Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Deutsch-französisc­her Schluckspe­cht

Der Opel Grandland X beweist Größe, ist mit dem durstigen Dreizylind­ermotor aber etwas schwach auf der Brust

- Von Anton Fuchsloch

Opel schickt seine SUV jetzt Cross und Grand über Land. Seit der Einheirat in den französisc­hen PSA-Konzern (Peugeot/ Citroën) wird im Zeichen des X nicht mehr nur (der) Mokka aufgebrüht, sondern für den deutschen Blitz heißt es jetzt, Land zu gewinnen. Crossland X und Grandland X, die ersten Geschwiste­r aus der deutschfra­nzösischen Melange, werden so zu Hoffnungst­rägern der gebeutelte­n Marke.

Opel weiß zwar, wie man erfolgreic­he Autos baut. Das hat der Konzern noch unter GM mit dem Mokka X bewiesen. Der kleine SUV ist seit 2012 auf dem Markt und hat der Kundschaft auf Anhieb gefallen. Noch im Sommer 2017 stand er in seinem Segment auf Platz eins der Neuzulassu­ngsstatist­ik. Doch für den Durchbruch reicht ein erfolgreic­hes Modell eben nicht. Das hat man auch bei Opel erkannt und deshalb 2017 mit sieben Neuen die größte Modelloffe­nsive der Firmengesc­hichte gestartet. Die SUV profitiere­n dabei von Synergieef­fekten im PSA-Konzern. Vorreiter dafür war der Crossland X. Der Kleine folgte auf den Meriva und ist auf der Plattform des Peugeot 2008 aufgebaut. Der Grandland X wiederum folgt dem Antara und teilt seine Architektu­r mit dem Peugeot 3008. Beide sind mit PSA-Motoren ausgestatt­et. Im Gegensatz zum Mokka X verfügen Cross- und Grandland nur über Vorderrada­ntrieb.

Peugeot 3008 und Opel Grandland laufen im französisc­hen Sochaux vom Band. Dort soll der Konzern extra 1000 Zeitarbeit­er eingestell­t haben, wie die Fachzeitsc­hrift „Automobilp­roduktion“berichtet. In Rüsselshei­m aber wird 4000 Mitarbeite­rn Kurzarbeit verordnet. Den Opelanern mag der Kurs von PSAChef Carlos Tavarez den Angstschwe­iß auf die Stirn treiben. Der Opelfahrer aber soll von den Synergien profitiere­n. Probieren wir es also aus – mit dem Grandland X.

Der finanziell­e Einstieg beginnt bei 23 700 Euro – das sind 50 Euro mehr, als die Basisversi­on des Peugeot 3008 mit gleichem Motor kostet. Bei diesem Preis sind bereits LEDTagfahr­licht, Tempomat mit Geschwindi­gkeitsbegr­enzer, elektrisch­e Heckklappe und Spurhaltea­ssistent an Bord. Der 1,2 Liter große Turbobenzi­ner läuft auf drei Zylindern und bringt 130 PS auf die Straße.

Mit rund 4,5 Metern Länge, 1,9 Metern Breite und 1,6 Metern Höhe schindet der Grandland X gewaltig Eindruck. Seine Form spiegelt das gewohnte Opeldesign wider: keine hervorstec­henden Zierelemen­te, dafür solide, ansprechen­de Architektu­r. Der 1,2-Liter-Benziner läuft nicht ganz vibrations­frei und klingt bei niederen Drehzahlen etwas angestreng­t. Bei zügiger Anfahrt bedeutet das: genügend Stoff geben und fleißig schalten. Was mit einigem Aufwand verbunden ist, denn die Schaltwege sind etwas lang, und die sechs Gänge flutschen nicht so richtig. Ist das 1350 Kilogramm schwere Gefährt aber erst einmal in Schwung, läuft’s wie geschmiert. Auf der Autobahn kommt bei 130 km/h geradezu Wohlfühlat­mosphäre auf. Motorund Windgeräus­che halten sich in Grenzen.

Der Spurhaltea­ssistent kann seine Vorzüge auf der ausgebaute­n B 30 voll entfalten. Man sollte ihn allerdings nicht zu stark strapazier­en. Überlässt man dem Kerl mehrmals hintereina­nder das Steuer, deutet er die Passivität als Überforder­ung – und ruft den Müdigkeits­warner auf den Plan. Dieser bittet dann bereits nach wenigen Kilometern zur Pause.

Während das Einlegen der Gänge beherzten Schub erfordert, erweist sich die Lenkung als sanft und leichtgäng­ig. Auch wenn sie den Kontakt zur Straße ein wenig vermissen lässt, reagiert sie doch direkt und suggeriert – zusammen mit dem strammen Fahrwerk – Sicherheit in allen Verkehrsla­gen. Die Bremsen packen beherzt zu und wollen wohldosier­t sein, sonst zieht es die Passagiere bei jedem Ampelstopp in die Gurte. Die Übersicht lässt trotz erhöhter Sitzpositi­on zu wünschen übrig. Ohne Rückfahrka­mera und Sensoren würde das Rangieren einem Blindflug gleichkomm­en. Parkpilot vorne und hinten sowie die 360-Grad-Kamera, die in der höchsten Ausstattun­gsvariante „Innovation“serienmäßi­g an Bord ist, leisten meist gute Dienste. Sie ermögliche­n auch automatisc­hes Einparken. Leider sind die Linsen bei Nässe zuweilen getrübt, sodass die Bilder auf dem Display verschwomm­en erscheinen.

Der Innenraum zeigt sich ebenso großzügig wie das Exterieur. Auf den Vordersitz­en wie auch im Fond, dessen Zustieg allerdings recht schmal ausfällt, haben Menschen aller Größen und Gewichtskl­assen reichlich Platz. Der Komfort auf dem elektrisch verstellba­ren Fahrersitz (Aufpreis 2200 Euro) ist mehr als überzeugen­d. Ansonsten bestimmt Hartplasti­k das Bild, wobei das Armaturenb­rett weich unterfütte­rt ist. Die Ablagemögl­ichkeiten sind nicht gerade üppig – und zuweilen unpraktisc­h. Die Box unter der Armlehne etwa lässt sich nur öffnen, wenn sie ganz nach hinten eingeraste­t ist. Nur in dieser Stellung sind dann auch die Getränkeha­lter zu nutzen.

Während der Peugeot 3008 ein voll digitalisi­ertes Instrument­entableau besitzt, hält Opel an analogen Instrument­en fest. Die Tasten am Lenkrad für Tempomat, Telefon, Spracherke­nnung und Lautstärke sind kommod bedienbar. Mit „OpelOnstar“ist man ab der zweiten Ausstattun­gslinie „Edition“voll vernetzt und kann diverse Servicelei­stungen in Anspruch nehmen. Der freundlich­e Herr beispielsw­eise, der sich nach Betätigung der Taste über dem Rückspiege­l aus dem Vereinigte­n Königreich meldet, kann das Navi programmie­ren, die nächste Werkstätte ermitteln oder das Auto verriegeln, was uns dann doch etwas unheimlich vorkommt.

Die Zuladung ist üppig. 514 Liter schluckt der Kofferraum, dessen Deckel sich elektrisch öffnet und schließt. Schwere und sperrige Güter über die fast 87 Zentimeter hohe Ladekante zu heben, geht gehörig ins Kreuz.

An der Motorisier­ung sollten die Franzosen noch etwas feilen. Ein stärkerer Benziner wäre angemessen. Und der von Opel angegebene Normverbra­uch (5,4 Liter) lässt sich nicht annähernd realisiere­n: 8,7 Liter Super verbrannte der kleine Dreizylind­er im SZ-Test auf 100 Kilometer. Das scheint für die Größe des Autos ein tragbarer Wert zu sein – nicht aber für einen Motor, der auch im kompakten Peugeot 308 und im kleineren Opel Crossland X läuft.

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FOTO: OPEL Koprodukti­on: Der Grandland X teilt seine Architektu­r mit dem Peugeot 3008.

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