnt Karl Miller in Bingen, seine beiden erwachsenen Töchter studieren Wirtschaftschemie und Psychologie. „Ich bin froh, dass ich in den Ruhestand gehen kann, solange ich noch fit und gesund bin“, sagt er. Er will die neu gewonnene Zeit vor allem für sportliche Aktivitäten nutzen. „Das kam in den letzten Jahren zu kurz. Jetzt will ich mehr radfahren, joggen, schwimmen und skifahren“, kündigt er an. Im Haus und Garten gäbe es einiges zu tun. „Mein großer Traum ist es aber, mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok zu fahren“, verrät er.