Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Leider fehlt Eltern oft das Verständnis für den Sport“
Laut Josef Baumgärtner, Präsident des Turngaus Hohenzollern, sind Kinder nach wie vor zu begeistern
MENGEN (jek) - Als Präsident des Turngaus Hohenzollern versteht sich der Mengener Josef Baumgärtner als Dienstleister für die 53 Vereine, die Mitglied im Turngau sind. Gerade ist das neue Jahresprogramm mit den Veranstaltungen und Angeboten für Übungsleiter herausgekommen. Jennifer Kuhlmann hat sich mit Baumgärtner über das Amt unterhalten, das er seit rund einem Jahr ausübt, über den Trend, dass auch Vereine vermehrt Kurse anbieten und dass es immer schwieriger wird, Eltern für den Turnsport zu begeistern.
Als Präsident den Kontakt zu 53 Vereinen zu halten, wie schafft man das überhaupt?
Bevor ich Präsident geworden bin, habe ich das Amt bereits ein Jahr kommissarisch ausgeübt. Davor war ich 15 Jahre Vizepräsident. Da bekommt man mit, wie viel Zeitaufwand das ist und was die Vereine von einem erwarten. Ohne Unterstützung der Familie geht das alles nicht. Der Turngau ist das Bindeglied zwischen den Vereinen und dem Schwäbischen Turnerbund in Stuttgart. Ich versuche, bei den Hauptversammlungen anwesend zu sein, nehme an Arbeitskreisen in Stuttgart teil und bin ziemlich gut vernetzt. Trotzdem schaffen mein Team und ich es nicht immer, unsere Angebote gut in die Vereine zu tragen.
Woran liegt das? Können Sie ein Beispiel geben?
Manchmal ist es mit der Kommunikation schwierig, wenn der Vereinsvorstand hauptsächlich aus Fußballern besteht. Dann fallen die Bedürfnisse einer Turnabteilung schon einmal hintenrüber. Die Abteilungsund Übungsleiter wissen nicht, wie sie an die Informationen zu möglichen Aus- und Fortbildung kommen und wir im Turngau erfahren nicht, wo Bedarf besteht. Auch bei der Organisation von Turnfesten, Wettkämpfen oder Wandertagen brauchen viele Vereine Unterstützung. Deshalb versuchen wir, mit dem Jahresprogramm die Infos zu den Angeboten weit zu streuen.
Hat sich das Interesse der Menschen am Turnsport in den vergangenen Jahren verändert?
Zu unserem Sport gehören ja viele Bereiche. Neben dem klassischen Geräte- und Bodenturnen zählen auch Leichtathletik und Einzelsportarten wie Schwimmen und Tischtennis, Tanz- und Akrobatik oder sogar Kickboxen, Volleyball und Badminton dazu. Momentan betreut der Turngau rund 14 000 Mitglieder. Das Interesse ist nach wie vor vorhanden, vor allem die Kinder haben eine Menge Spaß. Bei jedem Wetter.
Stimmt das Gerücht, dass den Kindern die Freizeit für Sport fehlt, also gar nicht?
Es ist eher so, dass den Eltern das Verständnis für den Turnsport fehlt. Die möchten ihre Kinder nicht am Wochenende zu Wettkämpfen oder Turnfesten fahren und schon gar nicht selbst mithelfen. Da bleibt viel mehr Verantwortung bei den Übungsleitern hängen. Zum Glück gibt es da noch so viele, die dieses Ehrenamt gerne und mit viel Freude ausüben. Die Entlohnung ist nämlich nicht gerade fürstlich und manche Vereine übernehmen noch nicht einmal die Kosten für die Ausbildung.
Warum das denn nicht?
Gerade im Fitnessbereich haben Vereine massive Konkurrenz von Erwachsenenbildungswerken und Volkshochschulen bekommen. Da kommt es immer mal wieder vor, dass ein ausgebildeter Übungsleiter im Verein abspringt und lukrativere Angebote annimmt. Vereine können das aber auch verhindern, in dem sich die Übungsleiter verpflichten, zwei oder drei Jahre lang für den Verein Übungsstunden anzubieten.
Viele Vereine bieten jetzt ja selbst auch Kurse mit zehn oder zwölf Einheiten an, die auch Nichtvereinsmitglieder buchen können.
Ja, das stimmt. Das ist so ein Trend, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Entweder wollen sich die Leute nicht an einen Verein binden oder sie glauben, dass nur gut ist, was auch etwas kostet. Oft würden die Kursteilnehmer mit dem Jahresbeitrag des Vereins viel günstiger wegkommen, als wenn sie Kurse buchen. Aber die Vereine müssen auf dieses geänderte Sportverhalten reagieren, wenn sie ihre Sportler nicht an andere Vereine, Fitness-Studios oder sonstige Anbieter verlieren wollen.
Tauschen sich die Vereine darüber untereinander aus?
Meiner Meinung nach noch viel zu wenig. Ich bin in einem Arbeitskreis des Schwäbischen Turnerbunds, der sich mit der Zukunft der Vereine beschäftigt. Wie wird die Situation 2030 aussehen? Was wird sich noch verändern und wie können Vereine darauf reagieren? Das sind Themen, die wir noch stärker in die Vereine tragen müssen.
Ist es eigentlich auch an der Zeit, über den Namen Turngau nachzudenken?
Meiner Meinung nach schon. Für mich hat er einen negativen Beigeschmack, als würden wir braune Hemden tragen. Aber so eine Änderung muss wohlüberlegt und geplant sein. Es gibt auch Menschen, die an der Tradition und damit auch am Namen festhalten wollen.
Auf welche Veranstaltung freuen Sie sich am meisten?
Ich genieße die Termine, bei denen die Vertreter und Sportler von vielen Vereinen zusammenkommen. Das wird zum Beispiel beim Gaukinderturnfest in Sigmaringendorf am 24. Juni der Fall sein.
Weitere Informationen zum Turngau Hohenzollern und das Jahresprogramm gibt es im Internet unter https://sites.google.com/site/ turngauhohenzollern