Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Rückkauf ist ein großes Glück“
Alte Schule in Hettingen wird saniert – Kulturdenkmal beherbergt viele Erinnerungen
HETTINGEN - Der Rückkauf der Alten Schule in Hettingen hat ein positives Echo ausgelöst. Die Umbauarbeiten sind in vollem Gange. Das Erdgeschoss wird bis Anfang Mai für zwei Ärzte bezugsfertig gemacht. Für das Obergeschoss musste eine Verlängerung der Bauzeit beantragt werden, weil für diese weitere Praxis noch ein behindertengerechter Aufzug eingebaut werden soll. Das Dachgeschoss wird nicht ausgebaut.
An das Gebäude aus dem Jahr 1903 knüpfen viele Einwohner noch ganz konkrete Erinnerungen an ihre Schulzeit. Auch Bernhard Lieb ist hier acht Jahre zur Schule gegangen. Der Bauleiter, dessen Büro mit seiner Tochter Nicole Lieb als Architektin den Umbau durchführt, ist überzeugt, dass der Rückkauf die beste Lösung zum Erhalt des Gebäudes ist. Das Landesdenkmalamt schrieb schon 1997: „Als gutes und gut erhaltenes Beispiel für den fortschrittlichen Schulbau um die Jahrhundertwende ist das Schulhaus ein Kulturdenkmal aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen; an seiner Erhaltung besteht insbesondere wegen seines exemplarischen und dokumentarischen Wertes ein öffentliches Interesse.“
Gebaut hatte es der Architekt Wilhelm Friedrich Laur (1858 bis 1934), der seit 1896 auch Landeskonservator für Hohenzollern war. Er studierte in Stuttgart, danach in Wien und hat im Land viele Kirchenprojekte und profane Bauten, wie die Ärztevilla mit Praxis von Dr. Burkarth in Gammertingen, gebaut. Das Denkmalamt begründet weiter: „Die Heimatkunstbewegung strebte danach, in ländlicher Umgebung eine eigenständige und dabei pittoreske Architektur hervorzubringen, die ohne heimatfremdes Beiwerk war und sich der Natur anpasste.“Das Schulhaus wurde gebaut, weil eine zweite Lehrerstelle genehmigt worden war und zu dieser eine Lehrerwohnung gehörte. Der Platz zwischen Marienkapelle und dem nächsten Haus an der Steig Richtung Inneringen war frei. 1966 war dann ein neues und modernes Schulhaus bezugsfertig und das nunmehr „Alte Schulhaus“stand meist leer.
Weil eine Renovierung vor 20 Jahren zu teuer gekommen wäre, hat sich der Gemeinderat mehrheitlich zu einem Verkauf entschlossen. Lieb, der damals selbst Mitglied im Gemeinderat war, stimmte dagegen und sagt heute: „Es ist ein großes Glück, dass das Gebäude wieder zurückgekauft wurde.“Der private Besitzer hat fast 20 Jahre gebaut, die Baugenehmigung wurde immer wieder verlängert, aber die Fortschritte waren mehr als bescheiden.
Auch die ehemaligen Schüler Franz Scheurer, Heinrich Businger und Walter Dreher sind der Überzeugung, dass „so ein Haus in der Gemeinde bleiben muss“. Alle drei gehören dem Jahrgang 1949/50 an und wurden in ihrer Grundschulzeit „die zwölf Apostel“genannt: Sie waren zwölf Jungs und kein Mädchen. Viele Geschichten gehen ihnen durch den Kopf, wenn sie an ihre Schulzeit denken. So gab es einen Kachelofen, der im Sommer, wenn man die Strafarbeiten darin abbrennen musste, absichtlich verstopft wurde, sodass es Rauchalarm gab und alle das Gebäude verlassen mussten. Dreher bleibt in Erinnerung, dass der Rohrstock, mit dem ein Mitschüler seine „Tatzen“bekam, von diesem selbst mitgebracht werden musste und er das Rohrstöckle ausgehöhlt und mit Tinte gefüllt hatte. Businger, der die Fenster für das Untergeschoss lieferte, erinnert sich: „Gern sind wir nicht in die Schule gegangen, haben aber ein Großteil unserer Jugend dort verbracht und uns bemüht, die Lehrer zu ärgern, wo es ging.“
Scheurer geht mit Lieb zusammen durchs Schulhaus. Links war „die kleine Schule“. Unterrichtet wurden die Klassen eins bis vier bei Fräulein Wolf. Dort entstehen gerade ein Warteraum und zwei Behandlungszimmer. Rechts unterrichtete „der Chef“Herr Rebmann die Klassen fünf bis acht. Wo die Tafel stand, ist jetzt ein Fenster, das bereits beim Bau angelegt, aber zugemauert war. Die Türrahmen der beiden Klassenräume werden erhalten. Auch die stabile Eichentreppe mit einem geschmückten Geländer bleibt. Sie führt in die Lehrerwohnung, die die Schüler nur betreten haben, wenn sie „der Wolfe“Holz ins Obergeschoss brachten. „Als Lohn gab es riesige Marmeladenbrote und Limonade“, berichten Scheurer und Dreher.
Die repräsentative Außentür wird originalgetreu nachgebaut. Den Keller kannten die Schüler nicht, wussten auch nicht, dass dort noch ein gemauerter Backofen steht. Als langfristige Gebäudeerhaltungsmaßnahme war es Lieb wichtig, die Erde im Außenbereich abzugraben und die Mauer des Kellers trocken zu legen. Schließlich soll das Gebäude nicht nur die Schüler von damals überleben.
„Wir haben uns bemüht, die Lehrer zu ärgern, wo es ging“, berichtet Heinrich Businger von seiner Schulzeit in Hettingen.