Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gewässerwarte setzen kleine Forellen aus
Zeit in Brutboxen ist vorbei – Ziel der Aktion ist, die Alterspyramide wieder aufzubauen
SCHEER - In der Donau gibt es fast keine wilden Forellen mehr, weil sie wegen der Flussbegradigung und Verbauung nicht erfolgreich laichen können. Seit Jahren ist es so, dass die Angler Bachforellen vom Züchter gekauft und ausgesetzt haben. Die Gewässerwarte Jürgen Gutknecht und Florian Reck vom ASV Scheer wollen nun der Natur helfen: Sie haben in sogenannten Ulmer Boxen Bachforellen ausgebrütet und am vergangenen Wochenende in die Donau eingesetzt. Die kleinen Brütlinge suchten sich am Ufer schnell einen Platz im Boden, um vor Feinden geschützt aufzuwachsen. Die notwendigen Nährstoffe haben sie in einem kleinen Dottersack dabei.
Florian Reck und Heiko Gönner hatten mit KoBV-Schülern der Tuttlinger Ferdinand-von-SteinbeisSchule in einem Umweltprojekt Brutboxen gebaut und zwei davon im vergangenen Oktober kostenlos der Stadt Scheer zur Verfügung gestellt (die SZ berichtete).
Mitte Januar haben die Gewässerwarte Gutknecht und Reck beim Züchter 10 000 Eier von Bachforellen geholt und sie in die Brutboxen gelegt. Die Boxen schwammen auf dem Wasser im Kanal der ehemaligen Papierfabrik. Sie waren an Uferbäume angebunden. Das Donauwasser floss durch die Boxen, sodass sich die Fischeier geschützt entwickeln konnten. Alle ein bis zwei Tage mussten die Boxen geöffnet und überprüft werden. Die Gewässerwarte dokumentierten den Brutvorgang, indem sie die Wassertemperatur und –farbe aufschrieben, die toten Eier zählten und heraus nahmen. „Wir wollten mit der Dokumentation festhalten, welche Bedingungen zum Bruterfolg führen“, sagt Reck. Der Bruterfolg lag bei 97 Prozent. Die Bedingungen sind demnach optimal gewesen. Die Gewässerwarte sind zufrieden.
Brütlinge sind empfindlich
In den sechs Wochen Brutzeit haben sich die Eier zu Brütlingen entwickelt. Es war nun Zeit, sie in die Donau einzusetzen. Die kleinen Fische mit dem roten Dottersack schwammen munter in der Box. Gewässerwart Gutknecht holte sie vorsichtig mit einem Kescher aus der Box und legte sie in einen Kübel voll Wasser. Dann musste alles schnell gehen: Die Brütlinge sind nämlich empfindlich, sie vertragen Temperaturschwankungen nicht so gut. Bei den frostigen Temperaturen drohte die Wassertemperatur im Kübel zu schnell zu sinken.
Die Gewässerwarte fuhren zum Donauufer unterhalb des Wehrs. Sie liefen über die verschneite Brücke auf die Insel rüber und im tiefen Schnee zum Ufer hinunter. Dort ging Gewässerwart Gutknecht ins Wasser, um mit einer Grabgabel das Kies am Grund zu lockern. Gewässerwart Reck holte vorsichtig die Brütlinge mit einem Becher aus dem Kübel und setzte sie in kleinen Gruppen aus. Die kleinen noch lichtscheuen Fische tauchten sofort in das gelockerte Kies ab, um sich vor den Feinden zu verstecken. Diese Prozedur wurde an mehreren Plätzen wiederholt. „Auf diese Weise hoffen wir, die Überlebenschancen der Brütlinge zu erhöhen“, erklärten die Gewässerwarte. Die kleinen Fische sind die ideale Beute für Wasservögel und größere Fische. Wenn sie auf natürliche Weise abgelaicht geworden wären, würden sie geschützt unter dem Boden im Flussbett liegen. Die Brütlinge werden nun wachsen können und in zwei oder drei Jahren werden circa drei Prozent als muntere große Bachforellen in der Donau schwimmen.
Das Ziel dieser Aktion ist nicht, die Angler mit Fischen zu versorgen, betonen die Gewässerwarte. Es gehe darum, das ökologische Gleichgewicht und die Alterspyramide wieder aufzubauen. Mittelfristiges Ziel ist, dass sich in der Donau die wilden Bachforellen wieder natürlich vermehren. „Es sind ja Renaturierungsmaßnahmen an der Donau geplant. Da werden hoffentlich wieder geeignete Laichplätze entstehen. Unsere Aktion ist ein kleiner ökologischer Beitrag dazu“, sagen sie. Weil der Bruterfolg so hoch war, werden im April Eier der Äsche in den Boxen ausgebrütet, um auch den Bestand dieser Fischart wieder aufzubauen, kündigen Reck und Gutknecht an.