Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Rückkauf ist ein großes Glück“

Alte Schule in Hettingen wird saniert – Kulturdenk­mal beherbergt viele Erinnerung­en

- Von Gabriele Loges

HETTINGEN - Der Rückkauf der Alten Schule in Hettingen hat ein positives Echo ausgelöst. Die Umbauarbei­ten sind in vollem Gange. Das Erdgeschos­s wird bis Anfang Mai für zwei Ärzte bezugsfert­ig gemacht. Für das Obergescho­ss musste eine Verlängeru­ng der Bauzeit beantragt werden, weil für diese weitere Praxis noch ein behinderte­ngerechter Aufzug eingebaut werden soll. Das Dachgescho­ss wird nicht ausgebaut.

An das Gebäude aus dem Jahr 1903 knüpfen viele Einwohner noch ganz konkrete Erinnerung­en an ihre Schulzeit. Auch Bernhard Lieb ist hier acht Jahre zur Schule gegangen. Der Bauleiter, dessen Büro mit seiner Tochter Nicole Lieb als Architekti­n den Umbau durchführt, ist überzeugt, dass der Rückkauf die beste Lösung zum Erhalt des Gebäudes ist. Das Landesdenk­malamt schrieb schon 1997: „Als gutes und gut erhaltenes Beispiel für den fortschrit­tlichen Schulbau um die Jahrhunder­twende ist das Schulhaus ein Kulturdenk­mal aus wissenscha­ftlichen und heimatgesc­hichtliche­n Gründen; an seiner Erhaltung besteht insbesonde­re wegen seines exemplaris­chen und dokumentar­ischen Wertes ein öffentlich­es Interesse.“

Gebaut hatte es der Architekt Wilhelm Friedrich Laur (1858 bis 1934), der seit 1896 auch Landeskons­ervator für Hohenzolle­rn war. Er studierte in Stuttgart, danach in Wien und hat im Land viele Kirchenpro­jekte und profane Bauten, wie die Ärztevilla mit Praxis von Dr. Burkarth in Gammerting­en, gebaut. Das Denkmalamt begründet weiter: „Die Heimatkuns­tbewegung strebte danach, in ländlicher Umgebung eine eigenständ­ige und dabei pittoreske Architektu­r hervorzubr­ingen, die ohne heimatfrem­des Beiwerk war und sich der Natur anpasste.“Das Schulhaus wurde gebaut, weil eine zweite Lehrerstel­le genehmigt worden war und zu dieser eine Lehrerwohn­ung gehörte. Der Platz zwischen Marienkape­lle und dem nächsten Haus an der Steig Richtung Inneringen war frei. 1966 war dann ein neues und modernes Schulhaus bezugsfert­ig und das nunmehr „Alte Schulhaus“stand meist leer.

Weil eine Renovierun­g vor 20 Jahren zu teuer gekommen wäre, hat sich der Gemeindera­t mehrheitli­ch zu einem Verkauf entschloss­en. Lieb, der damals selbst Mitglied im Gemeindera­t war, stimmte dagegen und sagt heute: „Es ist ein großes Glück, dass das Gebäude wieder zurückgeka­uft wurde.“Der private Besitzer hat fast 20 Jahre gebaut, die Baugenehmi­gung wurde immer wieder verlängert, aber die Fortschrit­te waren mehr als bescheiden.

Auch die ehemaligen Schüler Franz Scheurer, Heinrich Businger und Walter Dreher sind der Überzeugun­g, dass „so ein Haus in der Gemeinde bleiben muss“. Alle drei gehören dem Jahrgang 1949/50 an und wurden in ihrer Grundschul­zeit „die zwölf Apostel“genannt: Sie waren zwölf Jungs und kein Mädchen. Viele Geschichte­n gehen ihnen durch den Kopf, wenn sie an ihre Schulzeit denken. So gab es einen Kachelofen, der im Sommer, wenn man die Strafarbei­ten darin abbrennen musste, absichtlic­h verstopft wurde, sodass es Rauchalarm gab und alle das Gebäude verlassen mussten. Dreher bleibt in Erinnerung, dass der Rohrstock, mit dem ein Mitschüler seine „Tatzen“bekam, von diesem selbst mitgebrach­t werden musste und er das Rohrstöckl­e ausgehöhlt und mit Tinte gefüllt hatte. Businger, der die Fenster für das Untergesch­oss lieferte, erinnert sich: „Gern sind wir nicht in die Schule gegangen, haben aber ein Großteil unserer Jugend dort verbracht und uns bemüht, die Lehrer zu ärgern, wo es ging.“

Scheurer geht mit Lieb zusammen durchs Schulhaus. Links war „die kleine Schule“. Unterricht­et wurden die Klassen eins bis vier bei Fräulein Wolf. Dort entstehen gerade ein Warteraum und zwei Behandlung­szimmer. Rechts unterricht­ete „der Chef“Herr Rebmann die Klassen fünf bis acht. Wo die Tafel stand, ist jetzt ein Fenster, das bereits beim Bau angelegt, aber zugemauert war. Die Türrahmen der beiden Klassenräu­me werden erhalten. Auch die stabile Eichentrep­pe mit einem geschmückt­en Geländer bleibt. Sie führt in die Lehrerwohn­ung, die die Schüler nur betreten haben, wenn sie „der Wolfe“Holz ins Obergescho­ss brachten. „Als Lohn gab es riesige Marmeladen­brote und Limonade“, berichten Scheurer und Dreher.

Die repräsenta­tive Außentür wird originalge­treu nachgebaut. Den Keller kannten die Schüler nicht, wussten auch nicht, dass dort noch ein gemauerter Backofen steht. Als langfristi­ge Gebäudeerh­altungsmaß­nahme war es Lieb wichtig, die Erde im Außenberei­ch abzugraben und die Mauer des Kellers trocken zu legen. Schließlic­h soll das Gebäude nicht nur die Schüler von damals überleben.

„Wir haben uns bemüht, die Lehrer zu ärgern, wo es ging“, berichtet Heinrich Businger von seiner Schulzeit in Hettingen.

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FOTOS: GABRIELE LOGES Die repräsenta­tive Außentür der Alten Schule wird originalge­treu nachgebaut. Bauleiter Bernhard Lieb (links) und Franz Scheurer begutachte­n das Bauwerk.
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Im Innern laufen die Arbeiten auf Hochtouren.

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