Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Krimi um Globuskarte
Restaurator hatte wohl bei Fälschung Hände im Spiel
MÜNCHEN (dpa) - Die Geschichte liest sich wie ein Thriller des Da-Vinci-Code-Autors Dan Brown. Die Bayerische Staatsbibliothek in München erwirbt einen vermeintlich echten Schatz: ein Exemplar der historischen Waldseemüllerkarte, berühmt dafür, dass auf ihr erstmals der Name „America“verwendet wird. Eingebunden ist sie in einen Druck aus dem Jahr 1486, der zahlreiche weitere Karten enthält. Jahre später taucht bei dem Auktionshaus Christie’s in London eine Fälschung der Karte auf – und so prüft auch die Staatsbibliothek ihr Exemplar. Nach einer materialwissenschaftlichen Untersuchung fliegt der Schwindel auf. Auch dieses Dokument ist eine Kopie des Exemplars der University of Minnesota in den USA – entstanden nicht im Jahr 1507, sondern wohl vor 1960.
Professionelle Kopie
Wer sie angefertigt hat, ist ein Rätsel. Doch es gibt zumindest eine Theorie. Vermutlich sei die Fälschung das Werk eines „klugen Restaurators“, sagte der Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, Klaus Ceynowa am Freitag. Diesen Schluss ließen die hohe Professionalität zu, mit der die Kopie angefertigt worden sei, und die Tatsache, dass sie in dem Frühdruck, einer sogenannten Inkunabel, eingebunden war. Dieses Vorgehen sei früher nicht unüblich gewesen, erklärte Ceynowa. „Daher war das für uns ein Echtheitsindiz.“Der Missetäter sei geschickt vorgegangen, die Kopie nachträglich in das Buch einzufügen.
Die Waldseemüllerkarte gilt als „Geburtsurkunde“Amerikas, weil der neu entdeckte Kontinent dort erstmals unter der Bezeichnung „America“auftaucht. Erstellt wurde sie von dem Freiburger Kartografen Martin Waldseemüller (1470-1522). Von der berühmten Weltkarte gibt es nur noch eine große Variante und mehrere sogenannte Segmentkarten, die sich zu einem Globus falten lassen – eine davon hatte die Bayerische Staatsbibliothek in ihrem Besitz geglaubt. Sie hatte den Druck 1990 für zwei Millionen D-Mark erstanden.
Jetzt gibt es noch vier originale Globensegmentkarten weltweit – eine davon in der Universitätsbibliothek der LMU in München und eine zweite in der Historischen Bibliothek in Offenburg. Dort herrscht trotz der Neuigkeiten aus Bayern Gelassenheit. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Karte echt ist“, so Oberbürgermeisterin Edith Schreiner in einer ersten Stellungnahme vom Freitag. Um auf Nummer sicher zu gehen, werde die Karte allerdings erneut überprüft.
Auch Klaus-Rainer Brintzinger, Direktor der Universitätsbibliothek in München, kann eine Fälschung „mit relativ hoher Sicherheit“ausschließen. Zum einen sei die Karte ohnehin ein Unikat, weil sie mit keiner anderen exakt übereinstimme. „Daher kann sie von keiner anderen Karte kopiert worden sein.“Zum anderen ließe das Wasserzeichen auf dem Papier das Dokument relativ genau datieren – auf einen Zeitraum zwischen 1500 und 1510.