Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Spitze Zungen, schrille Kostüme
Vetter Guser gibt einen Querschnitt durch die Programme der letzten Jahre.
SEMERENGA - Schon das Entree der Sigmaringer Fasnetszunft Vetter Guser ließ an Farbenpracht, Kostümvielfalt, Lautstärke und Bühnenpräsenz keine Wünsche offen. Ein dreifaches „Nauf auf’d Stang“beendete das Defilee der Gruppen und ließ Zunftmeister Hartwig Mahlke zu seiner Begrüßung ansetzen. Ein zweites „Nauf auf ’d Stang“leitete den „Nausmarsch“ein und gab die Bühne frei für die folgenden vier Stunden prall gefülltes Programm.
Während die Bigband Skyline von der Empore herab die Pausen zwischen den einzelnen Nummern mit gängigen Fasnetsmelodien füllte, strukturierte Nummerngirl Lena Zielke den Programmverlauf. Zu einer Krisensitzung versammelten sich vom Auseliga bis zum Fasnetsdienstag die närrischen Tage und plusterten sich ob ihrer Wichtigkeit in einer Talkrunde auf. Dem Ganzen bereitete der hinzukommende Aschermittwoch ein Ende, denn „wenn ich da bin, goht’s wieder dagega“.
Die Braunen Fledermäuse überließen nun Putzfrau Martina Bender und Elisabeth Köster die Bühne, die beim Stöbern auf dem Dachboden alte Zeiten aufleben ließen. Mit Körpern in Schlauchanzügen, tanzenden Afrikanern mit erlegtem Plüschtier, einer Primaballerina und weißgeschminkten Vampiren knüpften sie gemäß dem Motto des Abends „Erinnern Sie sich?“an die vielen glanzvollen Vetter-Guser-Abende vergangener Jahre an.
Im Outfit der Biene Maja schilderte anschließend Drohne Andrea Huthmacher ihre Sicht der Dinge. Sie begann mit einem Lamento über den geplanten Knabenchor und plädierte für einen Mädchenchor. Mit erhobenem Zeigefinger wetterte Huthmacher zudem gegen die Internetkäufer, die zwar den Paketrücknahmestellen Rekordumsätze bescheren, aber beim Ausverkauf der Firma Boos zu Schnäppchenjägern mutierten.
Dass bei der Eröffnung der Schustergasse 1, einem Treffpunkt des Seniorenforums, Thomas Schärer mit seinem Satz „Man hat Geld auch schon dümmer investiert“voll danebengegriffen hatte, musste sich der Bürgermeister ebenso anhören wie anschließend die Stadträte den Vorwurf der „Gutachteritis“in Ermangelung eigener Ideen.
Auch der Redaktionsleiter der „Schwäbischen Zeitung“, Michael Hescheler, bekam sein Fett weg. Den übervollen Klingelbeutel an Heiligabend hatte er nicht im Griff, was ihn zu hektischen Aktionen unter den Bänken veranlasste, bis auch der letzte Cent wieder eingesammelt war. Dass der Hund von Kooperator Liviu Jitianu zum Klingelbeuteltragen abgerichtet werden soll, damit so etwas nicht mehr vorkomme, beantwortete das amüsierte Publikum mit lautem „Uihjuijui“und „Aujauau“.
Nach den Rundumschlägen der Drohne übernahmen die jungen Wilden die Bühne und tanzten zu weltbekannten Ohrwürmern aus den 90er-Jahren. In eine andere Rolle schlüpfe anschließend der Narrenrat bei seiner höchst amüsanten Märcheninszenierung. Danach steuerte der Spielmanns- und Fanfarenzug durchaus passend in Sträflingskleidung mit dem Jailhouse Rock auf einen musikalischen Höhepunkt des Abends zu.
Der mehr gehaucht als gesungene Erotikhit Je t’aime inspirierte das auch im echten Leben verehelichte Paar Elisabeth und Frank Köster zu einem Ehedisput im hochkant aufgestellten Ehebett. Lockenwickler, Schlafmütze, Wärmflasche und Heizdecke bedienten die Klaviatur der nächtlichen Auseinandersetzung, die mit einem langen Kuss zu einem guten Ende hinauslief.
Für Lacher und Beifall ohne Ende sorgten anschließend Miss Vetter Gusi (Johannes Bach) und sein Butler (Lukas Eichelmann) mit ihrer Interpretation von Dinner for One. Nur kleine Nuancen, wie das Plüschtier anstelle eines Tigerfells, die Bockmilch als letztem Getränk und dem fehlenden Geländer an der nach oben führenden Treppe, wichen vom Original ab.
Blick aufs Stadtgeschehen
Das Semeringer Allerlei in Nikolausmützen widmete sich in ihrem Programmpunkt noch einmal dem Stadtgeschehen. An Klaus Burger gewandt riet ihm das Semeringer Allerlei, falls es nach der nächsten Wahl zu keinem Mandat mehr reiche, ein weiteres Kochbuch zu schreiben.
Mit einem Lied für Sandi Speh, der entscheidenden Figur der Semeringer Fasnet, die ihr jahrelanges Engagement als Regisseurin der Vetter Guser Abende beendete, überließ das Sigmaringer Allerlei die Bühne der Zunfttanzgruppe, die in ihren schicken Stewardess-Uniformen nach Jazz- und Boogie-WoogieRhythmen tanzten, was der Takt hergab. Schließlich erklärte der Narrenrat in origineller Verkleidung nach der Musik des Songs YMCA und unter der Regie des Oberindianers Hartwig Mahlke den offiziellen Vetter-Guser-Abend für beendet.