Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der „Bachdoktor“geht in Rente
Nach gesundheitlichem Problem verschreibt Manfred Schweigart sich den Ruhestand
OSTRACH - Eigentlich wollte Manfred Schweigart erst Ende September seine praktische Arbeit als Hausarzt beenden. „Aber im November haben mich gesundheitliche Probleme überrascht, und da habe ich mir gedacht, jetzt reicht es“, sagt der 67Jährige. 35 Jahre lang war der unter Patienten auch als „Bachdoktor“bekannte Schweigart somit niedergelassener Arzt in Ostrach.
Nach dem Abitur in Bad Saulgau leistete Schweigart seinen Militärdienst. „Damals entstand auch mein Interesse an einem Medizinstudium, das dann in Ulm und München folgte“, sagt er. Nach dem Abschluss 1978 startete die vierjährige Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner in Kempten und Pfullendorf. „Das war damals noch relativ neu, und ich fand das Leben als Landarzt auch ganz reizvoll“, erinnert sich Schweigart.
1982 klappte es direkt mit einer eigenen Praxis in Ostrach. Wie der Beiname „Bachdoktor“entstanden ist, weiß Schweigart nicht mehr. „Aber es liegt vermutlich ganz einfach an der Nähe zur Ostrach.“
Früher mehr Zeit für den einzelnen Patienten
In den 35 Jahren hat der Praxisalltag sich stark gewandelt, schließlich sind ganz neue Untersuchungsmethoden hinzugekommen. Zwar muss der Allgemeinmediziner diese nicht alle anwenden, aber über sie Bescheid wissen. „Wir sind schließlich diejenigen, die die Patienten gegebenenfalls an einen Fachmann weiterleiten müssen“, erklärt Schweigart. Seine Erfahrung aus der Praxis: Nicht zu viel Angst haben, aber auch nicht zu wenig. Gewissenhaftigkeit sei enorm wichtig und ein Gefühl für den jeweiligen Patienten zu bekommen. „Dafür hatten wir früher auch noch viel mehr Zeit. Oft beklagen Patienten, dass sie heutzutage einfach abgefertigt würden.“Das sei natürlich bedauerlich, aber auch dem stark gestiegenen Arbeitsaufwand geschuldet. Als er 1982 in Ostrach anfing, gab es zwei Praxen im Ort, später kam noch eine dritte hinzu. Damit war auch die Konkurrenz um den Patienten groß. Die Wochenenddienste teilten sich sechs Mediziner für die Gebiete Ostrach und Krauchenwies.
Heute sieht der Alltag der Mediziner anders aus. „Durch Praxisschließungen ist die Zahl der Patienten stark gestiegen. Das kann zur Belastung werden“, sagt Schweigart. Auch für den Notdienst sind die Gebiete sehr viel größer geworden, die Bindung zum eigentlichen Patienten viel schwächer. Hausbesuche gehörten in seiner Anfangszeit noch fest zum Alltag. „Das wollen viele junge Kollegen heute aber nicht mehr, weil es natürlich viel Zeit kostet und betriebswirtschaftlich tatsächlich Unsinn ist.“Dennoch habe er es immer gerne gemacht, weil es für die Arbeit oft wertvoll gewesen sei, den Patienten in seinem Lebensumfeld zu sehen.
Gewandelt hat sich auch die Bereitschaft der Medizinstudenten, den Weg in die Allgemeinmedizin zu gehen. Der Beruf des Landarztes werde als wenig attraktiv dargestellt. „Außerdem sind 60 Prozent der Mediziner mittlerweile Frauen, von denen viele nicht Vollzeit arbeiten möchten.“Eine Lösung sei für ihn das Modell der Gemeinschaftspraxis, das er auch in seinen eigenen Räumen schließlich umgesetzt hat. Die Telemedizin sieht er mit gemischten Gefühlen. „Ein Teil des Praxisalltags lässt sich dadurch sicher abdecken. Aber es muss ein erfahrener Mediziner sein, sonst könnte der Arzt schnell etwas übersehen.“
Den Beruf des Mediziners würde der 67-Jährige jederzeit wieder ergreifen, konnte auch seinen Sohn dafür begeistern. „Ich erwarte aber nicht, dass der wieder nach Ostrach kommt, um hier in meine Fußstapfen zu treten“, sagt Schweigart. Und er selbst möchte nun vor allem eins: die Freizeit einfach genießen.