Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mehr Zeit für Pflege oder eine Auszeit
Kirchliche Sozialstationen wollen mit Lebenszeitwertkonten Fachkräftemangel begegnen
KREIS SIGMARINGEN (sz) - Der Fachkräftemangel macht sich auch in der Pflege bemerkbar, weshalb viele Träger der Altenhilfe versuchen, mit neuen Ideen entgegenzusteuern. Bei den kirchlichen Sozialstationen im Dekanat Sigmaringen-Meßkirch heißt eine neue Möglichkeit „Caritas-Flex-Konto“, heißt es in einer Pressemitteilung. Dahinter verbirgt sich ein Lebensarbeitszeitmodell, das Arbeits- und Privatleben in Einklang bringen soll. Rund 250 Angestellte der katholischen Sozialstationen Meßkirch, Sigmaringen, Gammertingen und Pfullendorf trafen sich nun im Festsaal von Schloss Meßkirch, um sich zu informieren.
Als Experte war Harald Röder eingeladen. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der deutschen Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeitmodelle (DBZWK). „Wir wollen ihnen ein Instrument an die Hand geben, das auch für alle machbar ist – für die Mitarbeitenden und den Arbeitgeber“, sagte der Wirtschaftsredakteur und Autor. 2,9 Millionen Menschen sind in Deutschland auf Pflege angewiesen, davon 70 Prozent im häuslichen Bereich. Die Mitarbeitenden, die sich um ihre pflegebedürftigen Familienangehörigen kümmern müssen, suchen nach Möglichkeiten, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Wie das aussehen kann, das hat man in der Sozialstation zusammen mit der Mitarbeitervertretung in dem Modell „Caritas-FlexKonto“zusammengefasst.
Als Einbringungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden gehören vermögenswirksame Leistungen, Sonderzahlungen und natürlich das reguläre Gehalt ebenso dazu, wie die Möglichkeit, ohne Abschlag früher in Rente zu gehen, ein Sabbatjahr einzulegen, mehr Zeit für die Pflege von Angehörigen zu haben oder eine Familienauszeit zu nehmen. „Eine Art Zeit-Sparbuch“, wie Röder deutlich machte. Jeder Mitarbeitende soll die Möglichkeit erhalten, beliebige Bestandteile seines Gehaltes in einer von ihm festgelegten Höhe in ein in Geldwert geführtes Zeitkonto einzubringen. Steuern und Sozialabgaben werden erst fällig, wenn das Guthaben in Anspruch genommen wird.
„Eine Art Zeitsparbuch“, erklärt Harald Röder von der deutschen Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeitmodelle.
Dass die Arbeitszeitkonten Schutz vor einer Unternehmensinsolvenz genießen, ist für Verwaltungsleiter Ulrich Wichert, der im Vorstand der Sozialstationen den kaufmännischen Part übernimmt, selbstverständlich. „Wir haben für die Entwicklung des Modells auch viel Zeit und Geld investiert und mit der Mitarbeitervertretung eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen“, macht er deutlich. Eine extra ins Leben gerufene Projektgruppe habe sich sehr viele Gedanken gemacht, wie man dem früher oder später drohenden Pflegenotstand begegnen kann. „Das war auch dringend notwendig. Denn die Gefahr, dass Menschen nicht mehr versorgt werden können, weil das Personal fehlt, die wird irgendwann Realität werden“, so Wichert.
Flexibilität ist oberstes Gebot beim Caritas-Flex-Konto. Der Mitarbeitende kann Zeit entnehmen, wenn er diese braucht. „Das klingt alles etwas kompliziert, aber wenn man sich intensiver damit beschäftigt, dann wird man schnell merken, dass es sich hier um ein Instrument handelt, das für alle Lebenslagen hilfreich sein kann“, stellt Harald Röder fest. Auch wer aus gesundheitlichen Gründen früher in den Ruhestand gehen wolle, sei mit „CaritasFlex“bestens bedient. Bei der Veranstaltung in Meßkirch wurde das Beratungsangebot gleich sehr rege in Anspruch genommen. „Ich bin gespannt, wie viele unserer Mitarbeitenden sich für das Lebensarbeitszeitmodell begeistern können“, stellte Vorstandsmitglied Sabine Feig fest.