Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Sophie Fischer hat schon manche Prüfung überstanden
Einblicke in eine Zeit, die Durchhaltewillen verlangte – Ein Porträt
ETTISWEILER - Sophie Fischer aus Ettisweiler hat in ihren 86 Lebensjahren so manche Prüfung überstanden. Heute ist es ihr eine große Freude, gemeinsam mit ihrer Freundin aus Kindertagen, Agathe Stadler, jährlich am Dreikönigstag Menschen mit einer ganz einfach gestalteten und doch Emotionen weckenden Andacht in der St. Georg-Kapelle eine Freude zu bereiten. Ein Porträt.
Auf die Frage, welche Zeit sie aus heutiger Sicht am schönsten in ihrem Leben fand, antwortet sie spontan gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“: „Heute“. Damit meint sie die Zeit, die sie mit ihrem Mann Josef nun im Ruhestand verbringt. Die Antwort mag manche überraschen, werden doch oft auch die Jahre des ersten oder zweiten Lebensabschnitts als die „schönsten“bezeichnet.
Sofia Fischer bleibt bei ihrem „Heute“– sie müsse über ihr bisheriges Leben sprechen, damit man ihre Antwort verstehen könne. Ihre Eltern kauften nach ihrer Heirat ein einfaches Anwesen am Ortsrand von Göggingen, die sogenannte Rohrmühle. Sie war das fünfte von sechs Kindern. 20 Jahre lang war die Familie nicht an das Stromnetz angeschlossen. „Wir benutzten Petroleumlampen, Kerzen und dann kriegsbedingt Karbitlampen“, sagt sie. Für einen Kindergartenplatz hatten die Eltern kein Geld. Dass die Eltern erst sieben Jahre nach dem Tod des Sohnes Gewissheit über dessen Schicksal im Krieg erhielten, habe ihren Vater verzweifeln lassen.
Kontakte zur Gögginger Bevölkerung gab es kaum. „Die da unte han ja koi Elektrisch“musste sie als Kind und Jugendliche öfter hören. Da Göggingen in einem Flugkorridor alliierter Bomber lag, hat sie die Bomberverbände nicht nur hoch am Himmel sehen können, es kam auch nahe Göggingen zu Abwürfen. „Als im Jahr 1945 gleich 13 Bomben im Schlossbühl einschlugen und dann noch acht Brandbomben im Bahnwärterhaus 500 Meter von uns entfernt, hatten wir Kinder große Angst.“
Nach dem Schulabschluss verdiente sie etwas Geld mit Pflanzensetzen im Wald, dann Seegrasrupfen und später Nageln von Obst- und Motorenkisten bei der Firma Harzmann. „Weil ich Geschick beim Bau von Vorrichtungen hatte, erhielt ich am Ende ein Zeugnis als Facharbeiterin“. Rund 45 Pfennig gab es die Stunde bei einer Sechstage-Woche. Die erste Torte ihres Lebens spendierte ihr Chef „auf einer sonntäglichen Fahrt nach Reutlingen“. Dass Jugendliche auch samstags, oder in ihrem Fall wegen der Arbeit auch mal sonntags nicht in der Kirche waren, bemängelte der Pfarrer von der Kanzel herab. „Damit waren ich und meine Freundin gemeint“, sagt sie.
Die „weite Welt“war arbeitsreich
1953 verließ sie Göggingen und nahm Stellen in der Gastronomie an. Zuerst im Schwarzwald, wo gutverdienende Bürger ihr Wochenende verbrachten. „Das war zuerst sehr hart. Ich musste alles machen, hatte aber erst mal keine Ahnung. Hinzu kam Heimweh. Aber am Ende war ich es, die alles im Griff hatte. Das hat mir Spaß gemacht. Ich war die Chefin.“
Eine Wirtin in Meersburg honorierte ihr bei einem halben freien Tag pro Woche das Schuften mit 700 DM im Monat. Triberg, Meßkirch und schließlich der Adler in Göggingen waren weitere Stationen. Ihren späteren Mann Josef Fischer lernte sie
1958 bei der Fasnet in der Gögginger Linde kennen. Bis der aber das Hoferbe in Ettisweiler antreten konnte, vergingen noch ein paar Jahre. 1962 wurde geheiratet. Da wurde sie erst einmal „Meisterin im Erdäpfellesen“und die Schwiegereltern waren, wie überall, auch zu pflegen.
Alles, was sie bis dahin gelernt hatte, habe ihr als Frau eines Landwirts geholfen. Drei Kinder, von denen eines den Hof übernahm, und Enkel, ließen verheißungsvoll in die Zukunft blicken. Erst nachdem sie das 60. Lebensjahr erreicht hatte, stellten sich schwere Krankheiten ein. Aber so leicht gibt sie nicht auf.
Auch weil sie und ihr Mann nun frei jeder Sorge und schwerer Arbeit sind, sei der dritte Lebensabschnitt der „schönste“.