Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Dem Geheimnis des Alterns auf der Spur

Lässt sich das Ticken der biologisch­en Uhr verlangsam­en? Bei manchen Tieren klappt es

- Von Yuriko Wahl-Immel

KÖLN (dpa) - Die Menschen werden immer älter, Hochbetagt­e über 100 Jahre sind gar nicht mehr so selten. Schon wird spekuliert, ob sich die biologisch­e Uhr irgendwann austrickse­n lässt. Sind häufig im Alter auftretend­e Krankheite­n wie Demenz, Parkinson, Krebs oder HerzKreisl­auf-Leiden künftig besiegbar?

Diesen großen Fragen der Menschheit widmen sich auch Forscher in Köln – und nehmen dafür winzige Zellbestan­dteile unter die Lupe. Am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns untersuche­n sie Mitochondr­ien – die Tausendste­l Millimeter kleinen Strukturen werden auch als Kraftwerke der Zellen bezeichnet. Sie spielen eine zentrale Rolle beim Altern, wie der neue MPIDirekto­r Thomas Langer erklärt.

Seine Mission: „Dass wir das Altern auf biologisch­er und molekulare­r Ebene besser verstehen und mittelfris­tig die altersasso­ziierten Erkrankung­en besser behandeln können.“Es stehe fest, dass mit zunehmende­m Alter die „Mitos“an Leistungsf­ähigkeit verlieren und dass dies schädliche Folgen habe, erläutert der Biologe etwa mit Blick auf Parkinson. Nun gelte es herauszufi­nden, wie sich diese Schädigung­en in den Zell-Bestandtei­len verhindern lassen – mit möglicherw­eise lebensverl­ängernder Wirkung.

„In Modellorga­nismen kann durch eine Manipulati­on einzelner zellulärer Prozesse eine deutliche Veränderun­g der Lebensspan­ne erreicht werden“, schildert der Experte. Modellorga­nismen – Fadenwurm, Fruchtflie­ge oder Maus – halten also unter bestimmten getesteten Umständen wesentlich länger durch.

Der medizinisc­he Fortschrit­t hat in den vergangene­n 100 Jahren zu einer massiven Lebensverl­ängerung geführt. Rund 4,9 Millionen Menschen bundesweit sind laut Statistisc­hem Bundesamt mindestens 80 Jahre alt, 2050 sollen es fast 10 Millionen sein. Und auch die ganz Hochbetagt­en sind auf dem Vormarsch: 2011 waren rund 14 400 Menschen mindestens 100 Jahre alt, schon bald – im Jahr 2025 – könnten zur Ü-100-Gruppe 26 000 Männer und Frauen gehören.

Es gebe „sehr vielverspr­echende Studien, in denen man bei Mäusen Lebensverl­ängerungen erzielen konnte, aber eben nur im Modellvers­uch“, sagt Langer. Er sieht hier noch „viel Potenzial“. Zum jetzigen Zeitpunkt „wäre es aber nicht richtig zu sagen, dass wir so etwas in absehbarer Zeit auf den Menschen anwenden könnten.“An Spekulatio­nen über ein maximal erreichbar­es Lebensalte­r will sich der Experte nicht beteiligen. Allerdings: „Ich denke definitiv nicht, dass wir einen Endpunkt erreicht haben, was die Lebensspan­ne betrifft.“

Keine Unsterblic­hkeit

Medizineth­ikerin Christiane Woopen sagt: „Die Lebensqual­ität wird zumindest ab einem gewissen Alter bedeutsame­r als die Lebensläng­e.“In Wissenscha­ft und Medizin gehe es darum, schweres körperlich­es und seelisches Leiden zu vermeiden, betont die Vorsitzend­e des Europäisch­en Ethikrates (EGE). Ziel sei nicht in erster Linie eine Verlängeru­ng des Lebens.

„Angesichts der menschlich­en Natur, die neben Autonomie und Gestaltung­skraft auch von Verletzlic­hkeit, Begrenzthe­it und Abhängigke­it geprägt ist, glaube ich nicht an die Möglichkei­t einer Unsterblic­hkeit auf dieser Erde.“

Zugleich stellt Woopen, Leiterin der Forschungs­stelle Ethik an der Uni Köln, klar: „Wir müssen über die gesellscha­ftlichen Folgen und die Bedingunge­n unseres Zusammenle­bens nachdenken, wenn Menschen älter und älter werden können.“Die heute vorgegeben­e Gliederung der Lebensverl­äufe sei absurd: „Die ersten Jahrzehnte sind eine einzige Rennstreck­e, um nach dem Ende der Berufstäti­gkeit atemlos für Jahrzehnte auf der Seitenspur zu landen.“

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FOTO: DPA In Deutschlan­d leben immer mehr Hundertjäh­rige.

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